Dieser Artikel behandelt die äußere Ableitung von Differentialformen. Für die „äußere Ableitung“ als Bezeichnung für die Ableitung der äußeren Funktion einer Verkettung siehe
Kettenregel.
Die äußere Ableitung oder Cartan-Ableitung ist ein Begriff aus den Bereichen Differentialgeometrie und Analysis. Sie verallgemeinert die aus der Analysis bekannte Ableitung von Funktionen auf Differentialformen. Der Name Cartan-Ableitung erklärt sich daher, dass Élie Cartan (1869–1951) der Begründer der Theorie der Differentialformen ist.
Sei
eine
-dimensionale glatte Mannigfaltigkeit und
eine offene Teilmenge. Mit
wird hier der Raum der
-Formen auf der Mannigfaltigkeit
bezeichnet. So gibt es dann für alle
genau eine Funktion
, so dass die folgenden Eigenschaften gelten:
ist eine Antiderivation, das heißt für
und
gilt
. - Sei
, dann ist
definiert als das totale Differential. ![{\displaystyle \mathrm {d} \circ \mathrm {d} =0}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/36bc7196c77736d637b3f319ec83db0aa5fdbdbb)
- Der Operator verhält sich natürlich in Bezug auf Einschränkungen, das heißt: Sind
offene Mengen und
, so gilt
.
Es muss natürlich bewiesen werden, dass ein solcher Operator existiert und eindeutig ist. Dieser trägt den Namen äußere Ableitung oder Cartan-Ableitung und wird meistens mit
bezeichnet. Man verzichtet also auf den Index, welcher den Grad der Differentialform angibt, auf welche der Operator angewendet wird.
Man kann die äußere Ableitung auch mit Hilfe der Formel
![{\displaystyle {\begin{array}{rcl}\mathrm {d} \omega (X_{0},\ldots ,X_{k})&=&\sum _{i=0}^{k}(-1)^{i}X_{i}(\omega (X_{0},\ldots ,{\hat {X}}_{i},\ldots ,X_{k}))\\[0.5em]&+&\sum _{0\leq i<j\leq k}(-1)^{i+j}\omega ([X_{i},X_{j}],X_{0},\ldots ,{\hat {X}}_{i},\ldots ,{\hat {X}}_{j},\ldots ,X_{k})\end{array}}}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/58fb13d3e65292c3beba4cec645e9fc0da293783)
darstellen[1], dabei bedeutet das Zirkumflex
in
, dass das entsprechende Argument wegzulassen ist,
bezeichnet die Lie-Klammer.
Sei
ein Punkt auf einer glatten Mannigfaltigkeit. Die äußere Ableitung von
hat in diesem Punkt die Darstellung
,
dabei hat
die lokale Darstellung
![{\displaystyle \omega =\sum _{1\leq i_{1}<\ldots <i_{k}\leq n}a_{i_{1},\ldots ,i_{k}}\mathrm {d} x_{i_{1}}\wedge \ldots \wedge \mathrm {d} x_{i_{k}}.}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/f511cd3ffecc036150c5a3d4ffc2a9cbadfb68f5)
Die äußere Ableitung
von
-Formen ist einfach durch die totale Ableitung gegeben und stets kovariant (siehe auch kovariante Ableitung) und antisymmetrisch. Die äußere Ableitung einer
-Form
kann bis auf ein Vielfaches als Antisymmetrisierung des formalen Tensorprodukts von
mit der Form angesehen werden:
![{\displaystyle \mathrm {d} ^{k}\omega =(k+1)\operatorname {Alt} (\mathrm {d} ^{0}\otimes \omega )}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/d4bd83dbf66a300b52e991accabfa7511d65084b)
In Indexnotation:
[2]
Seien
zwei glatte Mannigfaltigkeiten und
eine einmal stetig differenzierbare Funktion. Dann ist der Rücktransport
ein Homomorphismus, so dass
und ![{\displaystyle \,f^{*}(\mathrm {d} \omega )=\mathrm {d} (f^{*}\omega )}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/61740dd2502fd6d13e7b6b22c39a0a4d661cfda6)
gilt.
In Worten sagt man auch: Produktbildung bzw. äußere Differentiation sind mit der „pullback“-Relation verträglich.
