Brigant – Wikipedia

Ein Brigant (von italienisch brigare „kämpfen, streiten“) ist ein Räuber, ein Gesetzloser oder eine Person, die im Zuge kriegerischer Auseinandersetzungen die Zivilbevölkerung durch Plündern, Vergewaltigen und Brandschatzen terrorisiert.

Das Phänomen des Brigantentums umfasst im 19. Jahrhundert die Briganten Süditaliens, aber auch die Klephten Griechenlands und die Haiduken auf dem Balkan (damals Teil der sogenannten europäischen Türkei). Im türkischen Kleinasien agierten die Zeybeken ebenfalls im Stil der Briganten. Im engeren Sinn bezeichnet „Briganten“ (briganti) im Königreich beider Sizilien die neapolitanischen (in der Zeit des Risorgimento nach 1815) und die bourbonischen Rebellen (nach 1861).

Briganten in Süditalien

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Carmine Crocco (1830–1905), legendärer Anführer der briganti
Die Brigantessa Michelina De Cesare (1841–1868)

In Italien, vor allem in Süditalien, u. a. in Kampanien, Kalabrien, Apulien, den Abruzzen und in der Basilikata, dem unwegsamen Berggelände des antiken Lukaniens, wird die Erinnerung an die Briganten gepflegt. Nachdem die Briganten zunächst vor allem durchreisende Kutschen überfielen, wuchs sich das Brigantaggio, das Brigantenwesen, seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zu einer politischen Bewegung aus. Politisch motivierte Briganten hatte es allerdings schon in der Zeit der Römischen Republik (509-27 vor Christus) gegeben. Auch zur Zeit der Französischen Revolution gab es Briganten-Gruppen,[1] die einen gewaltsamen Revolutionsexport nach Italien beabsichtigten.

Viele Briganten-Banden am Vorabend der italienischen Einigung rekrutierten sich aus verelendeten Bauern und Tagelöhnern als anarchische Protestbewegung gegen die reichen Großgrundbesitzer. Im Zuge der italienischen Einheitsbewegung des Risorgimento schlossen sich die Briganti um den legendären Carmine Crocco der Bewegung an und unterstützten die Freischärler Giuseppe Garibaldis. Enttäuscht von aus ihrer Sicht nicht eingehaltenen Versprechungen wie Demokratisierung und eine umfassende Landreform, zogen sich die Briganten nach der Machtübernahme durch König Viktor Emanuel II. in die Wälder zurück und terrorisierten von dort aus vor allem die Landbesitzer und die Obrigkeit. Crocco, im Volk „re dei re“ (König der Könige) genannt, befehligte zeitweise 43 Banden mit mehreren tausend meist berittenen Mitgliedern. Die kursierenden Geschichten um die verwegen gekleideten Bandenmitglieder und ihre Geliebten, Brigantesse genannt, verklärten die Banditen zu Volkshelden wie Robin Hood. Crocco, später fast vierzig Jahre lang bis zu seinem Tod 1905 in Haft, verfasste im Gefängnis seine noch in der Basilikata gerne gelesenen Memoiren. Viele Briganten, die der Verhaftung entgehen konnten, wanderten später in die USA aus. Zahlreiche Lieder, Geschichten, populäre Bücher, wissenschaftliche Abhandlungen und einschlägige Internet-Seiten befassen sich in Italien mit dem Thema der Briganti; im italienischen Sprachgebrauch werden die als politisch motiviert eingestuften Briganti klar von den als simple Räuber betrachteten Banditi unterschieden.

Auch der politische Mythos lebt: So finden in Brindisi Montagna alljährlich in einem Freilichttheater Festspiele statt, bei denen Hunderte von Laienschauspielern die Geschichte der Briganten wieder aufleben lassen. Im historischen Themenpark Grancia sind Szenen aus dem Leben der Briganti nachgestellt. Der Figur des Crocco leiht der bekannte Schauspieler Michele Placido („Allein gegen die Mafia“) seine Stimme.

