Agpait – Wikipedia

Agpait ist ein holokristallines magmatisches Alkaligestein, das vorwiegend aus Nephelin und Alkalifeldspat besteht. Darüber hinaus enthält es sehr reichhaltig Halogen-führende, Natrium-Calcium-haltige HFSE-Minerale.

Ein agpaitischer Kakortokit aus dem Ilimmaasaq-Komplex in Südwestgrönland

Der Agpait ist nach der Siedlung Appat (Inuktun: Agpat) benannt, welche im Ilimmaasaq-Komplex (auch Ilimaussaq-Komplex oder englisch Ilímaussaq complex) des südwestlichen Grönlands gelegen ist und seine Typlokalität darstellt.[1]

Appat ist ein Wort aus der Sprache der Inuit. Appat is der Plural von appa mit der Bedeutung „Lumme“, meistens ist die Dickschnabellumme gemeint. Appat sind somit Lummen.

Geschichtliches

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Agpait wurde erstmals im Jahr 1911 aus dem Ilimmaasaq-Komplex in Südwestgrönland beschrieben.[2]

Die bisherigen Definitionen von Agpaiten und Miaskiten sind unzureichend und verlangen nach Alternativa. Gleichermaßen sollte auch die bisher üblich gehandhabte Kassifikation von Nephelinsyeniten aufgegeben werden, da sie in sich nicht konsistent ist und sehr ähnliche Mineralparagenesen in anderen Gesteinstypen (wie z. B. in quarzhaltigen Magmatiten) nicht berücksichtigt. Unterschiedliche Prozesse können Mineralabfolgen generieren, die wiederum in ganz verschiedene Gruppen fallen.

Stattdessen sollten agpaitische Gesteine nicht noch weiter unterteilt werden, sondern durch sorgfältige Gefügestudien – welche zwischen frühmagmatischen, spätmagamatischen und hydrothermalen Phasenzusammensetzungen unterscheiden – ergänzt werden. Nur hierdurch lassen sich die Auswirkungen der einzelnen physikochemikalischen Parameter (wie Druck, Temperatur, Sauerstofffugazität fO2, die Aktivitäten aSiO2 und aH2O, die Peralkalinität und die jeweiligen Aktivitäten anderer Verbindungen, beispielsweise von Halogeniden) während unterschiedlicher evolutionärer Stadien in diesen mineralogisch und strukturell hochdifferenzierten Gesteinen letztlich auch verstehen.

Agpaite sind generell peralaklisch, typischerweise handelt es sich hier um Nephelinsyenite oder um deren vulkanische Äquivalente – Phonolithe.

Der Terminus agpaitisch ist sehr wichtig in der Unterscheidung von Alkaligesteinen. Er umschließt an Kieselsäure untersättigte Gesteine mit Aluminiumdefizit. Die weitaus häufigeren miaskitischen Gesteine hingegen haben einen Aluminiumüberschuss. Sie sind weniger alkalisch und führen als charakteristische Minerale Zirkon, Sphen (Titanit) und Ilmenit.

Charakteristisch für Agpaite sind komplex aufgebaute Silikate mit den Elementen Zirconium, Titan, Natrium, Calcium, Seltene Erden und Fluor. Sie sind daher sehr reich an seltenen und ungewöhnlichen Mineralen wie beispielsweise Eudialyt, Rinkit, Wöhlerit als häufigste Vertreter, sowie Loparit, Astrophyllit, Lorenzenit, Katapleiit, Lamprophyllit und Villiaumit. Auch Sodalith ist meist zugegen – ist aber nicht diagnostisch.[3]

Agpaite sind hoch angereichert an den Alkalien Lithium, Natrium, Rubidium und Cäsium, ferner an den Halogenen Fluor, Chlor, Brom und Jod, an den HFSE Zirconium, Hafnium, Niob und Tantal, an Seltenen Erden, an den inkompatiblen Elementen Uran und Thorium sowie an recht seltenen Elementen wie Beryllium, Zinn, Antimon, Wolfram, Molybdän, Arsen, Zink, Blei und Gallium.[4]