Sei in diesem Abschnitt
eine pseudo-riemannsche Mannigfaltigkeit mit Index
. Mit
wird im Folgenden der Hodge-Stern-Operator bezeichnet. Der Operator
![{\displaystyle \delta \colon {\mathcal {A}}^{k+1}(M)\to {\mathcal {A}}^{k}(M)}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/9a180771c90c98e7be0e70a02af1da6ae79584a3)
ist definiert durch
und für
durch
![{\displaystyle \delta (\beta )=(-1)^{nk+1+i}\star \mathrm {d} \star \beta .}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/706c1993b7a3a1ce721c6ab3f65489262ba82fd8)
Er wird als adjungierte äußere Ableitung oder Koableitung bezeichnet.
Dieser Operator ist linear und es gilt
. In der Tat ist
der zu
adjungierte Operator. Ist die Mannigfaltigkeit zusätzlich kompakt, so gilt für die Riemannsche Metrik
und
die Relation
.
Aus diesem Grund notiert man
auch als
, da dieser ja der adjungierte Operator ist. Ähnliche Dualitätsbeziehungen können auch für Pseudo-Riemannsche Metriken definiert werden, zum Beispiel für die Minkowski-Metrik der Speziellen Relativitätstheorie bzw. die Lorentz-Metrik der Allgemeinen Relativitätstheorie.
Die aus der Vektoranalysis bekannten Differentialoperatoren kann man mit Hilfe der äußeren Ableitung
und dem Hodge-Stern-Operator
auf Riemann’sche Mannigfaltigkeiten erweitern. Insbesondere erhält man für die Rotation eine Formel, welche auf n-dimensionalen Räumen operiert. Im Folgenden sei
immer eine glatte Riemann’sche Mannigfaltigkeit.
Diese beiden Isomorphismen werden durch die Riemannsche Metrik induziert. Sie bilden Tangentialvektoren auf Kotangentialvektoren ab und umgekehrt. Zum Verständnis reicht es, an dieser Stelle die Wirkung der Isomorphismen im dreidimensionalen Raum zu demonstrieren. Sei
ein Vektorfeld, so gilt für den Flat-Operator in Standardkoordinaten von
.
Der Flat-Operator bildet also Vektorfelder in ihren Dualraum ab. Der Sharp-Operator ist die dazu inverse Operation. Sei
ein Kovektorfeld (bzw. eine 1-Form), so gilt (ebenfalls Standardkoordinaten)
.
Das Kreuzprodukt ist zwar kein Differentialoperator und wird zudem in der Vektoranalysis nur für dreidimensionale Vektorräume definiert. Trotzdem ist es, insbesondere für die Definition der Rotation, sehr wichtig: Sei
ein Vektorraum und
zwei Elemente einer äußeren Potenz von
, dann ist das verallgemeinerte Kreuzprodukt definiert durch
.[3]
Für eine Begründung dieser Definition siehe unter äußere Algebra.
Es sei
eine partiell differenzierbare Funktion und auf
sei das Standardskalarprodukt
gegeben. Der Gradient der Funktion
im Punkt
ist für beliebiges
der durch die Forderung
![{\displaystyle \mathrm {d} f(a)h=\langle \nabla f(a),h\,\rangle }](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/1dd569ab9038f8ff743deb65e71f7c9518e0e7cb)
eindeutig bestimmte Vektor
. Mit Hilfe des Differentialformen-Kalküls kann man den Gradienten auf einer Riemann’schen Mannigfaltigkeit
durch
![{\displaystyle \nabla f:=(\mathrm {d} f)^{\sharp }}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/eb412b16e077ed4f61ca759045865e9437b0d56b)