Krapfenbäck Simale Simon Kramer (1785–1809)

Badische Brigande

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Der Begriff „Brigand“ wird umgangssprachlich auch für die Einwohner Karlsruhes verwendet. Diese Bezeichnung geht auf das frühe 18. Jahrhundert zurück, als Markgraf Karl Wilhelm von Baden-Durlach Arbeiter aus verschiedenen Regionen zum Bau der Stadt Karlsruhe anwarb. Darunter befanden sich zahlreiche Tagelöhner, vor allem aus südlichen Ländern wie Italien, die von der einheimischen Bevölkerung als „Hergelaufene“ bezeichnet und abwertend mit dem französischen Begriff „Brigantiers“ (Tagdiebe) belegt wurden. Mit der Zeit entwickelte sich dieser Begriff zu einem Spitznamen für alle Karlsruher. Im lokalen Dialekt, in dem das „T“ oft wie ein „D“ ausgesprochen wird, wandelte sich „Brigantier“ zu „Brigand“. Noch heute wird ein Karlsruher im örtlichen Dialekt als „Brigand“ bezeichnet.[2]

Bekannte Briganten

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  • Franco Cagnetta: Banditi di Orgosolo (= La Diversità Culturale. Bd. 1). Guaraldi, Firenze 1975 (neuer: (= Bibliotheca Sarda. Bd. 84). Ilisso, Nuoro, 2002, ISBN 88-87825-46-7. (Ursprünglich Feldforschung 1950–1954: Franco Cagnetta: Inchiesta su Orgosolo. In: Nuovi argomenti. Nr. 10, 1954, ZDB-ID 412355-4. In deutscher Sprache: Die Banditen von Orgosolo. Porträt eines sardischen Dorfes. Econ, Düsseldorf 1964; Neuauflage, Nachdruck der Erstausgabe. Mit einem Nachwort von Manlio Brigaglia. Cooperative-Verlag, Frankfurt am Main 1986, ISBN 3-88442-012-7).
  • Francesco Barra: Cronache del Brigantaggio Meridionale, 1806–1815 (= Collezione Meridionale. Bd. 6, ZDB-ID 232635-8). Società editrice meridionale, Salerno 1981.
  • Timoteo Galanti: Dagli sciaboloni ai piccioni. Il brigantaggio politico nella Marca pontificia ascolana dal 1798 al 1865. Sant’Atto di Teramo, Edigrafital, 1990.
  • Aldo De Jaco: Briganti e piemontesi. Alle origini della questione meridionale. Rocco Curto Editore, Napoli 1998.
  • Aldo De Jaco: Dopo Teano. Storie d’amore e di briganti (= Mezzogiorno e Cultura Moderna. Bd. 32, ZDB-ID 416214-6). Lacaita, Manduria 2001.
  • Aldo De Jaco / Peter O. Chotjewitz: Die Briganten. Aus dem Leben süditalienischer Rebellen. Wagenbach, Berlin 1976.
  • Giovanni Saitto: La Capitanata fra briganti e piemontesi. I primi difficili anni dell’unita (= Percorsi nella Storia. Bd. 1). Edizioni del Poggio, Poggio Imperiale 2001.
  • Francesco Maria Agnoli: Dossier Brigantaggio. Viaggio tra i ribelli al borghesismo e alla modernità. Controcorrente, Napoli 2003, ISBN 88-89015-00-4.
  • Borges José: Don Josè Borges, generale catalano e guerrigliero borbonico. Diario di guerra. Herausgegeben von Valentino Romano. Adda, Bari 2003.
  • Giuseppe Bourelly: Il Brigantaggio dal 1860 al 1865 nelle zone militari di Melfi e Lacedonia (= Biblioteca Federiciana. Bd. 4). Osanna, Venosa (PZ) 2004, ISBN 88-8167-003-8.
  • Borjes Josè: Con Dio e per il Re. Diario di guerra del generale legittimista in missione impossibile per salvare il Regno delle Due Sicile. Introduzione di Francesco Mario Agnoli. Controcorrente, Napoli 2005, ISBN 88-89015-33-0.
  • Salvatore Scarpino: La guerra „cafona“. Il brigantaggio meridionale contro la Stato unitario (= Tascabili Boroli. Bd. 6). Boroli Editore, Milano 2005, ISBN 88-7493-059-3.
Commons: Brigands in Italy – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wiktionary: Brigant – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

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  1. Joseph-Marie Maurel: Le Brigandage dans les Basses-Alpes, Lacour, Nimes 1999
  2. BNN: Karriere eines Karlsruher Begriffs: Wann wurden die Karlsruher zu „Briganden“? 10. Februar 2022, abgerufen am 17. September 2024.