Dysphagie – Wikipedia

Klassifikation nach ICD-10
R13 Dysphagie
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ICD-10 online (WHO-Version 2019)

Eine Dysphagie oder Schluckstörung tritt auf, wenn eine der am Schluckakt beteiligten Strukturen in ihrer Funktion bzw. deren Zusammenwirken beeinträchtigt ist. Somit können alle Erkrankungen und Leiden im Bereich der Mundhöhle und ihrer Begrenzungen, des Rachens, der Speiseröhre und des Mageneingangs, daneben vor allem auch neurologische Probleme sowie psychische Störungen eine ursächliche Rolle spielen. Die Dysphagie kann mit oder ohne Schmerzen einhergehen. Der schmerzhafte Schluckakt wird auch als Odynophagie bezeichnet.[1]

Da Schluckstörungen erhebliche Beeinträchtigungen des körperlichen, psychischen und sozialen Wohlbefindens nach sich ziehen, bedürfen sie immer einer Abklärung.

Mögliche Symptome einer Schluckstörung sind

  • ein Druck- oder Kloßgefühl im Hals,
  • Würgreflex während des Schluckakts,
  • ein Hochwürgen von bereits geschluckter Nahrung (v. a. bei Ösophagusdivertikeln (Ausbuchtungen der Speiseröhre)),
  • Husten während der Mahlzeit als Ausdruck einer Penetration (Eindringen von Nahrung bzw. Flüssigkeiten in die oberen Atemwege vor dem Schlucken) oder Aspiration (des Übertritts von Nahrung bzw. Flüssigkeiten in die unteren Atemwege),
  • Hypersalivation,
  • im Extremfall eine generelle Unfähigkeit zur Nahrungsaufnahme.

Als Begleitsymptome können eine näselnde Sprache (besonders bei der Schlucklähmung) sowie Heiserkeit auftreten.

Folgeerscheinungen können akute und wiederkehrende Lungenentzündungen sowie Fieber sein.

45 % der über 75-Jährigen leiden an Schluckbeschwerden, wobei sich neurologische, psychiatrische und allgemeine chronische Erkrankungen aufgrund der im Alter oftmals bestehenden Multimorbidität in der Regel gegenseitig negativ beeinflussen.

Hervorzuheben ist, dass sich nicht alle Patienten mit einer Schluckstörung dieser auch bewusst sind.

Es gibt vielfältige Gründe für eine Schluckstörung, wobei eine psychische Ursache umso eher angenommen werden kann, je jünger der Patient ist und je wechselnder die Beschwerden sind. Zwar kann schon das Auftreten des Patienten Hinweise auf eine psychische Genese der Probleme geben, prinzipiell ist jedoch jede Schluckstörung sorgfältig abzuklären.

Körperliche Ursachen

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Verletzungen und Tumoren der Mundhöhle, des Rachens und der Speiseröhre, Störungen der motorischen Innervation der am Schluckvorgang beteiligten Muskeln.

Mundhöhle und Rachen

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Neurologische Erkrankungen

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Hier spricht man in Fachkreisen (Ernährungsmedizin, Rehabilitationsmedizin) vom Stufenkonzept der neurogenen oropharyngealen Dysphagie (NOD) mit Einteilung in vier Schweregrade.[2] Die Graduierung steigert sich von NOD-Grad 0 (= keine Dysphagie, also Normalkost) über NOD-Grad 1 (= leichte Dysphagie) und NOD-Grad 2 (= mittelschwere Dysphagie mit angedickter Flüssigkeit und passierter Kost) bis NOD-Grad 4 (= massive Dysphagie mit 100 % intravenöser Sondenkost).

Psychische Ursachen

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Der ungestörte Schluckvorgang ermöglicht die lebenserhaltende Flüssigkeits- und Nahrungsaufnahme, aber auch das Erleben von Genuss und Wohlbefinden. Somit kann eine Störung des Schluckakts unter Umständen selbst auf Störungen der psychischen Befindlichkeit hinweisen – nachdem körperliche Ursachen ausgeschlossen wurden.