definieren. Da die Menge der 0-Formen nach Definition gleich der Menge der beliebig oft differenzierbaren Funktionen ist, verallgemeinert diese Definition den Gradienten von Funktionen. Dies lässt sich schnell durch eine kurze Rechnung einsehen. Ist
eine glatte Funktion, so gilt
![{\displaystyle (\mathrm {d} f)^{\sharp }={\begin{pmatrix}{\frac {\partial f}{\partial x_{1}}}\mathrm {d} x^{1}+{\frac {\partial f}{\partial x_{2}}}\mathrm {d} x^{2}+{\frac {\partial f}{\partial x_{3}}}\mathrm {d} x^{3}\end{pmatrix}}^{\sharp }={\frac {\partial f}{\partial x_{1}}}{\frac {\partial }{\partial x_{1}}}+{\frac {\partial f}{\partial x_{2}}}{\frac {\partial }{\partial x_{2}}}+{\frac {\partial f}{\partial x_{3}}}{\frac {\partial }{\partial x_{3}}}.}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/41667803cd5486b52b6058ac87e99b5f12750584)
In euklidischen Vektorräumen notiert man dies häufig wie folgt:
![{\displaystyle (\mathrm {d} f)^{\sharp }={\begin{pmatrix}{\frac {\partial f}{\partial x_{1}}},{\frac {\partial f}{\partial x_{2}}},{\frac {\partial f}{\partial x_{3}}}\end{pmatrix}}^{\sharp }={\begin{pmatrix}{\frac {\partial f}{\partial x_{1}}}\\{\frac {\partial f}{\partial x_{2}}}\\{\frac {\partial f}{\partial x_{3}}}\end{pmatrix}}.}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/34baa00cdd754fbc8fe538cabc4d415ce4e48b3f)
In der Vektoranalysis ist die Rotation eine Abbildung
. Für allgemeine Vektorfelder gilt
.
Folgende Rechnung zeigt, dass man für die Dimension
den bekannten Ausdruck für die Rotation erhält:
![{\displaystyle {\begin{array}{cl}&\mathrm {d} (f_{1}\cdot \mathrm {d} x_{1}+f_{2}\cdot \mathrm {d} x_{2}+f_{3}\cdot \mathrm {d} x_{3})\\=&\mathrm {d} f_{1}\wedge \mathrm {d} x_{1}+\mathrm {d} f_{2}\wedge \mathrm {d} x_{2}+\mathrm {d} f_{3}\wedge \mathrm {d} x_{3}\\[0.5em]=&{\frac {\partial f_{1}}{\partial x_{1}}}\cdot \mathrm {d} x_{1}\wedge \mathrm {d} x_{1}+{\frac {\partial f_{1}}{\partial x_{2}}}\cdot \mathrm {d} x_{2}\wedge \mathrm {d} x_{1}+{\frac {\partial f_{1}}{\partial x_{3}}}\cdot \mathrm {d} x_{3}\wedge \mathrm {d} x_{1}\\+&{\frac {\partial f_{2}}{\partial x_{1}}}\cdot \mathrm {d} x_{1}\wedge \mathrm {d} x_{2}+{\frac {\partial f_{2}}{\partial x_{2}}}\cdot \mathrm {d} x_{2}\wedge \mathrm {d} x_{2}+{\frac {\partial f_{2}}{\partial x_{3}}}\cdot \mathrm {d} x_{3}\wedge \mathrm {d} x_{2}\\+&{\frac {\partial f_{3}}{\partial x_{1}}}\cdot \mathrm {d} x_{1}\wedge \mathrm {d} x_{3}+{\frac {\partial f_{3}}{\partial x_{2}}}\cdot \mathrm {d} x_{2}\wedge \mathrm {d} x_{3}+{\frac {\partial f_{3}}{\partial x_{3}}}\cdot \mathrm {d} x_{3}\wedge \mathrm {d} x_{3}\\[0.5em]=&\left({\frac {\partial f_{3}}{\partial x_{2}}}-{\frac {\partial f_{2}}{\partial x_{3}}}\right)\cdot \mathrm {d} x_{2}\wedge \mathrm {d} x_{3}+\left({\frac {\partial f_{1}}{\partial x_{3}}}-{\frac {\partial f_{3}}{\partial x_{1}}}\right)\cdot \mathrm {d} x_{3}\wedge \mathrm {d} x_{1}+\left({\frac {\partial f_{2}}{\partial x_{1}}}-{\frac {\partial f_{1}}{\partial x_{2}}}\right)\cdot \mathrm {d} x_{1}\wedge \mathrm {d} x_{2}\end{array}}}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/84a635f4fe09920ac3e6fff35ce11e6d9b1c40e9)
Diese Formel erhält man sofort, indem man die Definition des Gradienten in die des Kreuzproduktes einsetzt.
