Contact Improvisation – Wikipedia

Contact Improvisation „Jam

Contact Improvisation (kurz: CI oder Contact Impro) ist ein zeitgenössischer Tanzstil, bei dem es um die aktive Entdeckung aller Bewegungsmöglichkeiten geht, die zwei oder mehr menschliche Körper ausführen können.

Wesen und Formen

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Genauso wie im Jazz ab den 1950er Jahren avantgardistische Musiker versuchten, die Vielfalt der möglichen von ihren Instrumenten produzierten Klänge zu erkunden, so gehen auch Tanzende der Contact Improvisation vor. Die Ausübenden versuchen, alle Bewegungsmöglichkeiten und Bewegungen des Körpers zu erforschen, z. B. indem sie sich gegenseitig das Gewicht abgeben, an- und übereinander rollen, klettern und schwingen. Je nach Kontext und Zielsetzung einer CI-Veranstaltung spricht man von einer „Jam“ (kurz für Jam Session, eher spielerisch) oder einem „Lab“ (kurz für Laboratory, eher forschend).

Ein zentrales Prinzip ist das Bewahren einer absichtslosen Achtsamkeit. Veranschaulichen lässt sich dies an zwei klassischen CI-Begriffen:

  • small dance: eine Solo-Übung, bei der der Übende im aufrechten Stand all jene winzigen unwillkürlichen Reaktionen seines Körpers (sogenannte „micro movements“) beobachtet, welche seine Balance gewährleisten.
  • rolling point: in einem Duett konzentrieren sich die Tanzenden auf einen einzigen Berührungspunkt zwischen ihren Körpern. Im Verlauf des Tanzes wird dieser „rollende Kontaktpunkt“ bei gleichbleibend langsamen Tempo kontinuierlich in Bewegung gehalten.[1]

Untersuchungen aus dem Jahr 2006 konstatierten ein intensives Flow-Erleben bei CI-tanzenden Menschen.[2]

Da Musik die Achtsamkeit beeinflusst und starke Impulse für die Improvisation und Bewegung geben kann, wird teilweise auf sie verzichtet[3] oder sie wird sehr bewusst eingesetzt, z. B. durch mit den Tänzern improvisierende Live-Musiker.

Quellen und Ausübende

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Die Anfänge von Contact Improvisation gehen auf verschiedenartige Quellen wie den Modern Dance, verschiedene Kampfkünste, die Newtonschen Bewegungsgesetze der Physik, Beobachtungen an der menschlichen Anatomie, Kinderspiel und Gymnastik zurück. Zunächst wurde es eigentlich erdacht als eine Art des Erforschens von Bewegungs- und Ausdrucksmöglichkeiten und von professionellen Tänzern und Choreographen angewendet. Mittlerweile ist CI fester Bestandteil der Ausbildung zum zeitgenössischen Tänzer und wird von vielen Choreographen neben anderen improvisatorischen Ansätzen und Tanzstilen als gleichberechtigtes Mittel zur choreographischen Materialfindung angesehen. Neben dem professionellen Tanz hat sich CI auch als soziale Tanzform sehr rasch verbreitet. Die „Eintrittsbarriere“ ist sehr niedrig, vor allem weil allein ein spielerischer, erforschender Geist und ein menschlicher Körper dafür ausreichen.[4]

Es besteht mittlerweile eine stark vernetzte internationale Gemeinschaft von Tänzern, wobei deren Fähigkeiten und tänzerische Vorerfahrung stark variieren.

Contact Improvisation wurde erfunden oder entwickelt von einer Gruppe von Tänzern in den frühen 1970er Jahren in New York, unter ihnen Steve Paxton, Nancy Stark Smith und Daniel Lepkoff. Paxton, ein früheres Mitglied von Merce Cunninghams Ensemble und ein Mitglied des Grand Union Improvisations Collective, organisierte die ersten Performances (u. a. 1972 „Magnesium“) und leitete die Entwicklungen. Im selben Jahr entstanden die ersten Jamsessions, kurz Jam genannt. Von Anfang an war Contact Improvisation ein soziales Phänomen, Menschen trafen sich in Turnsälen und Parks, um in Jam Sessions neue Tanzformen auszuprobieren und zu entdecken.[5] In den Folgejahren wuchs das Interesse an dieser Tanzform dramatisch: Seit 1972 begannen Tanzcompagnien überall in den USA Konzepte der Contact Improvisation in ihre Arbeit zu integrieren[6] und seit 1975 existiert das internationale Magazin Contact Quarterly (anfangs Contact Newsletter). Inzwischen spielt Contact Improvisation „eine unverzichtbare Rolle in der Ausbildung zum professionellen Tänzer.“[7]

