Deutsch-Amerikanischer Bergwerksverein – Wikipedia

Gründeraktie des Deutsch-Amerikanischen Bergwerksvereins zu Elberfeld vom 1. Januar 1826

Der Deutsch-Amerikanische Bergwerksverein, auch Deutsch-Mexikanischer Bergwerksverein genannt, war eine Montan-Aktiengesellschaft mit Sitz in Elberfeld, Rheinprovinz, sowie Bergwerken und Hütten in Mexiko. Sie bestand von 1824 bis 1837.

Angeregt durch Schilderungen Alexander von Humboldts über die Bodenschätze Neuspaniens[1] und verheißungsvollen Berichten von Mexiko-Agenten der 1821 in Elberfeld gegründeten Rheinisch-Westindischen Kompagnie gründeten Elberfelder Kaufleute unter Führung von Heinrich Kamp Anfang 1824 den Deutsch-Amerikanischen Bergwerksverein. Durch die Königliche Bank in Berlin beteiligte sich auch Preußen an der Gründung der Gesellschaft, die die erste Bergbau-Aktiengesellschaft des Königreichs war. Als „technische Konsulenten“ der Gesellschaft waren Kamps Sozius Friedrich Harkort und Carl Ludwig Heusler tätig, als Sekretär der als Gelegenheitsdichter bekannte Redakteur Moritz Thieme, als Justiziar der Düsseldorfer Advokat-Anwalt Friedrich Bracht.

Generalbericht an Aktieninhaber, 1827
Halbe Aktie des Deutsch-Amerikanischen Bergwerksvereins vom 21. Juni 1830
Interims-Zubuss-Schein zu einer halben Aktie des Deutsch-Amerikanischen Bergwerksvereins vom 24. Mai 1834

Auf der Grundlage des Gesellschaftskapitals von anfangs 200.000 Talern, das binnen weniger Monate auf 500.000 Taler aufgestockt wurde, brachte der Verein in kurzer Zeit eine größere Zahl von Silber-, Gold- und Bleiminen in seinen Besitz.[2] Allein in den ersten drei Jahren seines Bestehens verfügte er über 24 Silbergruben, vier Goldgruben und eine Bleigrube, dazu über sieben Amalgamierwerke und drei Schmelzhütten.[3] Ab 1824 schickte er Agenten, Ingenieure und Bergleute nach Übersee, anfangs darunter Friedrich von Gerolt, Carl de Berghes,[4] Christian Sartorius, Johann Ludwig Stein (1769–1826),[5] dessen Sohn Wilhelm Stein und dessen Bruder Friedrich Wilhelm Stein (1791–1870), 1828 dann auf Empfehlung von Harkort den Bergbaufachmann Johann Christian Leberecht Schmidt mit dem Auftrag, Fördermengen und aufgetretene Mängel zu untersuchen. Am 30. Juni 1825 überreichte man dem in Elberfeld anwesenden Kronprinzen Friedrich Wilhelm feierlich eine Gold- und eine Silbermünze als „Erstlinge unseres Bergbaues in Mexiko“.[6] Aus dem Minenprojekt erwuchs ein Kolonisationsplan, der weitere Interessierte anzog, so den Lehrer Friedrich Wilhelm Grube,[7] der als Sekretär im Büro des Bergwerksvereins in Mexiko tätig wurde.[8]

Politische Instabilität, Inflation und Bandenkriminalität erschwerten das Unternehmen vor Ort. Ein Mangel an geeigneten Arbeitern, Geräten und Anlagen sowie Erzdiebstähle warfen erhebliche Probleme auf. Hohe Betriebskosten verbrauchten das Anfangskapital rasch.[9] Die Ertüchtigung und Bewirtschaftung der vielen Bergwerke, die gleichzeitig in Angriff genommen worden und von denen mangels Rentabilität einige wieder zu schließen waren, fiel unter diesen Bedingungen wesentlich schwieriger und kostspieliger aus als geplant. Auf Betreiben der örtlichen Betriebsleiter sollte daher weiteres Geld nachgeschossen werden. 1826 begab die Gesellschaft neue Aktien im Wert von einer Million Taler, vermochte jedoch nur ein Viertel davon an Anleger zu verkaufen. Viele Aktionäre sahen sich in ihrer Erwartung auf hohe Dividenden bald enttäuscht. Friedrich Harkort schlug in dieser Situation vor, das Kapital besser für den Ankauf und Betrieb von Steinkohlengruben an der Ruhr zu verwenden, ein später Rat, den der Essener Bergamtsdirektor Heinrich Heintzmann zwar begrüßte, der den Aktionären jedoch kaum half. 1830 hatte man insgesamt 4000 Anteile mit einem Nennwert von 2 Millionen Taler ausgegeben, zunächst „ganze Aktien“ im Wert von 500 Talern, dann auch „halbe Aktien“ im Wert von 250 Talern.[10] Mit dem Bergwerksverein, an dessen Spitze zuletzt der spätere preußischen Handels- und Finanzminister August von der Heydt und der Elberfelder Bürgermeister Johann Adolf von Carnap standen, ging es aufgrund fortbestehender Probleme jedoch immer weiter bergab.[11] 1837 meldete die Gesellschaft, deren Scheitern der preußische Generalkonsul Ferdinand Conrad Seiffart Fehlern der Unternehmensleitung anlastete,[12] mit einem Verlust von 2 Millionen Talern den Konkurs. Von den 200 Bergleuten, die allein bis 1825 nach Mexiko gegangen waren, kehrten nur wenige nach Deutschland zurück. Die meisten von ihnen wechselten zu US-amerikanischen oder britischen Firmen oder wurden unabhängig.[13][14]

