Anastassija Eduardowna Baburowa – Wikipedia

Anastassija Eduardowna Baburowa (russisch Анастасия Эдуардовна Бабурова, ukrainisch Анастасія Едуардівна Бабурова (Anastassija Eduardiwna Baburowa); * 30. November 1983 in Sewastopol; † 19. Januar 2009 in Moskau) war eine russisch-ukrainische Journalistin und politische Aktivistin.[1][2]

Anastassija Baburowa wuchs als Einzelkind bei ihren an der Sewastopoler Nationalen Technischen Universität (SevNTU) lehrenden Eltern Eduard Fjodorowitsch Baburow und Larissa Iwanowna Baburowa geb. Glotowa auf. Sie besuchte in Sewastopol die traditionsreiche Schule Nr. 3 und eine Jugendsportschule. Sie spielte Gitarre, war erfolgreiche Schachspielerin und Kampfsportlerin und vielseitig interessiert, u. a. in Sprachen, Ökonomie und Poesie. Neben ihren Muttersprachen Russisch und Ukrainisch sprach sie fließend Englisch und Französisch.[3]

Nach ausgezeichnetem Schulabschluss begann sie im Jahr 2000 eine Ausbildung an der Management-Fakultät der „Schwarzmeerfiliale“ der Lomonossow-Universität in Sewastopol. Zusammen mit ihrer Mutter wurde sie im Jahr 2000 russische Staatsbürgerin[4] und zog 2001 nach Moskau, wo sie nach ihrer Zulassungsprüfung eine Ausbildung über internationales Recht am Moskauer Staatlichen Institut für Internationale Beziehungen begann. 2003 heiratete sie einen Journalistik-Studenten, den sie im Jahr 2000 bei ihrem Studium in Sewastopol kennengelernt hatte. 2004 wechselte sie an die Lomonossow-Universität, wo sie im fünfjährigen Abendkurs an der Journalistik-Fakultät immatrikuliert war.[5][6] Neben ihrem Studium arbeitete sie als freie Journalistin, zunächst für die Wetschernjaja Moskwa, dann für die Rossijskaja gaseta und Iswestija. Im Sommer 2007 wurde ihre Ehe geschieden.[7]

Ab Oktober 2008 recherchierte sie vor allem als freie Korrespondentin für die regierungskritische Zeitung Nowaja gaseta über russische Neonazi-Gruppen und deren Hintermänner.[8] Politisch war sie in der Menschenrechts- und Antifaarbeit engagiert und gehörte der anarchistischen Organisation Awtonomnoje Deistwije an.[9]

Am 19. Januar 2009 wurde Anastassija Baburowa zusammen mit dem Menschenrechtsanwalt Stanislaw Markelow in Moskau auf offener Straße erschossen.[10] Während Markelow sofort tot war, wurde sie durch einen Kopfschuss schwer verletzt und starb wenige Stunden später in einem Krankenhaus.

Das Attentat fand auf einer belebten Straße statt, im Zentrum der russischen Hauptstadt. Laut Medienberichten hatte es der Mörder auf Markelow, den die junge Journalistin zu dem Fall Juri Budanow interviewen wollte, abgesehen. Die Zeitung Nowaja gaseta schrieb in einem Nachruf, dass die beiden Ermordeten seit Jahren Freunde gewesen waren, weil sie die gleiche Sicht auf die Zustände hatten.[11] Baburowa ist die vierte Mitarbeiterin der Nowaja gaseta, die seit dem Jahr 2000 gewaltsam umgekommen ist. Das bekannteste Redaktionsmitglied war Anna Politkowskaja, die 2006 ermordet wurde.

In Moskau gingen nach dem Attentat 300 überwiegend jugendliche Anarchisten auf die Straße und protestierten mit Rufen wie: „Faschisten morden – der Staat deckt sie“.[12] Am 22. Januar verwahrte sich das russische Außen- und Innenministerium in einer ersten Stellungnahme dagegen, den Doppelmord „ungerechtfertigt zu politisieren“. Zumindest Frau Baburowa sei zufällig umgekommen.[13]

Ende April 2011 wurde ein politisch rechtsextrem orientiertes Paar, das Anfang November 2009 festgenommen worden war, von einem Geschworenengericht des Mordes schuldig gesprochen. Der Hauptangeklagte wurde zu lebenslanger Haft, seine mitangeklagte Lebensgefährtin zu 18 Jahren Haft verurteilt.[14]

