Abdallah ibn Husain I. – Wikipedia

Abdallah I.

Abdallah ibn Husain I. oder Abdallah I. (arabisch عبد الله الأول بن الحسين, DMG ʿAbdallāh al-auwal bin al-Ḥusain; * 1882 in Mekka; † 20. Juli 1951 in Jerusalem) war Emir und König von (Trans-)Jordanien von 1921 bis zu seinem Tod. Sein politisches Hauptziel war die Erweiterung seines Königreichs; im Mai 1948 ließ er während des Palästinakrieges das Westjordanland besetzen.

Winston Churchill (rechts) am 28. März 1921 bei einem Besuch bei Abdallah (5. v. links) auf der Nahostkonferenz in Jerusalem. In der Mitte Sir Herbert Samuel.

Abdallah wurde 1882 in Mekka als zweiter Sohn des Scherifen von Mekka Hussein ibn Ali und dessen erster Gattin Abdiyya bint Abdullah geboren und gehörte zur Familie der Haschimiten. Als seine Mutter bereits 1886 starb, kam er in die Obhut seiner väterlichen Urgroßmutter. Privatlehrer unterrichteten ihn u. a. in der Dichtkunst, Geschichte, Kalligraphie und der Rezitation des Korans. 1892 wurde sein Vater zwangsweise vom türkischen Sultan Abdülhamid II. nach Konstantinopel berufen. Abdallah zog bald mit seinen Brüdern Ali und Faisal I. zu seinem Vater und erhielt in Konstantinopel seine weitere Ausbildung. 1902 heiratete er seine Kusine Misbah bint Nasser und hatte mit ihr zwei Kinder.[1]

Während der Revolution der Jungtürken 1908 überzeugte Abdallah seinen Vater, für das vakante Amt des Großscherifs von Mekka zu kandidieren. In der Tat erhielt Hussein diesen wichtigen Posten, woraufhin Abdallah nach Mekka zurückkehrte. Nach der Wiedereröffnung des osmanischen Parlaments im Dezember 1908 kamen die Jungtürken an die Regierung, und Abdallah wurde 1909 Abgeordneter für Mekka im Parlament, eine Position, die er bis zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs (1914) innehatte. Die Jungtürken versuchten Abdallahs Vater in Verfolgung ihrer Zentralisierungstendenzen die politischen Befugnisse zu entziehen, wobei ihnen zugutekam, dass die Errichtung von Eisenbahnlinien und Telegraphenverbindungen eine direkte Regierung Mekkas von Konstantinopel aus ermöglichte. Hussein verteidigte aber seinen Einfluss erfolgreich; und Abdallah vermittelte in dem Konflikt zwischen seinem Vater und den Jungtürken. 1912 vermählte er sich in polygamer zweiter Ehe mit Suzdil Hanum; aus dieser Verbindung gingen drei Kinder hervor.[2]

Kurz vor dem Beginn des Ersten Weltkriegs traf Abdallah im Februar 1914 den britischen Hochkommissar für Ägypten, Lord Kitchener, um für seinen Vater um britische Hilfe im Fall eines gravierenden Konflikts mit der osmanischen Regierung zu ersuchen. Ferner führte er Gespräche und später einen Briefwechsel mit dem hochrangigen britischen Kolonialbeamten Ronald Storrs. Dabei ging es vor allem um die Zukunft des Hedschas. Auf Abdallahs Ermunterung verhandelte sein Vater 1915 mit Kitcheners Nachfolger Henry McMahon über die Errichtung eines von der osmanischen Herrschaft unabhängigen arabischen Königreichs. Im folgenden Jahr nahm Abdallah mit seinem Bruder Faisal I. an der von seinem Vater am 10. Juni 1916 verkündeten Arabischen Revolte gegen die Osmanen teil. Er belagerte die türkischen Garnisonen in Ta'if und Medina, während Faisal erfolgreich in Syrien operierte, im September 1918 in Damaskus einmarschierte und die osmanische Herrschaft in Syrien beendete. Scherif Hussein war als König von Hedschas anerkannt worden. Im Mai 1919 erlitten aber die Streitkräfte Abdallahs in einer bedeutenden Schlacht in Südarabien eine Niederlage gegen die wahhabitischen Anhänger von Ibn Saud, der Hedschas den Krieg erklärt hatte.[2]

