COPD-Versorgungsleitlinie – Wikipedia

Die Nationale Versorgungsleitlinie COPD (kurz NVL COPD, auch COPD-Versorgungsleitlinie) ist eine Medizinische Leitlinie über die Behandlung von Menschen mit Chronisch obstruktiver Lungenerkrankung, die im Rahmen des deutschen Programms für Nationale Versorgungsleitlinien erstmals im Jahr 2006 veröffentlicht wurde[1][2] und seitdem regelmäßig aktualisiert worden ist, zuletzt im August 2021.[3] Die Leitlinie ist gültig bis zum 24. Juli 2026.[4]

Im Rahmen des Programms für Nationale VersorgungsLeitlinien (NVL) von Bundesärztekammer (BÄK), Kassenärztlicher Bundesvereinigung (KBV) und Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) haben die zuständigen Fachgesellschaften und Organisationen inhaltliche Eckpunkte für die 2. Auflage der NVL COPD konsentiert. Die Beteiligung von Patienten wird durch die Kooperation mit der Bundesarbeitsgemeinschaft Selbsthilfe (BAG SELBSTHILFE), der Deutschen Arbeitsgemeinschaft Selbsthilfegruppen e. V. (DAG SHG) und dem FORUM chronisch kranker und behinderter Menschen im Paritätischen Gesamtverband gewährleistet.[5]

Nationale VersorgungsLeitlinien sollen die Versorgung von Patient in Deutschland verbessern durch aktuelle wissenschaftlich begründete Empfehlungen zu Diagnostik, Behandlung und Rehabilitation sowie zu einem strukturierten und optimierten Management der Erkrankung. Dazu gehört insbesondere auch eine verbesserte Kommunikation zwischen den Behandelnden über alle Sektoren- und Fächergrenzen hinaus sowie der Einbezug der Patienten in alle Behandlungsentscheidungen.

Darüber hinaus erhoffen sich die Autoren und die herausgebenden Organisationen der Nationalen VersorgungsLeitlinie COPD konkret:

  • Eine Verbesserung der Diagnostik. Dies beinhaltet die möglichst frühe Diagnose der Erkrankung, eine angemessene Verlaufskontrolle aber auch die Vermeidung von Über- und Unterdiagnostik durch Verwendung angemessener Referenzwerte für die Spirometrie.
  • Eine Optimierung des Therapiemanagements: insbesondere eine an die individuellen Voraussetzungen jeder Patientin oder jedes Patienten angepasste Therapie, die auch das Potenzial nicht-medikamentöser Verfahren ausschöpft sowie wichtige Aspekte wie Multimorbidität angemessen berücksichtigt.
  • Eine Optimierung des Managements der Komorbiditäten, insbesondere der Umgang mit Angst und Depression, Osteoporose, Schmerz.
  • Die Stärkung der Arzt-Patienten-Kommunikation mit dem Ziel, die Adhärenz zu gemeinsam vereinbarten Therapiezielen zu fördern und die vorausschauende Planung der Behandlung zu fördern.
  • Die Förderung des Verständnisses von COPD als eine chronische Erkrankung, die dauerhafter Betreuung insbesondere auch palliativmedizinischer Versorgung bedarf.
  • Die Förderung von Aufklärung über und Motivation zu lebensstilbezogener Anpassung: Dies betrifft körperliche Aktivität und Training sowie insbesondere die Beachtung des großen Stellenwerts der Tabakentwöhnung.

Die medizinischen Inhalte der Leitlinie finden sich in folgenden Kapiteln:

  1. Definition und Epidemiologie
  2. Diagnostik und Monitoring
  3. Tabakentwöhnung
  4. Nicht-medikamentöse Therapie
  5. Medizinische Rehabilitation
  6. Versorgungskoordination

Ausgewählte Empfehlungen der Leitlinie

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Die nachstehende Übersicht enthält solche Empfehlungen der Leitlinie, die auch für die Öffentlichkeit von Interesse sein könnten. Die Originaltexte der Leitlinien sind kursiv gesetzt (Quelle: NVL COPD 2021 Version 2.0, publiziert im AWMF-Leitlinienregister[6])

Kapitel 2.1. Diagnostisches Vorgehen

Empfehlung 2-1: Bei der Diagnose der COPD soll entsprechend dem Algorithmus (siehe Abbildung 1: Diagnostik-Algorithmus) vorgegangen werden (siehe Abbildung 1 auf Seite 16 der Langfassung der Leitlinie).

