Axiologie (Philosophie) – Wikipedia

Die philosophische Axiologie (axia „Wert“; auch: Wertphilosophie, Timologie, Werttheorie, Wertlehre) ist die allgemeine Lehre von den Werten. Als philosophisches Gebiet ist sie erst im 19. Jahrhundert entstanden. Ihre Vertreter – z. B. Oskar Kraus – finden ihre Fragestellung bereits in der Güterethik der griechischen Philosophen vor, wenngleich einer der einflussreichsten Vertreter der Wertphilosophie, Max Scheler, seine Theorie im ausdrücklichen Gegensatz zur Güterethik entwickelt hat. Als Begründer der Wertphilosophie gilt u. a. Hermann Lotze. In den allgemeinen Sprachgebrauch ist der Wertbegriff durch die Breitenwirkung der intensiven Diskussionen um die Wende des 20. Jahrhunderts sowie durch die Rezeption von Friedrich Nietzsches Werken, in denen der Ausdruck oft vorkommt, eingedrungen. Der Terminus „Axiologie“ geht auf Eduard von Hartmann zurück, der das Adjektiv "axiologisch" zuerst 1887 in seiner Philosophie des Schönen gebrauchte, eine systematische Skizze über "die Axiologie und ihre Gliederung" 1891 publizierte und einen "Grundriss der Axiologie" ausarbeitete, der 1908 aus seinem Nachlass herausgegeben wurde.

Geschichte und Theorien

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Historisch geht die Wertphilosophie auf die Übernahme des Wertbegriffes der Nationalökonomie zurück; bei Immanuel Kant etwa stellt die Rede vom „absoluten Wert“ des guten Willens eine solche metaphorische Übernahme des nationalökonomischen Wertbegriffes dar.[1] Eine bedeutende Rolle spielt der Wertbegriff bereits in der Ethik von Jakob Friedrich Fries, doch war Lotze der Anknüpfungspunkt der späteren Wertphilosophien. Seit den 1890er Jahren ist der Wertbegriff durch die direkte Lotze-Rezeption George Santayanas und anderer auch in den Vereinigten Staaten geläufig und spielte besonders im moralphilosophischen Spätwerk von John Dewey eine große Rolle, so dass sich für den Ausdruck value in englischsprachigen Ländern dieselben alltagssprachlichen Verwendungsweisen ergaben wie in deutschsprachigen Gebieten.

Lotze vertrat eine objektive Wertphilosophie und schrieb Werten einen eigenen Modus zu: die „Geltung“. Subjektive Werttheorien gehen dagegen von dem Werturteil als Grundlage des Wertes aus: Der wertende Mensch stellt zwischen seinem Maßstab (Wertmaßstab) und einem Gegenstand eine Beziehung her, welche den Wert der Sache darstellt.

Beruht der Wertmaßstab auf einem Lustgefühl durch Bedürfnisbefriedigung, dann entsteht eine psychologische Werttheorie. Werden Werten nur relative Bedeutung und Geltung zugestanden, führt dies zum Wertrelativismus bzw. moralischen Relativismus als besonderer Form des Relativismus.

Die prominentesten Werttheorien des 19. und 20. Jahrhunderts waren:

Windelband erklärte die Wertphilosophie zur kritischen Wissenschaft von den allgemein gültigen Werten. Darin unterscheide sie sich von den exakten Wissenschaften, welche natürliche Gesetzmäßigkeiten und spezielle Phänomene erforschen und systematisieren. Die Wertphilosophie bilde das eigentliche Zentrum der Philosophie.

Die mathematisch exakte Wertwissenschaft stand im Zentrum des Wirkens von Robert S. Hartman. Durch das von ihm entwickelte Axiom der Wertwissenschaft gelang es, unabhängig von unterschiedlichen moralisch-sittlichen Wertvorstellungen eine exakte Wissenschaft der Werte aufzubauen.

