Carl Giesecke (Orgelbauer) – Wikipedia

Carl Giesecke (* 2. September 1812 in Göttingen; † 28. September 1888 ebenda) war ein deutscher Orgelbauer, der als Zulieferant von Zungenpfeifen bekannt wurde.

Heinrich Carl August Giesecke wurde als Sohn des Tuchmachers Otto Heinrich Giesecke und Marie Caroline Aue geboren. Sein Großvater und Urgroßvater waren Chirurgen in Schoningen.[1]

Carl Giesecke erlernte von 1840 bis 1844 den Orgelbau bei Johann Friedrich Schulze,[2] an dessen Stil er sich baulich und klanglich orientierte. Am 1. April 1844 erwarb er das Bürgerrecht in Göttingen, machte sich dort selbstständig und war bald einer der bedeutendsten Orgelbauer im südlichen Niedersachsen.[3] Er belieferte zunächst Schulze mit Zungenregistern und anderen Orgelteilen. Bis 1860 erlangte die Werkstatt eine führende Stellung als Zulieferbetrieb und lieferte ab 1870 ausschließlich Zungenstimmen und Orgelteile.[4] Bis 1869 schuf er über 20 Neubauten.

Am 28. Juli 1844 heiratete er Wilhelmine Rosine Charlotte Schulz aus Hameln, mit der er sechs Kinder hatte.[5] Sein Sohn Hermann (* 11. Mai 1847 in Göttingen; † 12. Februar 1928 ebenda) war ebenfalls Orgelbauer und kurz nach 1880 Partner des Vaters. Entsprechend einer vertraglichen Vereinbarung firmierte das Unternehmen seit 1884 als „Carl Giesecke & Sohn“. Hermann übernahm seitdem den Bau der Zungen, während der Vater nur noch mechanische Teile anfertigte. Angesichts der wachsenden Nachfrage für Zungenstimmen wurde der Bau kompletter Orgeln aufgegeben.

Da Hermann keine männlichen Nachfahren hatte, wurde die Firma 1909 an Adolf Hammer verpachtet, dem Mitinhaber von P. Furtwängler & Hammer.[4] Hermanns beide Töchter Helene Giesecke und Gertrud Steggewentz wurden Gesellschafter und das Unternehmen in „Gieseckes Erben und W. Furtwängler“ umbenannt. Die Zahl der Mitarbeiter wuchs nach dem Zweiten Weltkrieg auf über 75 an.[6] 2006 wurde das Unternehmen in eine GmbH umgewandelt. In Fortführung der Unternehmenstradition belieferten etwa 25 Mitarbeiter weltweit Orgelbauer mit Zungen- und Labialpfeifen. Im Jahr 2012 meldete das Unternehmen Insolvenz an, in deren Folge die Werkstatt aufgelöst und der Geschäftsbetrieb eingestellt wurde.[7]

Werkliste (Auswahl)

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Die Größe der Instrumente wird in der fünften Spalte durch die Anzahl der Manuale und die Anzahl der klingenden Register in der sechsten Spalte angezeigt. Ein großes „P“ steht für ein selbstständiges Pedal, ein kleines „p“ für ein angehängtes Pedal. Eine Kursivierung zeigt an, dass die betreffende Orgel nicht mehr oder lediglich der Prospekt erhalten ist.

