Eugène Merle – Wikipedia

Eugène Merle (1927)

Eugène Merle (* 5. Februar 1884 in Marseille; † 1946 in Paris) war ein französischer Verleger, Tausendsassa und – mit den Worten Ilja Ehrenburgs – „nicht fortzudenkender Teil im Paris der Politiker, Geldleute und Literaten“.[1]

Leben und Wirken

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Der uneheliche Sohn eines Dienstmädchens ernährte sich in Marseille zunächst als Hilfsarbeiter, war schon in früher Jugend Anhänger des militanten Anarchismus und begeisterte sich für Desperados wie Jules Bonnot. Er handelte sich kürzere Gefängnisstrafen ein. In Paris übernahm er Funktionen in der anarchistischen Presse.[2] Später gab er linksorientierte Blätter wie Frou-Frou (Rascheln) oder Le Merle Blanc (Satireblatt Weiße Amsel) heraus. 1923 gründete er das Abendblatt Paris-Soir, das sich in den nächsten 15 Jahren zur auflagenstärksten Tageszeitung Europas mauserte, allerdings ohne Merle. 1933 erlitt er mit dem Versuch einer Wiederbelebung der Weißen Amsel Schiffbruch. Er unterstützte das republikanische Spanien. Seine Tätigkeit während des Zweiten Weltkrieges und der deutschen Besatzung (→Westfeldzug) liegt im Dunklen. Der Schlossherr und Feinschmecker war zweimal verheiratet. Er starb (1946) an Kehlkopfkrebs.

Trotz seiner Spielernatur und der entsprechenden Winkelzüge[3] war Merle ein hilfsbereiter, ja gütiger Mensch, wie Ehrenburg bezeugt. Merle förderte zahlreiche junge Literaten wie Georges Simenon[4], Robert Desnos und Ilja Ehrenburg selber. In seinen Stammlokalen oder seinem prächtigen Landhaus[5] unweit von Paris gab er Essen und Gesellschaften, bei denen die Genannten „Gott und der Welt“ begegneten.[6] Simenon versichert, angesichts des augenzwinkernden Zynismus der anwesenden Zeitungschefs, Minister und sogar Ministerpräsidenten (wie Édouard Herriot) habe er in Merles Schloss einen zeitlebens unüberwindlichen Ekel vor dem Geschehen auf der politischen Bühne davongetragen.[7]

  • Ilja Ehrenburg: Menschen – Jahre – Leben (Memoiren), München 1962, Sonderausgabe München 1965, Band II 1923–1941, Seite 191–197, ISBN 3-463-00512-3 (Portrait)
  • Laurent Martin: De l’anarchisme à l’affairisme. Les deux vies d’Eugène Merle, homme de presse (1884–1946). In: Revue historique, Bd. 612 (1999), S. 789–808, ISSN 0035-3264
  • Laurent Martin: La presse écrite en France au XXe siècle. Quotidiens et périodiques de la Belle Époque à nos jours. Le livre de poche, Paris 2005, ISBN 2-253-11541-X, S. 77.

Einzelnachweise

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  1. Ehrenburg München 1965 Seite 191
  2. Ausführliche Auskunft über diese Phase hier, abgerufen am 25. April 2011
  3. „Der Erpresser wurde gemacht, um den Bankier auf dem Weg der Tugend zu halten“, soll Merle einmal bemerkt haben – laut Silvia Valentin, abgerufen am 25. April 2011, die sich mit der Bestechlichkeit der französischen Presse um 1900 befasst
  4. Ehrenburg erwähnt u. a. die Geschichte, wonach Simenon im Verlagsgebäude in einem gläsernen Käfig hockend einen Fortsetzungsroman für Merles kurzzeitiges Blatt Paris Matinal verfasst habe (Seite 192). Dem Wikipedia-Artikel über Simenon zufolge ist sie eine Ente
  5. Château d' Avrainville, abgerufen am 25. April 2011
  6. Ehrenburg Seite 193
  7. Laut Trussel, abgerufen am 25. April 2011