Entwicklungsökonomie – Wikipedia

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Entwicklungsökonomie oder Entwicklungsökonomik bezeichnet jenen Teil der Volkswirtschaftslehre, der sich mit Entwicklungsunterschieden einzelner Volkswirtschaften beschäftigt. Das Hauptaugenmerk liegt dabei auf Entwicklungsländern, wirtschaftlichen Gründen für ihre Unterentwicklung (Entwicklungstheorie) und Empfehlungen für eine Entwicklungspolitik.

Die heutige Definition von Entwicklung rückt i. d. R. von reinen wirtschaftlichen Kennzahlen (wie bspw. Volkseinkommen, Wachstum, Verteilung) ab und berücksichtigt auch sozio-ökonomische Faktoren, wie Analphabetenquote, Kindersterblichkeit und Bildungsgrad.

Bei den Ursachen wirtschaftlicher Unterentwicklung wird zwischen endogenen (im Land selbst liegenden) und exogenen (von außen bestimmten) Gründen unterschieden.

Entwicklungsökonomie umfasst sowohl eine makroökonomische als auch eine mikroökonomische Betrachtung. Während sich die makroökonomische Sicht mit langfristigem Wirtschaftswachstum und strukturellen Veränderungen im Wachstumsprozess beschäftigt, behandelt die mikroökonomische Sicht Anreizprobleme auf der Ebene einzelner Haushalte und Unternehmen.

Entwicklungsökonomie beschäftigt sich auch mit institutionellen Fragestellungen, wie der nach den Funktionen der Weltbank und des IWF (Internationaler Währungsfonds). Ein besonderes Thema sind Gescheiterte Staaten (failed states), die Ursachen für deren Scheitern und Ansätze zur Überwindung dieser Situation.

Elemente der Entwicklungsökonomik

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Wichtige Vertreter

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Wichtige Vertreter, geordnet nach dem Erscheinungsjahr ihres wichtigsten Beitrages zur Entwicklungsökonomie, sind:

  • Paul Rosenstein-Rodan (1902–1985): Seine Studie Problems of the Industrialisation of Eastern and South-Eastern Europe von 1943 war nach Ansicht des Entwicklungsökonomen Hans-Heinrich Bass das „wohl erste Werk der Subdisziplin der Entwicklungsökonomie überhaupt“.[1] Rosenstein-Rodan vertrat die These, dass die unkoordinierten privaten Sektoren durch die Aufgabe der Stimulierung des Wachstums überfordert sei. Die notwendige Komplementarität der Entwicklung von Industrien und die Möglichkeit von Skalenerträgen eine Entwicklungsstrategie erfordere eine staatsinduzierte, großangelegte Industrialisierung (big push in Rosenstein-Rodans Diktion von 1957) erforderten, verbunden mit langfristig orientierter staatlicher Planung. Rosenstein-Rodan war daher auch ein Vertreter der entwicklungsökonomischen Strategie des gleichgewichtigen Wachstums (Balanced Growth).
  • Raúl Prebisch (1901–1986): Die von dem Argentinier Prebisch in den Jahren 1949 (spanisch) und 1950 (englisch) veröffentlichte Schrift The Economic Development of Latin America and its Principal Problems (sowie Hans Singers für die UN verfasste Schrift Postwar Price Relation Between Underdeveloped and Industrialized Countries, 1949) argumentierte, dass es im Welthandel zu einer säkularen Verschlechterung der Terms of Trade der Entwicklungsländer komme (Prebisch-Singer-These).
  • Ragnar Nurkse (1907–1959): Seine Schrift Problems of Capital Formation in Underdeveloped Countries von 1953 stellte das Konzept des Teufelskreises der Armut als Ursache wirtschaftlicher Rückständigkeit in den Mittelpunkt der Analyse. Zur Überwindung der strukturellen Armut argumentierte Nurkse ebenfalls für die Konzepte der Big-Push Industrialisierung und des gleichgewichtigen Wachstums (Balanced Growth).[2]
  • Sir William Arthur Lewis (1915–1991): Der Brite beschrieb in einem 1954 erschienenen Artikel, Economic Development with Unlimited Supplies of Labour modellhaft eine duale Wirtschaft.[3] Er verwies auf die Dualität des Marktes in Entwicklungsländern zwischen einem traditionellen Agrarsektor und einem modernen Industriesektor (Lewis-Modell). Lewis erhielt den Alfred-Nobel-Gedächtnispreis für Wirtschaftswissenschaften.
  • Walt Whitman Rostow (1916–2003): Der US-amerikanische Ökonom lieferte mit dem Buch The Stages of Economic Growth: A Noncommunist Manifesto von 1960 einen Beitrag zur Modernisierungstheorie.