Siehe auch: Globussyndrom.
  • Beobachtung des Schluckakts (Beweglichkeit des Kehlkopfes bzw. Adamsapfels)
  • Überprüfung des Würgreflexes, der Zungenfunktion und aller anderen am Schluckakt beteiligten Muskeln durch Phoniater, Neurologen und/oder Logopäden, Sprachheilpädagogen, Klinische Linguisten, Ergotherapeuten
  • Beurteilung des Schweregrades der Schluckstörung mittels klinischem Screening (z. B. "Daniels-Test" [Daniels et al., 1998][3]). Klinische Anzeichen erlauben eine Vorhersage über den Schweregrad einer Dysphagie sowie das Aspirationsrisiko:
    • abnormaler willkürlicher Husten
    • abnormaler Würgreflex
    • Dysarthrie
    • Dysphonie
    • Husten nach dem Trinken von vorbestimmten Wassermengen
    • Veränderung des Stimmklangs nach einem Wasserschluck.

Eine klinische Überprüfung der Schluckfunktion enthält zudem folgende Parameter:

Jeder Schluckakt birgt dabei die Gefahr, sich an Nahrung und Flüssigkeit (auch am eigenen Speichel) zu "verschlucken" und diese letztlich in tiefere Lungenanteile zu aspirieren. Demzufolge kann sich eine Aspirationspneumonie entwickeln, die bei Schlaganfallpatienten z. B. für 20 % der Todesfälle im ersten Erkrankungsjahr verantwortlich ist.

Da im Alter auch das Geschmacks- und Geruchsempfinden beeinträchtigt sind und der Appetit aus meist unbekannten Gründen abhandengekommen ist, kann eine auch geringfügige Schluckstörung letztlich zur vollständigen Nahrungsverweigerung mit allen Folgeproblemen wie Gewichtsabnahme, Exsikkose und weiterer Reduktion des Allgemeinzustands führen.

Die Behandlung richtet sich nach den Ergebnissen der körperlichen oder psychosomatischen Untersuchungen. Eine nasogastrale Sonde oder eine PEG (Sonde mit perkutaner endoskopischer Gastrostomie) kann indiziert sein, wenn eine orale Ernährung nicht möglich ist und der Patient mittels Magensonde ernährt werden muss.

Es gibt in jeder Schluckphase (präoral, oral, pharyngeal und ösophageal) therapeutische Interventionsmöglichkeiten durch die Sprach- und Schlucktherapie. Ziele sind zunächst die Wiederherstellung der intraoralen Sensibilität und der Aufbau der Schutzreflexe (Würgreflex, Hustenreflex, Schluckreflex). Das Spektrum reicht von motorischen Übungen einzelner Muskelpartien, Massagen, thermischer Stimulation über Veränderungen der Körperhaltung beim Essen (z. B. durch Änderung der Kopfposition) bis zu Veränderungen der Nahrungskonsistenzen (z. B. dem Pürieren der Speisen oder Andicken von Flüssigkeiten). Evidenzbasiert sind die sogenannten Schluckmanöver (z. B. Mendelsohn-Manöver oder Supraglottisches Schlucken), die einen verbesserten Schutz der Atemwege beim Schlucken ermöglichen und somit ein Aspirieren von Nahrung verhindern können.

Dysphagie leitet sich von der altgriechischen Vorsilbe δυς- (die etwas Unglückliches bzw. Widriges bezeichnet, entsprechend im Deutschen dem Präfix ‚miss-‘ bzw. ‚un-‘) sowie dem Verb φαγεῖν phagein ‚essen‘ ab.[5] Wörtlich bedeutet Dysphagie also eine Störung beim Essen. Bei Odynophagie lässt sich der erste Wortbestandteil auf ὀδύνη odýnē ‚Schmerz‘ zurückführen.