Kapitel 2.4. Apparative Untersuchungen

Empfehlung 2-2: Alle Patientinnen und Patienten mit Verdacht auf COPD sollen eine Spirometrie erhalten.

Empfehlung 2-6: Nur bei diagnostischen Diskrepanzen, Diskrepanzen zwischen Lungenfunktion und Beschwerden oder nach klinischem Eindruck inadäquatem Therapieansprechen soll eine Computertomographie durchgeführt werden.

Kapitel 2.8. Monitoring

Empfehlung 2-12: Bei jedem ärztlichen COPD-bezogenen Patientenkontakt sollen die Symptomatik sowie aufgetretene Exazerbationen strukturiert erfasst werden.

Kapitel 3. Tabakentwöhnung

Empfehlung 3-1: Eine relevante Verbesserung der COPD kann nur mit totaler Abstinenz erreicht werden. Deshalb soll rauchenden Patientinnen und Patienten mit COPD dringend die vollständige und dauerhafte Abstinenz empfohlen werden.

Empfehlung 3-2: Bei allen rauchenden Patient*innen mit COPD soll gemäß dem Algorithmus in Abbildung 3 vorgegangen werden (siehe Abbildung 2 auf Seite 31 der Langfassung der Leitlinie).

Empfehlung 3-3: Eine Therapie zur Tabakentwöhnung soll sowohl zur Tabakentwöhnung motivierten rauchenden Patientinnen und Patienten mit COPD, als auch Patientinnen und Patienten ohne Entwöhnungswunsch angeboten werden.

Empfehlung 3-4: Bei entwöhnungsbereiten Patientinnen und Patienten mit COPD soll eine kombinierte Therapie mit Verhaltenstherapie und medikamentöser Entzugssyndrombehandlung nachdrücklich empfohlen und angeboten werden.

Empfehlung 3-5: Patientinnen und Patienten mit COPD soll eine intensive verhaltenstherapeutisch-orientierte Einzel- oder Gruppenintervention angeboten werden.

Empfehlung 3-8: Bei rauchenden Patientinnen und Patienten mit COPD soll bereits während eines (akut)stationären Aufenthaltes im Krankenhaus eine Tabakentwöhnung initiiert und eine anschließende ambulante Entwöhnungsbehandlung organisiert werden.

Empfehlung 3-9: Rauchenden Patientinnen und Patienten mit COPD, die eine Rehabilitationsmaßnahme wahrnehmen, soll im Rahmen der Rehabilitation ein strukturiertes Entwöhnungsprogramm (kognitive Verhaltenstherapie und medikamentöse Therapie) angeboten werden.

Kapitel 4. Nicht-medikamentöse Therapie

Kapitel 4.1. Körperliches Training

Empfehlung 4-1: Alle Patientinnen und Patienten mit COPD sollen unabhängig vom Krankheitsstadium über die hohe Relevanz und den Nutzen von körperlicher Aktivität im Alltag und von körperlichem Training aufgeklärt und über deren positiven Einfluss auf den Verlauf der Erkrankung informiert werden. Mögliche Ängste/Barrieren, die Ausübung von körperlicher Aktivität im Alltag und von körperlichem Training betreffend, sollen aktiv angesprochen und ggf. Lösungsansätze gesucht werden.

Empfehlung 4-2: Bei allen Patientinnen und Patienten mit COPD soll das Ausmaß der körperlichen Aktivität regelmäßig erfragt werden und sie sollen ggf. zu mehr körperlicher Aktivität motiviert und beraten werden.

Empfehlung 4-3: Patientinnen und Patienten mit COPD soll ein an die individuellen Voraussetzungen angepasstes, angeleitetes körperliches Training empfohlen werden.

