Aurelius Arcadius – Wikipedia

Aurelius Arcadius (qui et[1] Charisius) war ein nachklassischer Jurist der Ären der Kaiser Diokletian und Konstantin, ungefähr um die Wende des 3. zum 4. Jahrhundert n. Chr.

Bekannt ist Arcadius vornehmlich aus sechs Fragmenten dreier monografischer Schriften, die allesamt Eingang in die justinianischen Digesten fanden.[2] Aus den Digesten selbst geht hervor, dass Arcadius zum Zeitpunkt der Kompilation des Werks keine einheitliche Namensbezeichnung beigelegt war, er vielmehr abweichende Namensbezeichnungen führte. Im von ihm eingebrachten Liber singularis: De officio praefecti praetorio nannte er sich Aurelius Arcadius Charisius und war – was in der juristischen Literaturgeschichte einmalig bleiben sollte – mit Amtsbezeichnung aufgeführt: magister libellorum.[3] Dem Liber singularis: De testibus ist der Name Arcadius qui et Charisius zu entnehmen[4] und im Liber singularis: De muneribus civilibus nennt er sich Arcadius Charisius.[5] Charisius ist jedenfalls ein Agnomen, deren Verwendung ab dem 2./3. Jahrhundert häufiger wurde, insbesondere bei Personen aus dem griechischen Kulturbereich.[6][2]

Inhaltlich beschäftigten sich die libri mit Rechtsfragen zu den Themen rund um persönliche Dienstleistungen, Kreditgeschäfte und fiskalische Pflichten, wie Steuern (De muneribus civilibus). In prozessrechtlicher Hinsicht wurde die Verwendung von Beweismitteln vor Gericht (De testibus) thematisiert. Dem Titel De officio praefecti praetorio kann bereits entnommen werden, dass sich der Autor in der Schrift mit der Rolle[7] des Prätorianerpräfekten im Zeitalter der Spätantike auseinandersetzte. Insbesondere war die Frage der Anfechtbarkeit von Urteilen des Präfekten von Belang. Seit Kaiser Septimius Severus war den Prätorianerpräfekten die richterliche Zuständigkeit zugewiesen.[2] Die Schrift gilt als wichtige Quelle für den archaisierenden Schriftsteller Johannes Lydos. Der hatte sich im 6. Jahrhundert, vornehmlich in „Über die Ämter des römischen Staates“ (De magistratibus), intensiv mit dem kaiserlichen Verwaltungsapparat und der Veränderung der Rolle des praefectus praetorio in der Spätantike auseinandergesetzt.[8] Die Texte Arcadius' und seine Rechtsauskünfte gelten als pragmatisch und stilistisch ansprechend formuliert, da ihm ein Hang zu dogmatischem Sendungsbewusstsein nicht nachempfunden werden könne. Der Schreibstil sei rhetorisch geschliffen.[9]

In Anlehnung an die von Tony Honoré erstellte Liste von Libellsekretären, hier könnte Arcadius bei bestehender Restunsicherheit die Nr. 19 repräsentieren,[10] datiert Detlef Liebs den Radius des Wirkens von Arcadius auf die Zeit ab Mitte der 280er Jahre, die Zeit der Entstehung der beiden diokletianischen Kodizes Gregorianus und Hermogenianus. In Anlehnung an Franz Wieacker, schließt sich Liebs der Vermutung an, dass Arcadius noch ein Schüler Modestins gewesen sein könnte.[2]

  • Gustav von Hugo: LehrBuch der Digesten, mehr nach Drittheilen und Partes als nach Büchern und Titeln und des ConstitutionenCodex, Siebenter Band, welcher die Digesten enthält, Berlin 1828.
  • Detlef Liebs: Die Jurisprudenz im spätantiken Italien (260–640 n. Chr.), Freiburger Rechtsgeschichtliche Abhandlungen, Neue Folge, Band 8, Duncker & Humblot, Berlin 1987, S. 21–30.
  • Detlef Liebs: Hofjuristen der römischen Kaiser bis Justinian. Bayerische Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse, München 2010, C. H. Beck, ISBN 978-3-7696-1654-5, Arcadius Charisius.
  • Daniele Vittorio Piacente: Aurelio Arcadio Carisio un giurista tardoantico, Epipuglia 2012.
  1. Qui et verweist in der römischen Sozialstruktur in die unteren Ränge der Aristokratie: Selbst die Führung der Libellkanzlei, als hohe Amtsausübung, wurde von Männern des zweiten Ranges ausgeübt, regelmäßig dem Ritterstand.
  2. a b c d Detlef Liebs: Die Jurisprudenz im spätantiken Italien (260–640 n. Chr.), Freiburger Rechtsgeschichtliche Abhandlungen, Neue Folge, Band 8, Duncker & Humblot, Berlin 1987, S. 21–30.
  3. Digesten 1, 11, 1.
  4. Digesten 22, 5, 1; 21; 25; und 48, 18, 10.
  5. Digesten 50, 4, 18.
  6. Iiro Kajanto: Supernomina, Helsinki 1966.
  7. So war den Prätorianerpräfekten die Hoheit über militärische Aufgaben entzogen worden, die sich bei magistri equitum beziehungsweise magistri peditum wiederfanden.
  8. Thomas Francis Carney (Übers.): John the Lydian, De Magistratibus. On the Magistracies of the Roman Constitution. Coronado Press 1971; Anastasius C. Bandy (Hrsg.): Ioannes Lydus on powers, or: The magistracies of the Roman state. introduction, critical text, translation, commentary, and indices. Philadelphia 1983.
  9. Detlef Liebs: Hofjuristen der römischen Kaiser bis Justinian. Bayerische Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse, München 2010, C. H. Beck, ISBN 978-3-7696-1654-5, Arcadius Charisius.
  10. Tony Honoré: Emperors and Lawyers, Duckworth, 1981, S. 115–119.