Führerstand – Wikipedia
Der Führerstand oder Führerraum eines Schienenfahrzeugs bezeichnet den Bereich, der für den Fahrzeugführer vorgesehen ist. In diesem Raum befinden sich die Bedienelemente, die für den Betrieb des Fahrzeugs erforderlich sind. Wenn das Personal seinen Dienst sitzend verrichtet, sind die Bedienelemente auf dem Führertisch angeordnet, der auch als Führerpult[1] oder Fahrpult[2] bezeichnet wird.
Bei modernen Lokomotiven und Triebwagen befinden sich die Führerstände bei Zweirichtungsfahrzeugen jeweils an den beiden Fahrzeugenden im Führerraum.[3] Bei Einrichtungsfahrzeugen ist in der Regel nur an einem Ende ein vollausgerüsteter Führerstand vorhanden, während das andere Ende häufig über einen Hilfsführerstand verfügt, der mit den für Rangierfahrten notwendigen Bedienelementen ausgerüstet ist. In Triebwagen ist dieser Hilfsführerstand oft im Fahrgastraum unter einer Abdeckung platziert, die ihn vor unbefugtem Zugriffe schützt.
Bei Dampflokomotiven und Rangierlokomotiven ist der Führerstand im Führerhaus[1] untergebracht. Bei Dampflokomotiven befindet sich das Führerhaus fast immer hinter dem Kessel, während es bei Rangierlokomotiven oft in der Mitte der Aufbauten angeordnet ist.
Geschichte
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]In der Frühzeit der Eisenbahn mussten die Lokpersonale ihre Arbeit völlig ungeschützt im Freien verrichten. Um die Besatzung vor Wetter zu schützen, wurde der Führerstand von Lokomotiven vor allem mit höherer Fahrgeschwindigkeit zunehmend mit einem Dach und Schutzwänden ausgestattet, wie es an dem dokumentierten Umbau etwa der amerikanischen Lokomotive John Bull ersichtlich ist. Dort stattete die Bahngesellschaft den angehängten Tender mit einer Kabine aus und zog deren Dach bis über den Führerstand vor. Bei den schnellfahrenden Crampton-Lokomotiven um 1850 in Europa wurde immerhin schon ein dürftiger Windschirm vor den Führerstand gesetzt.
In Deutschland führte der sächsische Eisenbahndirektor und Schriftsteller Max Maria von Weber den geschlossenen Führerstand ein. Bis 1950 war man in den Eisenbahndirektionen der deutschsprachigen Länder jedoch noch der Ansicht, dass eine stehende Arbeitshaltung unerlässlich sei, um die Aufmerksamkeit zu erhöhen. Etwa seit den 1920er Jahren wurden die Führerstände im deutschsprachigen Raum mit spartanischen Sitzmöglichkeiten versehen, die jedoch anfangs nur für die Nutzung in Pausen vorgesehen waren. Häufige Berufskrankheiten waren daher neben Rheuma bei den Dampflokführern, die sich zur besseren Sicht aus dem Fenster lehnen mussten, auch abgenutzte Kniegelenke bei den Ellokführern. Das änderte sich – bis auf wenige Ausnahmen – erst mit dem Bau der deutschen Schnelltriebwagen und der Elektrolokomotiven der Baureihe E 18, die erstmals auf das Fahren im Sitzen eingerichtet waren. Inzwischen war es möglich, die Aufmerksamkeit des Lokführers auf technischem Wege über die Sicherheitsfahrschaltung zu unterstützen. Im Gegensatz dazu waren die Führerstände von nordamerikanischen Dampflokomotiven vielfach schon vor 1900 auf sitzende Bedienung durch den Lokführer ausgelegt.
Führerstände von Straßenbahn-Triebwagen sind – im Gegensatz zu früher – heute häufig vom Fahrgastraum abgetrennt, um dem Fahrzeugführer ungeteilte Aufmerksamkeit für seine Tätigkeit zu ermöglichen; jedoch hat der Fahrgast zumeist dennoch Blick auf die Strecke. Bei Trieb- und Steuerwagen von U-, S- und Vollbahnen war bis vor wenigen Jahren der Führerstand völlig vom Fahrgastraum getrennt. Erst seit kurzem ist es üblich, den interessierten Fahrgast an der Streckenbeobachtung teilhaben zu lassen; Beispiele sind die InterCity-Steuerwagen sowie ICE-3-Züge der Deutschen Bahn. Bei letzteren kann die Glastrennwand hinter dem Führerstand elektrisch undurchsichtig geschaltet werden, um in bestimmten Situationen den Durchblick zu verhindern (ICE-Lounge).
Bei der 1896 eröffneten ersten Budapester U-Bahn-Linie mit ihrem ungewöhnlich kleinen Lichtraumprofil wurden die Führerstände direkt über den Drehgestellen positioniert. Dadurch war der Arbeitsplatz des Fahrers aber so niedrig, so dass er dort nicht aufrecht stehen konnte.[4] Aufgrund des gleichfalls sehr geringen Seitenabstands zur Tunnelwand konnte der Führerstand zudem nur durch ein Frontfenster betreten und verlassen werden.[5]
Galerie
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Führerstand A des O-Wagens 111 der Straßenbahn Frankfurt am Main (DUEWAG 1969), typisch für Straßenbahntriebwagen ist das mitgeführte Weichenstelleisen
- Führerstand der Ge 2/4 222 (Baujahr 1913) der Rhätischen Bahn in der Schweiz
- Führerstand der Elektrolokomotive RA 362 der Veltlinbahn, 1904
- Budapester U-Bahn-Wagen von 1896 mit ungewöhnlich niedrigem Führerstand
Verwandte Themen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Die Deutsche Bundesbahn standardisierte den so genannten DB-Einheitsführerstand.
- Als Weiterentwicklung davon gilt der in Europa gebräuchliche European Driver’s Desk (EUDD).
- Für Ausbildungszwecke werden Führerstände nachgebaut und mit großen Bildschirmen für Zugsimulationen ausgestattet.
- Bedienelemente einer Dampflokomotive
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Werner Geier: Der Führerraum von modernen elektrischen Lokomotiven. In: Eisenbahn-Revue International, Heft 12/2002, ISSN 1421-2811, S. 550–555.
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ a b Lexikon der Lokomotive: Geschichte und Technik. Transpress Verl.-Ges, Berlin 1992, ISBN 978-3-344-70736-1, S. 208.
- ↑ Lexikon der Lokomotive: Geschichte und Technik. Transpress Verl.-Ges, Berlin 1992, ISBN 978-3-344-70736-1, S. 184.
- ↑ Oliver Kemmann: Brandschutz in Schienenfahrzeugen: Sicherheit im öffentlichen Personenverkehr. Beuth Verlag, 2015, ISBN 978-3-410-25833-9, S. 32 (google.ch [abgerufen am 18. Januar 2025]).
- ↑ Csaba Domonkos: The first new train of the Millennium Underground was unveiled 50 years ago, Artikel vom 13. Dezember 2021 auf pestbuda.hu, abgerufen am 7. Dezember 2022
- ↑ Das Hannoversche Straßenbahnmuseum (HSM): Budapester U-Bahn-Wagen auf fredriks.de, abgerufen am 13. November 2022