Doris Reichmann – Wikipedia

Doris Reichmann um 1929
Doris Reichmann

Doris Reichmann (* 22. Oktober 1891 in Köln; † 17. Oktober 1973 in Hannover) war eine deutsche Gymnastiklehrerin. Sie gründete 1924 in Hannover eine private Schule für die Ausbildung von Gymnastiklehrerinnen, die bis 2015 existierte.

Doris Reichmann studierte in Berlin und Norwegen statische Gymnastik bei Bess Mensendieck und arbeitete als deren Assistentin. 1913 zog sie als diplomierte Mensendieck-Schülerin von Duisburg nach Hannover.[1]

Nachdem sie mehrere Jahre Privatkurse in Gymnastik erteilt hatte, gründete sie schließlich 1924 die Doris Reichmann Mensendiek Schule, Gymnastik und Atmung und bot tänzerische Gymnastik und eine an Mary Wigman orientierte Ballettausbildung an. Vor 1924 unterrichtete sie in der Meterstrasse 45, später in der Eichstraße 10 (Hannover-Oststadt). Sie entwickelte neue und eigene Methoden auf rhythmischem, bewegungsbildendem und tänzerischem Gebiet. Ihr Lehrbuch Gymnastik mit den Kleinsten, erstmals 1930 erschienen, gilt als Standardwerk für die Säuglingsgymnastik. Es wurde 1961 zum achten Mal aufgelegt, 1950 ins Französische (La gymnastique des tout petits) und 1963 ins Japanische (Nyūji no taisō) übersetzt.

In den 1920er Jahren war Doris Reichmann aktives Mitglied der Volksbühne und agierte im politisch links stehenden Umfeld. Im Juni 1933 wurde sie mit dem Brief einer Frau Daube denunziert. Ihr wurden unter anderem „weibliche Geliebte, eine frühere Zugehörigkeit zur KPD und eine unlautere Parteimitgliedschaft bei der NSDAP zur Last gelegt“. Unterstellt wurden Doris Reichmann auch innige Kontakte zu Ada Lessing. Denunziationen zum Beispiel aufgrund von Geschäftskonkurrenz waren in der NS-Zeit nicht unüblich.[2]

1936 trat Reichmann als Mitglied in den Reichsverband Deutscher Turn-, Sport- und Gymnastiklehrer e.V. im NS-Lehrerbund ein. Ihre Schule wurde so zu einem Angebot des 1938 gegründeten BDM-Werks Glaube und Schönheit. Eine Schülerin, welche die 1937 aufgelöste Lichtwarkschule besucht hatte, war 1940 für ein knappes Jahr in der Reichmann-Schule. Sie erinnert sich, dass Doris Reichmann eine emanzipierte Frau gewesen sei: „Sie leitete schon seit vielen Jahre die Schule, und die war nicht klein. Sie war eine sehr energische selbständige Dame, die zwar die Organisation des BDM-Werks benutzte, aber ganz ihr eigenes Konzept verfolgte.“ Es sei kein Wort politisch gesprochen worden. „Die Schule war was für Leute, die so wie wir dachten, aber das waren wenige.“[3]

Turnhalle in der Maschstraße

Nach der Zerstörung des Gebäudes der Reichmann-Schule 1944 zog Doris Reichmann in die Hammersteinstraße 3 in List. Zusammen mit Tilla Grabbe kümmerte sie sich bis Anfang der 1970er Jahre um die Verwaltung und den theoretischen Unterricht. Nach dem Tod Doris Reichmanns 1973 übernahmen Margret Gerdes-Ahrens, Jutta Welge und Susanna Witte die Schule.[4] Bis 2015 führte Jutta Welge die Schule allein weiter. Die Doris-Reichmann-Schule war bis 2015 eine staatlich anerkannte Berufsfachschule für Gymnastik und Tanz und befand sich in dem denkmalgeschützten Gebäude des Turn-Klubb zu Hannover in der Maschstraße 16. Bekannte Schülerinnen waren beispielsweise Gudrun-Axeli Knapp und Magdalena Ritter.

  • Spiele der Harmonie in Herrenhausen, Niedersächsische Tageszeitung Nr. 139, 17. Juni 1939
  • BDM-Werk „Glaube und Schönheit“ in Göttingen, Hannoverscher Anzeiger, 26. Oktober 1940
  • Anmutige Reigen, Hannoverscher Kurier, 7. Februar 1949
  • Traumbild auf dem Maschsee, Norddeutsche Zeitung. Hannover 23. Juli 1951
  • Getanzte Serenade, Hannoversche Presse. 14. August 1951.
  • Ehrengäste, Mädchen, Kameras, Ruhrnachrichten, 20. Februar 1967.
  • Selbst im Ausland schätzt man die Reichmannschule, Neue Hannoversche Zeitung, 22. Oktober 1971
  • Ihr Herz gehörte der Gymnastik mit Kindern, Nachruf auf Doris Reichmann, Neue Hannoversche Zeitung, 25. Oktober 1973
  • Reichmann-Schule feiert Jubiläum, Hannoversche Allgemeine, 9. Februar 1999.
  • 1930 drehten sich Mädchen im Reigen – Sie ist die letzte ihrer Art: Die Doris-Reichmann-Schule, Hannoversche Allgemeine, 8. Februar 1999
Commons: Doris Reichmann – Sammlung von Bildern

Einzelnachweise

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  1. Ihr Herz gehörte der Gymnastik mit Kindern, Nachruf auf Doris Reichmann, Neue Hannoversche Zeitung, 25. Oktober 1973
  2. Kirsten Plötz: „Ihre perversen Neigungen restlos bloß zu stellen.“ Die politische und sexuelle Denunziation einer Nationalsozialistin 1933, in: Invertito/Jahrbuch für die Geschichte der Homosexualitäten, 4/2002, S. 92–110. Primärquelle: Stadtarchiv Hannover: Schreiben Frau Daube vom 9. Juni 1933 an nicht benannter Adressaten. NHStAH: Hann 310 I C 31,Bl.42
  3. Sabine Hering, Kurt Schilde: Das BDM-Werk ‚Glaube und Schönheit‘. Die Organisation junger Frauen im Nationalsozialismus, Metropol Verlag, Berlin 2000, ISBN 978-3-932482-37-3, S. 168
  4. 1930 drehten sich Mädchen im Reigen – Sie ist die letzte ihrer Art: Die Doris-Reichmann-Schule, Hannoversche Allgemeine, 8. Februar 1999
  5. Gero Gandert (Hrsg.): Der Film in der Weimarer Republik 1929. Ein Handbuch der zeitgenössischen Kritik, de Gruyter, Berlin/New York 1993, ISBN 978-3-11-011183-5, S. 763