Zeitgenössische Vertreter der Entwicklungsökonomie sind (in alphabetischer Reihenfolge):

Als frühester Vorläufer der Entwicklungsökonomie kann der Merkantilismus des 17. Jahrhunderts angesehen werden, der Wachstum und nationalen Wohlstand mit der Steigerung des Außenhandelsüberschusses verknüpft, welcher durch Protektionismus gefördert werden sollte. Allerdings wurden hier die Kolonien nur als Rohstoffquellen und Absatzmärkte für Fertigwaren des Mutterlandes betrachtet. Alexander Hamilton kritisierte als erster den Protektionismus als Entwicklungshemmnis jeglicher Industrialisierung. In der Folge galt für den Mainstream der Ökonomen der Freihandel als Garant der Entwicklung. Als Vorläufer der Entwicklungsökonomie im engeren Sinne kann Colin Clark angesehen werden, der vorschlug, das Volkseinkommen als Indikator und Basis für internationale Vergleiche zu nutzen. Er entwickelte das Konzept des Wirtschaftswachstums, gemessen an der Wachstumsrate des Volkseinkommens.[5] Das Problem der Entwicklung schwach entwickelter Länder und Regionen trat erst nach 1945 in den Fokus der Ökonomie.[6]

  • Isabel Günther, Kenneth Harttgen, Katharina Michaelowa: Einführung in die Entwicklungsökonomik. (= utb; 5120) UVK Verlag, München [2021], ISBN 978-3-8252-5120-8.
  • Alain de Janvry, Elisabeth Sadoulet: Development Economics: Theory and practice. Routledge, 2015.
  • Michael Todaro, Stephen C Smith: Economic Development. The Pearson Series in Economics, 2014 (Testbook).
  • Vandana Desai, Robert B. Potter (Hrsg.): The Companion to Development Studies. 3. Auflage, Routledge, 2014.
  • Rainer Durth, Heiko Körner, Katharina Michaelowa: Neue Entwicklungsökonomik. (= utb; 2306) Lucius & Lucius, Stuttgart 2002, ISBN 3-8252-2306-X.
  • Hendrik Hansen: Politik und wirtschaftlicher Wettbewerb in der Globalisierung: Kritik der Paradigmendiskussion in der Internationalen politischen Ökonomie. VS Verlag, Wiesbaden 2008, ISBN 978-3-531-15722-1.
  • Hans-Rimbert Hemmer: Wirtschaftsprobleme der Entwicklungsländer. 3., neubearb. und erw. Aufl., Vahlen, München 2002, ISBN 3-8006-2836-8.
  • Nicolaus von der Goltz, Alexander Brand: Herausforderung Entwicklung. LIT, Münster 2004, ISBN 3-8258-7782-5.
  • Amartya Sen: Ökonomie für den Menschen. dtv, München 2002, ISBN 3-423-36264-2.

Einzelnachweise

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  1. Hans-Heinrich Bass: Rosenstein-Rodan, Paul N.: The Role of Time in Economic Theory. In: Dietmar Herz, Veronika Weinberger (Hrsg.): Lexikon ökonomischer Werke. 650 wegweisende Schriften von der Antike bis ins 20. Jahrhundert. Schäffer-Poeschel Verlag, Stuttgart 2006, ISBN 3-87881-158-6, S. 435.
  2. Hans-Heinrich Bass: Entwicklungstheorie. Wer ist wer? – Ragnar Nurkse (1907–1959): Balanced Growth und die Rolle der Kapitalbildung im Entwicklungsprozess. In: Entwicklungspolitik, Information Nord-Süd. 2–3/2007, S. 58–60.
  3. Hans-Heinrich Bass: Lewis, William Arthur. The Theory of Economic Growth. In: D. Herz, V. Weinberger (Hrsg.): Lexikon ökonomischer Werke. 650 wegweisende Schriften von der Antike bis ins 20. Jahrhundert. Schäffer-Poeschel Verlag, Stuttgart 2006, S. 281–282.
  4. Kaushik Basu: The Retreat of Global Democracy | by Kaushik Basu. 29. April 2002, abgerufen am 25. September 2021 (englisch).
  5. Colin Clark: The Conditions of Economic Progress. London 1940.
  6. H. W. Arndt: Economic Development: A Semantic History. In: Economic Development and Cultural Change, 29(1981)3.