Das Fiasko des Bergwerksvereins sowie der Zusammenbruch der Rheinisch-Westindischen Kompagnie, deren Liquidation bereits 1832 eingeleitet werden musste, schadeten dem Ruf der Aktiengesellschaft als Unternehmensform in der deutschen Öffentlichkeit und mithin der erst im Entstehen begriffenen Aktienkultur sehr. Anleger hielten sich auf Jahre hinaus zurück und die Ausgabe von Aktien für andere Unternehmungen wurde dadurch wesentlich erschwert.

Zu den Aktionären der Gesellschaft soll auch Johann Wolfgang von Goethe gehört haben, der am 11. August 1831 in seinem Tagebuch einen „günstigen Bericht“ des Deutsch-Amerikanischen Bergwerksvereins vermerkte.[15][16][17] Seit mehreren Jahren stand er mit der Direktion des Vereins in Verbindung, um geologische und mineralogische Informationen zu erhalten.[18][19][20] Auch erhielt er Gesteinsproben von dort.[21]

  • Otto Schell: Die wirtschaftlichen Beziehungen des Wuppertals zu Mexiko in den 20er Jahren des 19. Jahrhunderts. In: Monatsschrift des Bergischen Geschichtsvereins. 21. Jahrgang, Nr. 7, Elberfeld 1914.
  • Hans Kruse: Deutsche Briefe aus Mexiko, mit einer Geschichte des Deutsch-Amerikanischen Bergwerkvereins. 1824–1838. Ein Beitrag zur Geschichte des Deutschtums im Auslande. Essen 1923 (= Veröffentlichungen des Archivs für Rheinisch-Westfälische Wirtschaftsgeschichte, Band 9).
  • Carl Liesegang: Deutsche Berg- und Hüttenleute in Süd- und Mittelamerika. Beiträge zur Frage des deutschen Einflusses auf die Entwicklung des Bergbaus in Lateinamerika. Hamburg 1949 (= Hamburger Romanistische Studien, Reihe B, Band 19).
  • Wilhelm Pferdekamp: Auf Humboldts Spuren. Deutsche im jungen Mexiko. Max Hueber Verlag, München 1958, S. 92–124.
  • Bruno Heide: Der Deutsch-Amerikanische Bergwerksverein. In: Bergbau, 68. Jahrgang, Heft 5 (Mai 2017), S. 232 f.
  • Uwe Eckardt: Goethe und das Wuppertal – Deutsch-Amerikanischer Bergwerksverein, Carl Feldhoff sowie Amalie und Wilhelm Wortmann. In: Geschichte im Westen, Band 28, Klartext Verlag, Essen 2019.
  • Atotonilco el Chico, 1826, Stich nach einer Zeichnung von Carl de Berghes mit szenischer Darstellung der Landschaft von Atotonilco el Chico (Mineral del Chico) einschließlich eines Amalgamierwerks und einer Schmelzhütte des Deutsch-Amerikanischen Bergwerkvereins (Online Archive of California)