Ebenso gibt es eine Verallgemeinerung der Divergenz, diese lautet
![{\displaystyle \mathrm {div} (f)=\nabla \cdot f=\star \mathrm {d} (\star f\,^{\flat }).}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/1fd874d4bf5635bd8f30a38ac67ceae3c2f629c4)
Der Hodge-Laplace-Operator ist ein spezieller verallgemeinerter Laplace-Operator. Solche Operatoren haben in der Differentialgeometrie eine wichtige Bedeutung.
Sei
eine glatte Riemann’sche Mannigfaltigkeit, so ist der Hodge-Laplace-Operator definiert durch
![{\displaystyle \Delta =\mathrm {d} \delta +\delta \mathrm {d} \,.}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/fc6b9acb04fa52fc7b51c7d8d0edde8e20cfd42e)
Eine Funktion
heißt harmonisch, wenn sie die Laplace-Gleichung
erfüllt. Analog definiert man die harmonischen Differentialformen. Eine Differentialform
heißt harmonisch, falls die Hodge-Laplace-Gleichung
erfüllt ist. Mit
wird die Menge aller harmonischen Formen auf
notiert. Dieser Raum ist aufgrund der Hodge-Zerlegung isomorph zur entsprechenden De-Rham-Kohomologiegruppe.
Der Hodge-Laplace-Operator hat folgende Eigenschaften:
, falls also
harmonisch ist, so ist auch
harmonisch. - Der Operator
ist selbstadjungiert bezüglich der Riemannschen Metrik
, das heißt, für alle
gilt
. - Notwendig und hinreichend für die Gleichung
ist, dass
und
gelten.
Zwei weitere Differentialoperatoren, welche mit der Cartan-Ableitung in Verbindung stehen, sind der Dolbeault-Operator und der Dolbeault-Quer-Operator auf Mannigfaltigkeiten. So kann man die Räume der Differentialformen vom Grad
einführen, welche mit
notiert werden, und erhält auf natürliche Weise die Abbildungen
![{\displaystyle \partial \colon {\mathcal {A}}^{p,q}\to {\mathcal {A}}^{p+1,q}}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/b3706c674c92472d08f4530e83487401ffa30ca7)
und
![{\displaystyle {\overline {\partial }}\colon {\mathcal {A}}^{p,q}\to {\mathcal {A}}^{p,q+1}}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/1d89f07299de12d1c2005055f5286403d0a9d591)
mit
. In lokalen Koordinaten haben diese Differentialoperatoren die Darstellungen
![{\displaystyle \partial \left(\sum _{I,J}f_{I,J}\mathrm {d} z_{I}\wedge \mathrm {d} {\overline {z}}_{J}\right)=\sum _{I,J,K}{\frac {\partial f_{I,J}}{\partial z_{K}}}\mathrm {d} z_{K}\wedge \mathrm {d} z_{I}\wedge \mathrm {d} {\overline {z}}_{J}}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/61e71d0fde09f211686cfc2ef79858cd25994ccc)
und
![{\displaystyle {\overline {\partial }}\left(\sum _{I,J}f_{I,J}\mathrm {d} z_{I}\wedge \mathrm {d} {\overline {z}}_{J}\right)=\sum _{I,J,K}{\frac {\partial f_{I,J}}{\partial {\overline {z}}_{K}}}\mathrm {d} {\overline {z}}_{K}\wedge \mathrm {d} z_{I}\wedge \mathrm {d} {\overline {z}}_{J}.}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/fb55f73d8774a2da00f98c7049d3b912dde5673e)
- ↑ Michael Spivak: A comprehensive introduction to differential geometry. 3. Auflage. 1970, S. 213.
- ↑ Ivan Avramidi, Notes on Differential Forms (PDF; 112 kB), 2003
- ↑ Damit hängt eine in der Physik benutzte Sprachregelung zusammen, nach welcher man polare und axiale Vektoren unterscheidet; das Kreuzprodukt zweier polarer Vektoren ergibt zum Beispiel einen axialen Vektor. Die als
bzw.
bezeichneten Größen der theoretischen Mechanik („Drehimpulse“ bzw. „Drehmomente“) sind z. B. axiale Vektoren.