Internationale Reaktionen

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In Österreich wurde das Attentat mit dem Mord an dem Tschetschenen Umar Israilow in Wien in Verbindung gebracht.[15]

Der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier forderte von den russischen Behörden eine rasche Aufklärung des Doppelmordes. Steinmeier verurteilte die „feige Tat“ im Namen der Bundesregierung „auf das Schärfste“.[16] Auch die EU drängte auf Aufklärung. José Manuel Barroso erklärte am 21. Januar, die Europäische Kommission sei „schockiert“.[17]

Der Chefredakteur der Nowaja gaseta, Dmitri Muratow, kritisierte bei einem Besuch in Berlin, dass die russische Regierung schweige. Die Organisation „Reporter ohne Grenzen“ sprach mit Blick auf die zahlreichen ungeklärten Morde an Journalisten und Menschenrechtlern von einem „Klima der Straflosigkeit“ in Russland.

Einzelnachweise

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  1. Sevastopol pays final respects to journalist gunned down in Moscow, UNIAN (26-01-2009)
  2. Виктор Ющенко выразил соболезнования в связи с гибелью журналистки Анастасии Бабуровой, Anteilnahme von Präsident Juschtschenko (23-01-2009)
  3. Nikita Kasjanenko, Журналисты Крыма требуют от власти России наказать виновных в смерти Анастасии Бабуровой, Kiewer Zeitung Den, und Oleg Leontijewski, У Насти Бабуровой было развито чувство справедливости, Informationsagentur UNIAN, jeweils 27. Januar 2009; Nikita Kasjanenko, Я прошу вас, любите меня, пожалуйста! Статья про украинское детство Насти Бабуровой, livejournal.com, Nikita Kasyanenko, «Я прошу вас, любите меня, пожалуйста!», Kiewer Zeitung „Den“, № 24, beide 13. Februar 2009 (alle russ.).
  4. http://www.kremlin.ru/acts/bank/15379 Erlass Nr. 701 des geschäftsf. Präsidenten über die Einbürgerung vom 19. April 2000, Pos. 72
  5. Liste der eingeschriebenen Studenten (russ.)
  6. Ilja Donskich, Takoi ona byla, Nowaja gaseta, 21. Januar 2009 (russ.) (Memento vom 23. Februar 2009 im Internet Archive)
  7. Irina Bobrowa/Jekaterina Petuchowa, Настя Бабурова: “Товарищи родители, любите меня, пожалуйста!”, weblog MK.ru, 21. Januar 2009 (russ.)
  8. „Rechtsanwalt und Journalistin ermordet“, FR-online, 19. Januar 2009. „We are not afraid“, Artikel in der Nowaja gaseta vom 21. Januar 2009 (englisch), „We are not afraid“ (Memento vom 24. Januar 2009 im Internet Archive), abgerufen am 23. Januar 2009.
  9. „Anastasia ‚Skat‘ Baburova“ (engl.), „Ubita nasch towarischtsch Anastassija Baburowa. W pamjat o Nastje“ (russ.) Awtonomnoje Deistwije, 19. bzw. 21. Januar 2009.
  10. „Leading Russian Rights Lawyer Is Shot to Death in Moscow, Along With Journalist“, New York Times, 20. Januar 2009.
  11. „We are not afraid“, Artikel in der Nowaja gaseta vom 21. Januar 2009 (englisch), „We are not afraid“ (Memento vom 24. Januar 2009 im Internet Archive), abgerufen am 23. Januar 2009.
  12. „Анархисты все-таки прошли шествием по Москве“, grani.ru, 20. Januar 2009. (russ.)
  13. Michael Ludwig: „Gefährliche Berufe in Russland“, FAZ, 23. Januar 2009.
  14. „Haft für Morde in Moskau“ (Memento vom 23. Mai 2020 im Internet Archive), Sueddeutsche.de 7. Mai 2011. Abgerufen am 7. April 2024.
  15. „Aufsehenerregende Morde mit Tschetschenien-Verbindung“, vienna.at, 22. Januar 2009.
  16. „Steinmeier fordert Russland zu Aufklärung von Mordfällen auf“ (Memento vom 4. September 2012 im Webarchiv archive.today), AFP, 20. Januar 2009.
  17. Claudia von Salzen, Elke Windisch: „EU verlangt Aufklärung des Moskauer Doppelmords“. In: Tagesspiegel. 22. Januar 2009 (Online).