Der Kammersänger (Wedekind) – Wikipedia

Der Kammersänger ist ein Drama von Frank Wedekind von 1897.

Der Kammersänger Gerardo hält sich am Tag nach einer Tannhäuser-Aufführung in seinem Hotelzimmer auf. Der Tisch ist mit Bouquets und Geschenken von Zuschauern überdeckt. Er bereitet sich auf seinen nächsten Auftritt in Brüssel vor und hat dem Hotelpersonal den strikten Auftrag erteilt, niemanden in sein Zimmer zu lassen. Dennoch kommt eine junge sechzehnjährige Amerikanerin hinter einem Fenstervorhang hervor und gesteht ihm ihre große Bewunderung. Gerardo gelingt es nur mit Mühe, sie abzuwimmeln. Als Nächstes erscheint ein alter Professor Dühring, der sich stundenlang in der Toilette versteckt hatte und ihm eine selbst komponierte Oper zeigt, um sein Urteil zu erfahren und seine Unterstützung zu bekommen. Der Sänger erklärt ihm, dass er keine Möglichkeiten habe, Werke zur Aufführung zu bringen, außerdem sei das Werk zu weit von der derzeitigen Wagner-Mode entfernt.

Schließlich erscheint seine Geliebte Helene Marowa und erklärt ihm, dass sie ihren Mann und die zwei Kinder verlassen wolle, um mit ihm zu leben und ihn zu begleiten. Gerardo erklärt ihr, dass es ihm in seinem derzeitigen Kontrakt untersagt sei, in Begleitung einer Frau zu reisen und sich zu binden. Als Helene erkennt, dass sie abgewiesen wird, erschießt sie sich vor seinen Augen. Gerardo hat nun große Sorge, dass er seinen Zug nach Brüssel verpasst und damit kontraktbrüchig wird. Er zögert eine Weile, schließlich eilt er zum Zug und lässt die Sterbende mit dem Hotelpersonal zurück.

Frank Wedekind kritisierte in dem Drama die strenge Unterwerfung von Künstlern unter kommerzielle Interessen und Verträge und die sich daraus ergebende Trennung von künstlerischer Darstellung auf der Bühne und realem Verhalten im Alltag. Gleichzeitig parodierte er verschiedene Charaktertypen seiner Zeit.[1] Vorbild für den Namens des Kammersängers war wahrscheinlich der erfolgreiche Operntenor Alexander Girardi, für den Professor der Kulturphilosoph Eugen Dühring.[2]

In einem Vorwort von 1909 beklagte der Autor, dass das Stück bei Aufführungen oft bis zur Unkenntlichkeit gekürzt worden sei, und aus ernsthaften Charakteren nur noch ein einfaches Lustspiel geworden sei.

Frank Wedekind hatte seit 1896 vergeblich versucht, seine ersten Dramen in München oder Berlin auf die Bühne zu bringen. Im August 1897 reiste er nach Dresden und lebte dort bei seiner Schwester Erika Wedekind.[3][4] Diese war Sängerin an der Hofoper. Frank Wedekind lernte das Leben der Sänger sehr gut kennen und schrieb unter diesem Eindruck innerhalb von etwa zwei Monaten das Drama Das Gastspiel.

Die Uraufführung erfolgte am 10. Dezember 1899 in Berlin durch die junge Secessionsbühne als deren erste Aufführung in ihrer neuen Spielstätte im Neuen Theater. Der Autor saß zu dieser Zeit wegen Majestätsbeleidigung in der Festung Königstein.[5] Das Theaterstück wurde sein erster größerer Bühnenerfolg und entwickelte sich zum am häufigsten gespielten Theaterstück zu Lebzeiten.

Es gab bisher drei Fernsehproduktionen und noch keinen Kinofilm.

  • 1964 Sender Freies Berlin, mit Will Quadflieg, Produktion Ulrich Schamoni; 1967 einmal im Ungarischen Fernsehen gesendet[7]
  • 1964 Fernsehen der DDR, mit Rolf Ludwig[8]
  • 1972 Fernsehen der DDR, Inszenierung des Staatstheaters Dresden[9]

Insgesamt sind 16 deutschsprachige Hörfunkproduktionen zwischen 1924 und 1976 bekannt.

  • 1991 Das Gastspiel
  • Der Kammersänger, 1899, Erstausgabe Zeno
  • Der Kammersänger, 4. Auflage 1909, in Gesammelte Werke Gutenberg
  • Der Kammersänger, 4. bis 13. Tsd., München 1919 (oder 1920) BLB Karlsruhe
  • Grit Dommes: Von Künstlern und Lebenskünstlern. Frank Wedekinds „Der Kammersänger“ und die Keith-Dramen. Lang, Frankfurt am Main 1998
  • Anatol Regnier: Frank Wedekind. Eine Männertragödie. 2008 S. 169f.

Einzelnachweise

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  1. Georg W. Forcht: Die Medialität des Theaters bei Frank Wedekind, Herbolzheim 2005, S. 40 erwähnt eine Situation Wedekinds mit seiner Cousine Minna von Geyerz als Vorbild für die letzte Szene von Helen Marowa; nach Birgit Glas: Kunst und Künstler in dramatischen Werken von Frank Wedekind, 1997, S. 32
  2. Elke Austermühl: Kommentar, Interpretation und ästhetische Analyse. In: Gunter Martens (Hrsg.): Kommentierungsverfahren und Kommentarformen. Tübingen Niemyer, 1993, S. 55–61, hier S. 57f.
  3. Elke Austermühl: Kommentar, Interpretation und ästhetische Analyse. In: Gunter Martens (Hrsg.): Kommentierungsverfahren und Kommentarformen. Tübingen Niemyer, 1993, S. 55–61, sehr detailliert zur Entstehungsgeschichte und Zusammenhängen des Dramas "Der Kammersänger"
  4. Günter Seehaus: Frank Wedekind und das Theater. 1973, S. 260ff. zur Entstehung des Dramas "Der Kammersänger"
  5. Anatol Regnier: Frank Wedekind. Eine Männertragödie. 2008 S. 176
  6. Berliner Tageblatt vom 11. Dezember 1899, S. 2, Bericht über die Aufführung
  7. IMdB
  8. Der Kammersänger (1964) Fernsehen der DDR
  9. Der Kammersänger (1976) Fernsehen der DDR
  10. Der Kammersänger Rundfunkproduktionen in Österreich