Am 8. März 1920 rief ein „Irakischer Kongress“, eine politische Organisation fragwürdiger Legitimität, Abdallah zum konstitutionellen König des Irak aus.[3] Faisal wurde am selben Tag in Damaskus als König von Syrien proklamiert. Nach Ausbruch des Irakischen Aufstands von 1920 verließ Abdallah im September desselben Jahres den Irak und verzichtete auf den Thron zugunsten seines Bruders, der im Juli 1920 durch die Franzosen aus Syrien vertrieben worden war. Er erschien mit einem kleinen Trupp von Anhängern in Madaba und plante antifranzösische Umtriebe in Syrien. Auf das Eintreten des britischen Kolonialministers Winston Churchill durfte er unter der Bedingung in Amman bleiben, dass er die antizionistischen Aktivitäten in dieser Region eindämmte und seine Feindseligkeiten gegen die Franzosen in Syrien einstellte. Er wurde nach der britischen Nahostkonferenz im April 1921 von Großbritannien als Emir von Transjordanien unter britischem Protektorat anerkannt.[2]

1922[4] traf Abdallah sich zu einem ersten Gespräch mit dem allgemein-zionistischen Politiker Chaim Weizmann[4] in London. Abdallah suchte Unterstützung gegen seinen größten politischen Widersacher, den Jerusalemer Politiker Mohammed Amin al-Husseini,[4] hierzu unterstützte er auch dessen lokalen Konkurrenten Raghib an-Naschaschibi.

Abdallah versuchte, die unterschiedlichen Volksgruppen seines Landes zu einer Nation zusammenzuführen. Dazu regierte er als absoluter Herrscher, teilweise auch gegen die Regeln der jordanischen Verfassung. Außenpolitisch unterstützte er stets den britischen Kurs in der Region. Vor allem war er einer der wenigen Herrscher der Region, die in der Endphase des Zweiten Weltkrieges und in den Jahren danach zu Gunsten der westlichen Staaten die Expansionsversuche der Sowjetunion im Nahen Osten ablehnten. Nicht zuletzt wegen dieser Haltung wurde Transjordanien am 25. Mai 1946 aus dem Status eines Protektorats entlassen und als unabhängiger Staat Jordanien anerkannt, was für Abdallah mit der Erhebung zum König verbunden war. Abdallah wollte jedoch nicht nur König von Transjordanien sein, sondern König von Großsyrien. Seine diesbezüglich an die Parlamente und Regierungen Syriens und Libanons gerichteten Noten und Forderungen wurden jedoch im November 1946 zurückgewiesen.

1947 war Abdallah der einzige arabische Herrscher, der den Teilungsplan der UNO für Palästina akzeptierte. Der Historiker Henry Laurens schreibt, dass Abdallah „jede mögliche Form eines Kompromisses mit der zionistischen Bewegung versucht hat“.[5] Dennoch nahm Jordanien 1948 bis 1949 am 1. Arabisch-Israelischen Krieg teil und annektierte die von den jordanischen Truppen eroberten Gebiete der Westbank in Palästina, einschließlich Ostjerusalem. Im Juni 1951 sagte er zu einem US-Repräsentanten bei der UN-Versöhnungskommission:

Ich bin ein alter Mann. Ich weiß, dass meine Macht begrenzt ist. Ich weiß, dass ich von meinem eigenen Sohn gehasst werde. [...] Ich weiß auch, dass mein eigenes Volk mich für meine Friedensbemühungen verabscheut. Aber trotz allem weiß ich, dass ich eine Friedenslösung finden könnte, wenn ich nur etwas Unterstützung erhielte und wenn ich von Seiten Israels vernünftige Zugeständnisse erhalten könnte.[5]