deutsch

  • Heilke Bruns: „Am Anfang war Berührung“. Kontaktimprovisation – Auswirkungen auf Körperbewusstsein, Bewegungsverhalten und musikalische Improvisation. Forschungsprojekt durchgeführt an der Hochschule für Musik und Theater Hamburg, 2000, ISBN 3-89811-936-X.
  • Heike Pourian: Eine berührbare Welt: Contact Improvisation als gesellschaftsbewegende Kultur. Eine Textsammlung. contact bewegen e.V., Dresden 2016, ISBN 978-3-00-052225-3.
  • Petra Thelebein: Die Entwicklung der Contact Improvisation als einer Form des zeitgenössischen Tanzes: künstlerische, psychologische und soziale Aspekte. Diplomarbeit Universität Hildesheim (FB II), 1994.
  • Thomas Kaltenbrunner: Contact Improvisation: bewegen, tanzen und sich begegnen; mit einer Einführung in New Dance. 2. Auflage. Meyer&Meyer, Aachen 2001, ISBN 3-89899-515-1.
  • Marion Glöggler: Contact Improvisation im Spannungsfeld zwischen Tanzkunst und Alltagsbewegung: Körperdialoge zur Entwicklung individueller Körperintelligenz. GRIN Verlag, 2009, ISBN 978-3-640-33097-3.

englisch

  • Raphael Cushnir: How Now: 100 ways to celebrate the present time. Chronicle Books, San Francisco 2005.
  • Carol A.Horwitz: Challenging dominant gender ideology through dance: contact improvisation. Dissertation. University of Iowa, 1995.
  • Cynthia J. Novack: Sharing the dance: contact improvisation and American culture. (= New directions in anthropological writing). University of Wisconsin Press, Madison WI 1990, ISBN 0-299-12440-1.
  • Cheryl Pallant: Contact Improvisation: an introduction to a vitalizing dance form. MacFraland, Jefferson NC 2006, ISBN 0-7864-2647-0.
  • Ann Cooper Albright, David Gere (Hrsg.): Taken by surprise: a dance improvisation reader. Wesleyan University Press, Middletown CO 2003, ISBN 0-8195-6647-0.
  • Timothey Robert Wilson: The effect of creative movement and contact improvisation experiences on self-awareness. Ann Arbor 1987.

Einzelnachweise

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  1. Jörg Lemmer Schmid: Kontakt-Improvisation als Lebenskunst: Mehr Lebensqualität durch Flow-Erleben und Achtsamkeit. (PDF; 4,0 MB), abgerufen am 29. Juni 2015.
  2. Jörg Lemmer Schmid: Kontakt-Improvisation als Lebenskunst. (PDF; 4,0 MB) S. 85 ff, abgerufen am 31. August 2016. „(Mit der) fließende Bewegungsqualität (…) verschwindet jegliches gedankliches Abschweifen und Planen des nächsten Moments. (Es entsteht...) eine absichtlose Präsenz in der Gegenwart“
  3. ContactImpro Köln: Was ist ContactImprovisation? (Memento vom 29. Juni 2016 im Internet Archive) „Dort gibt es Paare aller Art, Trios, acrobatische Hebungen und entspannte Bodenelemente, Tänze zu jeder Art von Musik oder sogar ganz ohne Musik.“, geladen am 20. Juni 2016.
  4. Was ist CI - Contact Improvisation? (Memento des Originals vom 11. März 2016 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.contactimprovisation.ch CI-Website für die Schweiz; abgerufen am 29. Juni 2015.
  5. Improv Dancers Have Impact. In: The Washington Post. 4. November 2005; abgerufen am 29. Juni 2015: “In Contact Improv, inspiration for dance doesn’t come outside from music, like in traditional dance; it comes from the moving point of contact, the exchange of weight and balance. You may start out leaning against your partner, say, palm to palm, but eventually your weight will shift, and you’ll press into your partner’s arm or shoulder. The point of contact can change infinite ways, (…) so the dance can go in infinite directions.”
  6. Contact Quarterly Volum 4, 1978–1979
  7. Werner Kirschner: Motive im Zeitgenössischen Tanz am Beispiel der Kontaktimprovisation. In: Zeitschrift für Musik-, Tanz- und Kunsttherapie. 2004, S. 130; abgerufen am 29. Juni 2015.