Empfehlung 4-5: Patientinnen und Patienten mit COPD, welche ein körperliches Training aktuell nicht außerhalb ihrer Wohnung wahrnehmen können, soll eine individuell angepasste, supervidierte und motivierende häusliche Trainingstherapie angeboten werden, mit der Zielsetzung der möglichst eigenständigen Weiterführung.

Kapitel 4.2. Atemphysiotherapie

Empfehlung 4-6: Selbsthilfetechniken bei Atemnot sollen allen Patientinnen und Patienten mit COPD im Rahmen von Schulungen, Lungensport, physiotherapeutischen oder rehabilitativen Interventionen vermittelt werden.

Kapitel 4.3. Patientenschulung und Selbstmanagement

Empfehlung 4-10: Allen Patientinnen und Patienten mit COPD soll ein strukturiertes, evaluiertes und zielgruppenspezifisches Schulungsprogramm empfohlen und vermittelt werden. Die Behandelnden sollen regelhaft zur Teilnahme motivieren.

Empfehlung 4-11: Nachschulungen sollen bei Bedarf angeboten werden.

Kapitel 4.4. Ernährung

Empfehlung 4-12: Krankheitsbedingt untergewichtigen Patientinnen und Patienten mit COPD soll eine ausgewogene hochkalorische Nahrungsergänzung zur Erhöhung des Körpergewichtes empfohlen werden.

Empfehlung 4-13: Untergewichtigen oder adipösen Patienten und Patientinnen mit COPD soll eine Ernährungsberatung angeboten werden.

Kapitel 4.6. Atmungsunterstützende Maßnahmen bei chronisch respiratorischer Insuffizienz

Empfehlung 4-14: Vor Einleitung einer Langzeit-Sauerstofftherapie (LTOT) oder einer außerklinischen nichtinvasiven Beatmung (NIV) soll allen rauchenden Patienten und Patientinnen mit COPD erneut und dringlich die Tabakentwöhnung angeboten werden.

Kapitel 5. Medikamentöse Therapie

Empfehlung 5-1: Patienten und Patientinnen mit COPD sollen gemäß dem Algorithmus Medikamentöse Langzeitbehandlung (Abbildung 4) behandelt werden (siehe Abbildung 4: Medikamentöse Langzeitbehandlung auf Seite 62 der Langfassung der Leitlinie).

Kapitel 5.3. Inhalationssysteme

Empfehlung 5-4: Patientinnen und Patienten mit COPD sollen von ihren behandelnden Ärzten und Ärztinnen oder einer geschulten Fachkraft und ggf. zusätzlich durch entsprechend qualifizierte Apotheker und Apothekerinnen bei Erstverordnung bzw. ärztlich intendiertem Wechsel eines Inhalationssystems eine Einweisung in die korrekte Arzneimittelanwendung und Inhalationstechnik erhalten. Es soll sichergestellt werden, dass die Patientin oder der Patient die korrekte Handhabung demonstriert und eingeübt hat.

Empfehlung 5-6: Ein Wechsel des Inhalationssystems soll bei Fortführung der medikamentösen Therapie vermieden werden, wenn der Patient oder die Patientin mit dem bisherigen Inhalationssystem gut zurechtgekommen ist.

Empfehlung 5-7: Die korrekte Handhabung und Inhalationstechnik der Patientin oder des Patienten soll regelmäßig und insbesondere bei unzureichender Symptomkontrolle überprüft werden.

Kapitel 5.9. Impfschutz

Empfehlung 5-9: Patientinnen und Patienten mit COPD sollen Impfungen gemäß den aktuellen Empfehlungen der STIKO angeboten werden.