Abdallah wurde am 20. Juli 1951 in Jerusalem von einem palästinensischen Attentäter in der al-Aqsa-Moschee erschossen, wohl wegen seiner moderaten Haltung gegenüber Israel. Der Enkel Abdallahs, Hussein, entging dem Attentat nur knapp. Der Attentäter, ein Schneider aus Jerusalem namens Mustapha Shukri Usho, gehörte einer Gruppe an, die in Kontakt zu Mohammed Amin al-Husseini stand und eine dauerhafte Aufteilung Palästinas durch Jordanien und Israel verhindern wollte.[6]

Der britische Orientalist Robin Leonard Bidwell hat stattdessen Abdallahs Ermordung mit seinen Plänen in einen Zusammenhang gebracht, seinen ungeliebten Sohn Talal in der Thronfolge zu übergehen und Jordanien mit dem Königreich Irak zu einer Arabischen Union zusammenzuschließen. Diesen 1951 von Abdallah wieder aufgegriffenen Plänen entsprechend wollte er selbst König dieses vereinten haschemitischen Königreichs werden und als Thronfolger für das Gesamtreich nicht seinen Sohn Talal einsetzen, sondern seinen Neffen, den irakischen König Faisal II.[7]

Abdallahs Nachfolger wurden Talal (1951–1952) und dessen Sohn Hussein (1953–1999).

  • M. Colombe: Abd Allah b. al-Husayn, in: Encyclopaedia of Islam, 2. Auflage, Bd. 1 (1960), S. 46.
  • Philip Graves (Hrsg.): Memoirs of King Abdallah of Transjordan. Mit einem Vorwort von Ronald J. C. Broadhurst. Übersetzt von G. Khuri. Jonathan Cape, London 1950.
  • Michael T. Thornhill: Abdullah ibn Hussein, in: Oxford Dictionary of National Biography, Bd. 1 (2004), S. 51–53.
  • Jenab Tutunji: Abdullah I. ibn Hussein, in: Encyclopedia of the Modern Middle East and North Africa, 2004, Bd. 1, S. 29–31.
Commons: Abdallah ibn Husain I. – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

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  1. Michael T. Thornhill: Abdullah ibn Hussein, in: Oxford Dictionary of National Biography, Bd. 1 (2004), S. 51.
  2. a b c Michael T. Thornhill: Abdullah ibn Hussein, in Oxford Dictionary of National Biography, Bd. 1 (2004), S. 51; Jenab Tutunji: Abdullah I. ibn Hussein, in: Encyclopedia of the Modern Middle East and North Africa, 2004, Bd. 1, S. 29.
  3. M. Colombe: Abd Allah b. al-Husayn, in: Encyclopaedia of Islam, 2. Auflage, Bd. 1 (1960), S. 46.
  4. a b c Avi Shlaim: Lion of Jordan – The Life of King Hussein in War and Peace. 2. Auflage. Penguin Books, London 2008, ISBN 978-0-14-101728-0, S. 23 ff.
  5. a b Henry Laurens: Paix et Guerre au Moyen-Orient – L’Orient arabe et le monde de 1945 à nos jours. 2. Auflage. Armand Colin Éditeur, Paris 2005, ISBN 2-200-26977-3, S. 108 f. (dort zitiert in Foreign Relations of the United States, 1951, T. V., 736, Washington 1982).
  6. Henry E. Mattox: Chronology of World Terrorism, 1901–2001. 2004, S. 60 (online).
  7. Robin Leonard Bidwell: Dictionary of Modern Arab History. Kegan Paul International, London/New York 1998, S. 5.
VorgängerAmtNachfolger
König von Jordanien
1946–1951
Talal