Jahr Ort Kirche Bild Manuale Register Bemerkungen
1848 Weende (Göttingen) St. Petri I/P 8 Einige Register erhalten
1850 Moringen Stadtkirche II/P 23 Neubau unter Integration einige Register von Christian Vater (1743); 1976 Restaurierung durch Martin Haspelmath; Gehäuse und etliche Register von Giesecke erhalten
um 1850 Oldenrode Ev.-luth. Kirche I/P 6 Neubau; Gehäuse erhalten
1851 Dassensen Ev.-luth. Kirche I/P 7 Nur Untergehäuse in der Brüstung erhalten
1853 Sudershausen St. Johannis
I/p 7 Neubau; nahezu unverändert erhalten
1854 Waake Dorfkirche
I/P 7 Neubau; Gehäuse und Subbaß 16′ erhalten
1855 Trögen St. Laurentius
I/P 6 Neubau; einige Register erhalten
1855 Altenau St. Nikolai
II/P 15 Neubau; 1965 durch Schmidt & Thiemann mit einem Rückpositiv umgebaut (heute II/P/16)
1856 Silkerode St. Nicolai II/P 14 Neubau; nach 1900 Umbau durch Georg Kiessling & Söhne und 2002 Restaurierung durch Orgelbau Schönefeld
1859 Lutterhausen Ev.-luth. Kirche II/P 13 Neubau; 2020 von Sauer & Heinemann restauriert und mittels der zwei vorbereiteten originalen Reserveschleifen auf II/P, 15 erweitert.
um 1859 Stöckheim St. Martin II/P 16 Neubau
1860 Scheden St.-Markus-Kirche II/P 22 Umbau der Orgel von Johann Dietrich Kuhlmann (1829)
1862 Bockelnhagen Ev.-luth. Kirche II/P 11
1863 Rosdorf Ev.-luth. Kirche II/P 28 1911 Umbau durch P. Furtwängler & Hammer, 1997 restauriert durch Werner Bosch Orgelbau
1864–1865 Göttingen St. Marien II/P 18 1926 Großteil der Register in Neubau von P. Furtwängler & Hammer übernommen.
  • Karl Heinz Bielefeld: Orgeln und Orgelbauer in Göttingen. Pape Verlag, Berlin 2007, ISBN 978-3-921140-75-8.
  • Hermann Fischer: 100 Jahre Bund deutscher Orgelbaumeister. Orgelbau-Fachverlag, Lauffen 1991, ISBN 3-921848-18-0, S. 193.
  • Wilhelm Furtwängler: Carl Giesecke & Sohn GmbH, Göttingen, Prov. Hannover, Fabrik aller Orgel-Zungenstimmen. Göttingen 1928.
  • Carl Giesecke: Zungenstimmen. Den Freunden unseres Hauses. 1838–1963. Carl Giesecke & Sohn, Göttingen 1963.
  • Uwe Pape: Carl Giesecke – Orgelbauer und Fabrikant von Zungenstimmen in Göttingen. In: Roland Behrens, Christoph Grohmann (Hrsg.): Dulce Melos Organorum. Festschrift Alfred Reichling zum 70. Geburtstag (= Veröffentlichung der Gesellschaft der Orgelfreunde. Band 200). Gesellschaft der Orgelfreunde, Mettlach 2005, S. 385–422.
  • Uwe Pape: Giesecke, Familie. In: Die Musik in Geschichte und Gegenwart. Personenteil, Band 7. Kassel, Bärenreiter 2002, Sp. 930–931.
  • Klaus Wilhelm Furtwängler, Angelika Hesse: Zungenstimmen @1@2Vorlage:Toter Link/www.giesecke.de (Seite nicht mehr abrufbar, festgestellt im Juni 2023. Suche in Webarchiven). Giesecke + Sohn 1997 (PDF-Datei; 7,35 MB).

Einzelnachweise

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  1. Uwe Pape: Carl Giesecke – Orgelbauer und Fabrikant von Zungenstimmen. 2005, S. 386.
  2. Karl Heinz Bielefeld: Orgeln und Orgelbauer in Göttingen. Pape Verlag, Berlin 2007, ISBN 978-3-921140-75-8, S. 356.
  3. Uwe Pape: Giesecke, Familie. 2002, S. 930.
  4. a b Uwe Pape: Giesecke, Familie. 2002, S. 931.
  5. Uwe Pape: Carl Giesecke – Orgelbauer und Fabrikant von Zungenstimmen. 2005, S. 388.
  6. Geschichte. In: giesecke.de. Archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 2. August 2012; abgerufen am 12. Juli 2012.
  7. Giesecke GmbH, Göttingen. In: northdata.de. Abgerufen am 9. Juni 2023.