  • S1-Leitlinie Neurogene Dysphagien der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN). In: AWMF online (Stand 29.02.2020)
  • G. Bartolome, H. Schröter-Morasch: Schluckstörungen - Diagnostik und Rehabilitation. 4. Auflage. Urban & Fischer, München 2010, ISBN 978-3-437-47161-2.
  • Nusser-Müller-Busch: Sprache-Stimme-Gehör 23 (1999) Schwerpunkt Dysphagie. Thieme, Stuttgart
  • M. Prosiegel (Hrsg.) u. a.: Praxisleitfaden Dysphagie – Diagnostik und Therapie von Schluckstörungen. Verlag Hygieneplan, 2002.
  • J. A. Logemann: Evaluation and Treatment of Swallowing Disorders. Pro-ed Verlag, 1998.
  • R. Nusser-Müller-Busch: Die Therapie des Facio-Oralen Traktes. – F.O.T.T. nach K. Coombes. Springer. 2007 2. Aufl.
  • W. Herbst: Neurogene Dysphagien und ihre Therapie bei Patienten mit Trachealkanüle. Schulz-Kirchner Verlag. Idstein 2002.
  • C. Graz, D. Woite: Die Therapie des fazio-oralen Traktes bei neurologischen Patienten. Schulz-Kirchner-Verlag, 2000.
  • C. M. Morales: Die orofaziale Regulationstherapie. Pflaum Physiotherapie, 1998.
  • D. Steube, M. Hermes: Neurogene Dysphagie; Diagnose, Klinisches Management und Nachsorge. Wissenschaftlicher Verlagsabteilung ABBOTT GmbH, 1999.
  • Friedel Schalch: Schluckstörungen und Gesichtslähmungen – Therapeutische Hilfen. Fischer, Stuttgart 1992, ISBN 3-437-46470-1.
  • S. Stanschus (Hrsg.): Methoden in der Klinischen Dysphagiologie. Schulz-Kirchner-Verlag 2002.
  • G. Kolb (Hrsg.): Dysphagie; Kompendium für Ärzte und Sprachtherapeuten in Klinik. Rehabilitation und Geriatrie, Medizin und Wissen 2000.
  • H. Behrbohm, O. Kasche, T. Nawka: Endoskopische Diagnostik und Therapie in der HNO. Gustav Fischer 1997.
  • P. A. Sullivan, A. M. Guliford: Swallowing Intervention in Onkology. Singular Publishing Group, 1999.
  • J. C. Arvedson, L. Brodsky: Pediatric Swallowing and Feeding – Assessment and Management. Singular Verlag. Early childhood Intervention Series. 2002.
Commons: Dysphagie – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

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  1. Hoffmann-La Roche AG, Urban & Schwarzenberg (Hrsg.): Roche Lexikon Medizin. 5. Auflage. Urban & Schwarzenberg 2003, Online-Ausgabe, Stichwörter: „Dysphagie“ und „Odynophygie“
  2. Guntram W. Ickenstein et al.: Standardisation of diagnostic and therapeutic procedures for neurogenic oropharyngeal dysphagia (NOD), in: Neurol. & Rehabil. 2009; 15 (5): S. 290 – 300.
  3. Daniels, S. K.: Aspiration in patients with acute stroke. In: Arch Phys Med Rehabil. Nr. 79(1), 14-19., 1998.
  4. A. Olthoff, S. Zhang, F. Frahm: Hochgeschwindigkeits-Magnetresonanztomographie zur dynamischen Darstellung des normalen Schluckaktes. In: Aktuelle phoniatrisch-pädaudiologische Aspekte. 2011;19, S. 44–47.
  5. Wilhelm Gemoll: Griechisch-Deutsches Schul- und Handwörterbuch. G. Freytag Verlag / Hölder-Pichler-Tempsky, München / Wien 1965.