Astrophyllitischer Agpait (pegmatitischer peralkalischer Nephelinsyenit mit Astrophyllit) aus den Chibinen

Agpaitische Gesteine ähneln in ihren geodynamischen Vorkommen generell peralkalischen Gesteinen.[5] Hierzu gehören kontinentale Rifts, Intraplattenlagen sowohl ozeanischer als auch kontinentaler Zuordnung und Subduktionsbezogene Environments.[6] Bei vielen Vorkommen ist jedoch ihre letztliche geodynamische Zuordnung nicht eindeutig und ihr alkalischer Magmatismus bleibt nach wie vor umstritten/unverstanden.

Zu den Rift-Environments gehören das Gardar-Rift mit dem Ilimmaasaq-Komplex, der Ostafrikanische Graben und der Oslograben. Ozeanische Intraplattenlagen finden sich auf Ascension, auf den Azoren und auf den Kapverden, kontinentale Intraplattenlagen hingegen am Mont Saint-Hilaire in Quebec in Kanada, im Damaraland Namibias und in der Provinz Serra do Mar in Brasilien. Die Trans-Pecos-Region ist wahrscheinlich an eine Subduktion gebunden. Agpaite finden sich auch in den Massiven von Lowosero und der Chibinen im Nordosten Russlands (auf der Halbinsel Kola).

Im Vergleich zu miaskitischen Gesteinen sind Agpaite recht selten und innerhalb von magmatischen Provinzen auch auf nur relativ wenige Fundstätten beschränkt. Dies unterstreicht ihre sehr speziellen Bildungsbedingungen, die für die Entwicklung peralkalischer Gesteine so nicht vorliegen. Die kontrollierenden Faktoren in der Bildung von Agpaiten sind in den speziellen Bedingungen während ihrer letztlichen Differentiation und Platznahme zu suchen und sind somit nicht unbedingt an großräumige, tiefsitzende Prozesse geknüpft, wie sie für alkalische Magmenprovinzen charakteristisch sind (beispielsweise die geochemische Zusammensetzung der Quellregion sowie das jeweilige Aufschmelzregime).

Entstehungsalter

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Agpaitische Gesteine sind bereits seit dem Paläoproterozoikum bekannt. Das älteste Vorkommen von Nechalacho in Kanada wurde bisher mit 2.176 ± 3 Millionen Jahren datiert.[7] Aus dem Proterozoikum stammen nur relativ wenige Vorkommen wie beispielsweise die Funde aus dem Gardar-Rift in Grönland, der Pilanesberg in Südafrika, die Fundstätte Mariupol in der Ukraine und der Stettin-Pluton in Wisconsin, darunter auch die metamorphosierten und deformierten Vorkommen von Norra Kärr (Nephelinsyenit bei Gränna in Schweden), vom Red Wine-Alkalikomplex in Labrador, von Kipawa in Québec und vom Sushina Hill in Westbengalen, Indien. Aus dem Zeitraum 1.100 bis 500 Millionen Jahre sind bis auf den Ilomba-Komplex in Malawi keine Agpaite bekannt. Tatsächlich sind die meisten Agpaite jünger als 400 Millionen Jahre. Generell ähnelt die Altersverteilung der Agpaite der Altersverteilung von Alkaligesteinen.[8] Ferner besteht eine negative Korrelation mit Superkontinenten, d. h. während des Bestehens von Superkontinenten bildeten sich so gut wie keine Agpaite. Demzufolge liegt die Hauptmasse agpaitischer Vorkommen im Zeitraum 1.500 bis 1.100 Millionen Jahre zwischen den beiden Superkontinenten Columbia und Rodinia sowie am Ende von Gondwana und Pangäa nach 250 Millionen Jahren (obwohl durchaus auch einige Vorkommen während des Bestehens von Pangäa zwischen 400 und 250 Millionen Jahren entstanden waren).