Kapitel 6. Medizinische Rehabilitation

Empfehlung 6-1: Patientinnen und Patienten mit COPD soll eine pneumologische Rehabilitation angeboten werden, wenn trotz adäquater ambulanter ärztlicher Betreuung beeinträchtigende körperliche, soziale oder psychische Krankheitsfolgen bestehen, die die Möglichkeiten von normalen Aktivitäten bzw. der Teilhabe am beruflichen und privaten Leben behindern. Dies gilt insbesondere bei den nachstehend aufgeführten speziellen Indikationen

Spezielle Indikationen für eine pneumologische Rehabilitationsmaßnahme bei COPD
  • mittel- bis schwergradige Intensität der COPD-Hauptsymptome
  • Exazerbationen, die in den letzten 12 Monaten
  • Gefährdung der Erwerbsfähigkeit
  • drohende Pflegebedürftigkeit
  • alltagsrelevante psychosoziale Krankheitsfolgen (Depression, Ängste, Rückzugstendenzen)
  • Notwendigkeit von rehabilitationsspezifischen nicht-medikamentösen Therapieverfahren, wenn diese ambulant nicht im erforderlichen Ausmaß erfolgen können (z. B. medizinische Trainingstherapie, Physiotherapie, Schulung oder psychosoziale Hilfen, Tabakentwöhnung)

Empfehlung 6-2: Eine Anschluss-Rehabilitation soll während einer notwendigen akutstationären Behandlung empfohlen und eingeleitet werden.

Empfehlung 6-3: Rehabilitationssport (z. B. Lungensportgruppen) soll zur Nachsorge nach einer stattgehabten Rehabilitationsmaßnahme empfohlen und verordnet werden.

Beteiligte Organisationen

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An der Entwicklung und Herausgabe der Leitlinie waren folgende Organisationen beteiligt:

Fassungen der Leitlinie

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Die Nationale VersorgungsLeitlinie COPD wurde mit folgenden Komponenten publiziert:

  • Langfassung[5]
  • Kurzfassung[6]
  • Patientenleitlinie und Patientenblätter[9]
  • Leitlinienreport[10]

Einzelnachweise

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  1. J.-D. Hoppe, A. Köhler, G. Ollenschläger, A. Encke, I. Kopp, H.-K. Selbmann: Nationale Versorgungs-Leitlinie COPD: (Klinisch relevante Auszüge aus der Leitlinie). In: Dtsch Arztebl 2006; 103(19): A-1324 / B-1128 / C-1084. 12. Mai 2006, abgerufen am 8. Oktober 2024.
  2. Übersicht NVL COPD, 1. Auflage 2006 — Versorgungsleitlinien.de. 18. Februar 2007, abgerufen am 7. Oktober 2024.
  3. Redaktion Deutsches Ärzteblatt: Abschnitt der Nationalen Versorgungsleitlinie zu COPD aktualisiert. 19. August 2021, abgerufen am 8. Oktober 2024.
  4. S3-Leitlinie Nationale VersorgungsLeitlinie COPD 2021. In: AWMF-Leitlinienregister. 7. Juli 2023, abgerufen am 10. Oktober 2024.
  5. a b Bundesärztekammer, Kassenärztliche Bundesvereinigung, Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (Hrsg.): Nationale VersorgungsLeitlinie COPD2. Auflage 2021 (Langfassung). 8. September 2024 (archive.org [PDF]).
  6. a b Bundesärztekammer, Kassenärztliche Bundesvereinigung, Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (Hrsg.): Nationale VersorgungsLeitlinie COPD2. Auflage 2021 (Kurzfassung). 8. September 2024 (archive.org [PDF]).
  7. Aufgaben und Ziele. In: DFPP - Deutsche Forschungsgruppe Pneumologie in der Primärversorgung. Abgerufen am 8. Oktober 2024.
  8. Deutsche interdisziplinäre Gesellschaft für außerklinische Beatmung und Intensivversorgung (DIGAB). Abgerufen am 8. Oktober 2024.
  9. NVL COPD: Praxishilfen, Patientenblätter. 7. Oktober 2024, abgerufen am 8. Oktober 2024.
  10. Bundesärztekammer, Kassenärztliche Bundesvereinigung, Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (Hrsg.): Nationale VersorgungsLeitlinie COPD2. Auflage 2021 (Leitlinienreport). 8. September 2024 (archive.org [PDF]).