Die Werttheorie als umfassender philosophischer Ansatz, wie er bei Lotze, Hartmann und vom südwestdeutschen Neukantianismus ausgebildet worden ist, wurde u. a. von Martin Heidegger scharf kritisiert. Sie wird heute als philosophische Theorie nicht mehr vertreten, wenngleich sie in der Rechtswissenschaft (etwa in der einflussreichen Schule von Rudolf Smend) noch Anhänger hat und auch die Analyse des Werturteils durchaus noch ein Spezialthema der analytischen Philosophie darstellt.[2] Manchen Vertretern der Wertphilosophie galt die Wertphilosophie des 19. und frühen 20. Jahrhunderts hingegen als Fundament der übrigen philosophischen Teildisziplinen, da sie den Anspruch erhob, als Grundlage für andere Bereiche wie Logik, Ethik, Erkenntnistheorie, Rechtsphilosophie, Kulturphilosophie, Religionsphilosophie, soziale Philosophie, politische Philosophie, Ökonomie und Ästhetik dienen zu können.

Stehen zwei Werte im Konflikt und lassen sie sich nicht beide realisieren, ohne einen zu gefährden, so spricht die Axiologie von einer Wertantinomie. Eine Güterabwägung ist die Methode des Rechtes und der Ethik, die dort zur Anwendung kommt, wo mehrere gleichwertige Güter nicht gleichzeitig verwirklicht werden können.

Der heutige alltags- und nichtphilosophische fachsprachliche (juristische, soziologische …) Gebrauch des Wertbegriffs, dem keine philosophisch ausgearbeitete moderne Werttheorie entspricht, hat zu zahlreichen Zusammensetzungen geführt: Die aus widerstreitenden Wertvorstellungen entstehenden Konflikte können in Werteverfall (Elisabeth Noelle-Neumann), Werteverlust (Rupert Lay) oder Wertesynthese (Helmut Klages) resultieren (siehe auch Wertewandel). Wertblindheit bezeichnet das Fehlen des Gefühls für bestimmte Werte.

  • Eduard von Hartmann: 'Die Axiologie und ihre Gliederung', in: ders., Zur Geschichte und Begründung des Pessimismus, 2. Aufl., Duncker, Berlin 1891, S. 1–17.
  • Eduard von Hartmann: System der Philosophie im Grundriss, Bd. 5: Grundriss der Axiologie oder Werterwägungslehre, Haacke, Sachsa 1908.
  • Christian Krijnen: Nachmetaphysischer Sinn: eine problemgeschichtliche und systematische Studie zu den Prinzipien der Wertphilosophie Heinrich Rickerts. Königshausen & Neumann, Würzburg 2001, ISBN 3-8260-2020-0.
  • Barbara Merker (Hrsg.): Leben mit Gefühlen. Emotionen, Werte und ihre Kritik. Mentis, Paderborn 2009.
  • Herbert Schnädelbach: Philosophie in Deutschland 1831–1933 (= Suhrkamp Taschenbuch Wissenschaft 401). Suhrkamp, Frankfurt am Main 1983, ISBN 3-518-28001-5.
  • Folke Werner: Vom Wert der Werte – die Tauglichkeit des Wertbegriffs als Orientierung gebende Kategorie menschlicher Lebensführung. Eine Studie aus evangelischer Perspektive. Lit, Münster 2002, ISBN 3-8258-5594-5.
  • Hermann T. Krobath: Werte. Ein Streifzug durch Philosophie und Wissenschaften. Mit einem Vorwort von Hans Albert. Königshausen und Neumann, Würzburg 2009, ISBN 978-3-8260-4088-7.
  • Andreas Urs Sommer: Werte. Warum man sie braucht, obwohl es sie nicht gibt. Metzler, Stuttgart 2016, ISBN 978-3-476-02649-1.
  • Friederike Wapler: Werte und das Recht. Individualistische und kollektivistische Deutungen des Wertbegriffs im Neukantianismus (= Studien zur Rechtsphilosophie und Rechtstheorie; 48). Nomos, Baden-Baden 2008, ISBN 978-3-8329-3509-2.
  • Armin G. Wildfeuer: Artikel Wert. In: Neues Handbuch philosophischer Grundbegriffe, Bd. 3. Hg. v. Petra Kolmer und Armin G. Wildfeuer. Verlag Karl Alber, Freiburg i. Br. 2011, ISBN 978-3-495-48222-3, S. 2484–2504.
Wiktionary: Axiologie – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

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  1. Folke Werner: Vom Wert der Werte – die Tauglichkeit des Wertbegriffs als Orientierung gebende Kategorie menschlicher Lebensführung. Eine Studie aus evangelischer Perspektive. Münster: Lit, 2002, S. 42.
  2. Mark Schroeder: Value Theory. In: Stanford Encyclopedia of Philosophy.