Es wird generell angenommen, dass Magmen, die peralkalische Gesteine auskristallisieren, aus geochemisch angereicherten Erdmantellithologien entstanden waren – wobei eine sehr geringe partielle Aufschmelzrate zugegen war. Ferner treten lang andauernde Differentiationsprozesse in realiv seichten Krustenbereichen hinzu.

Agpaitische und auch hyperagpaitische Gesteine (letztere enthalten einen nicht unwesentlichen Anteil von in Wasser löslichen Mineralen) stellen die am weitesten entwickelten Glieder peralkalischer Magmensysteme dar. Sie bilden hierbei Teile von plutonischen bis subvulkanischen, zusammengesetzten Magmenkomplexen, die sich aus mehreren agpaitischen und/oder miaskitischen Intrusionseinheiten zusammensetzen. Sie können aber auch als Lagergänge, Lakkolithen, domartige Aufwölbungen, Gänge oder sogar als Laven in Erscheinung treten. Da jedoch Agpaite im Vergleich zu Miaskiten recht selten sind (weltweit sind etwa nur 100 Agpaite bekannt – im Vergleich zu mehreren tausenden Miaskiten) bedürfen sie ganz spezifischer Bildungsbedingungen, die bei der gewöhnlichen Entwicklung peralkalischer Gesteine nicht verwirklicht werden. Trotz ihrer Seltenheit finden sich in agpaitischen und hyperagpaitischen Gesteinen sehr wichtige Metalllagerstätten von insbesondere Seltenen Erden, Zirconium, Niob und Uran, aber auch von Fluor, Beryllium, Zinn, Zink und Gallium.

  • Michael A. W. Marks, Kai Hettmann, Julian Schilling, B. Ronald Frost und Gregor Markl: The Mineralogical Diversity of Alkaline Igneous Rocks: Critical Factors for the Transition from Miaskitic to Agpaitic Phase Assemblages. In: Journal of Petrology. Volume 52, Number 3, 2011, S. 439–455, doi:10.1093/petrology/egq086.
  • Michael A. W. Marks und Gregor Markl: A global review on agpaitic rocks. In: Earth Science Reviews. Band 173, 2017, S. 229–258, doi:10.1016/j.earscirev.2017.06.002.

Einzelnachweise

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  1. Michael A. W. Marks und Gregor Markl: Chapter 14 – The Ilímaussaq Alkaline Complex, South Greenland. In: B. Charlier et al., Layered Intrusions (Hrsg.): Springer Geology. 2015, S. 649–691, doi:10.1007/978-94-017-9652-1_14 ([1]).
  2. N. V. Ussing: Geology of the country around Julianehaab, Greenland. In: Medd. om Grønl. Band 38, 1912, S. 426.
  3. A. D. Edgar: On the use of the term 'Agpaitic'. In: Mineralogical Magazine. Vol. 39, 1974, S. 729–30.
  4. J. C. Bailey, R. Gwozdz, J. Rose-Hansen und H. Sørensen: Geochemical overview of the Ilímaussaq alkaline complex, South Greenland. In: Geol. Greenl. Surv. Bull. Band 190, 2001, S. 35–53.
  5. J. G. Fitton und B. G. J. Upton: Alkaline Igneous Rocks. In: Geological Society of London Special Publication. Band 30, 1987, S. 573.
  6. Michael A. W. Marks und Gregor Markl: A global review on agpaitic rocks. In: Earth Science Reviews. Band 173, 2017, S. 229–258, doi:10.1016/j.earscirev.2017.06.002.
  7. V. Möller und A. E. Williams-Jones: Petrogenesis of the Nechalacho layered suite, Canada: magmatic evolution of a REE-Nb-rich nepheline syenite intrusion. In: Journal of Petrology. Band 57, 2016, S. 229–276.
  8. Y. A. Balashov und V. N. Glaznev: Cycles of alkaline magmatism. In: Geochem. Int. Band 44, 2006, S. 274–285.