Einzelnachweise

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  1. Alexander von Humboldt: Versuch über den politischen Zustand des Königreichs Neu-Spanien. 5 Bände, Tübingen 1809–1814, hier Band V, Kap. XIV, S. 53
  2. Detlef Vonde: Frühe Geschäfte auf Aktien: Zwei Geschichten, ein Ergebnis, Artikel vom 26. November 2017 im Portal wz.de, abgerufen am 31. Dezember 2022
  3. Rudolf Boch: Das Bergische Land im 19. Jahrhundert (1814–1914). In: Stefan Gorißen, Horst Sassin, Kurt Wesoly: Geschichte des Bergischen Landes. Das 19. und 20. Jahrhundert. Bielefeld 2016, S. 190
  4. Friedens- und Kriegs-Kurier, Ausgabe Nr. 186 vom 5. August 1826 (Google Books)
  5. Ulrich Hebel: Von der Alexanderhöhe nach Mexiko: In: Kirchener Heimatverein, 34, 2018, S. 18 f.
  6. Düsseldorfer Zeitung, Ausgabe vom 2. August 1825 (Digitalisat)
  7. Elisabeth Grube: Friedrich Wilhelm Grube und seine Reise nach China und Indien. Funcke & Müller, Krefeld 1848, S. 17–21 (Digitalisat)
  8. Emil Ohrt: Friedrich Wilhelm Grube’s Reise nach Indien und China 1843 bis 1845. In: Deutsche Gesellschaft für Natur- und Völkerkunde Ostasiens (Hrsg.): Jubiläumsband 1933, S. 83 (PDF)
  9. Jutta Hohenstein: Politische, wirtschaftliche und soziale Verhältnisse in Mexiko im Spiegel deutschsprachiger Publikationen, 1821–1861. In: Jahrbuch für Geschichte Lateinamerikas (JbLA), 18, 1981, S. 191
  10. Deutsch-amerikanischer Bergwerks-Verein, Webseite im Portal hwph.de, abgerufen am 31. Dezember 2022
  11. Louis Constans Berger: Der alte Harkort. Ein Westfälisches Lebens- und Zeitbild. 3. Auflage, Verlag von Julius Baedeker, Leipzig 1895, S. 176 (Google Books)
  12. Joachim Kühn: Das Deutschtum in Mexiko. Ein Bericht des preußischen Ministerresidenten Seiffart. In: Jahrbuch für Geschichte Lateinamerikas (JbLA) 2, 1965, S. 335–371, hier S. 344
  13. Warren Schiff: German Interests in Mexico in the Period of Porfirio Díaz. Dissertation an der University of California, Januar 1957, S. 154 (Google Books)
  14. Hans Kruse: Deutsche Bergleute und Siedler in Mexiko 1820–1850. In: Hermann von Freeden, Georg Smolka (Hrsg.): Auswanderer. Bilder und Skizzen aus der Geschichte der deutschen Auswanderung. Leipzig 1937, S. 77
  15. Goethes Werke. Herausgegeben im Auftrag der Großherzogin Sophie von Sachsen. III. Abteilung: Goethes Tagebücher, Bd. 1–15, Weimar 1887–1919, Band 13, August 1831
  16. Brígida von Mentz de Boege: Noticia sobre alemanes en México durante el triunvirato y la presidencia de Victoria. In: Alvaro Matute (Hrsg.): Estudios de historia moderna y contemporanea de México. Mexiko 1979, S. 67–92, hier S. 77
  17. Klaus Weber: Deutsche Kaufleute im Atlantikhandel 1680–1830. Unternehmen und Familien in Hamburg, Cádiz und Bordeaux. Dissertation Universität Hamburg 2001, C. H. Beck, München 2004, ISBN 3-406-51860-5, S. 305 (Google Books)
  18. Wolfgang Springmann: Das bergische Land und sein religiöses Leben im Spiegel einer Goetheschen Kritik über eine Predigtsammlung von Friedrich Wilhelm Krummacher. In: Zeitschrift des Bergischen Geschichtsvereins 61 (1933), S. 127 ff.
  19. Vgl. z. B. Tagebuch vom 3. September 1827 und Brief vom 22. Februar 1830 sowie Goethe-Handbuch 21 (1961), Artikel „Deutsch-amerikanischer Bergwerksverein“. – Erich Trunz (Hrsg.): Goethes Werke, Hamburger Ausgabe in 14 Bänden, Band VIII: Romane und Novellen III. C. H. Beck, München 1981, 15. Auflage (2001), Anmerkungen S. 670 (Google Books)
  20. In einem Brief an den Bonner Mineralogen Jacob Nöggerath, der ihn im Oktober 1828 in Weimar besucht hatte, schrieb Goethe am 1. Juni 1829: „Diese Tage habe ich durch die gütige Aufmerksamkeit der ansehnlichen amerikanischen General-Bergwerksdirektion in Elberfeld den dritten Bericht erhalten, der mich mit Erstaunen versetzt und mit Bewunderung des dortigen Direktors Herrn Schmidt [gemein ist hier Johann Christian Leberecht Schmidt] erfüllt hat.“ – Zitiert nach: Romanisches Seminar der Universität Hamburg (Hrsg.): Hamburger romanistische Studien: Ibero-Amerikanische Reihe B, 1948, S. 103, Fußnote 104
  21. Karl Ipser: Mit Goethe in Italien 1786–1986. Türmer-Verlag, Berg 1986, ISBN 978-3-87829-091-9, S. 37