Fernfliegerkräfte – Wikipedia

Sowjetischer Fernbomber Petljakow Pe-8, von dem lediglich 93 Stück gebaut wurden
Sowjetischer Bomber Tupolew Tu-95 eskortiert von einer amerikanischen F-14 Tomcat (1983)
Russische Tu-95 hinter Tankflugzeug Il-78 (2009)
Bomber Tupolew Tu-160 mit Schwenkflügeln (2013)
Tu-95 und im Hintergrund Tu-160 (2009)

Die Fernfliegerkräfte (russisch Дальняя авиация, Dalnjaja awiazija, kurz DA, international LRA; „long range aviation fleet“) waren Bestandteil der Luftstreitkräfte der Sowjetunion und sind seit deren Auflösung im Bestand der russischen Luftstreitkräfte. Die Fernflieger sind mit strategischen Bombern ausgerüstet.

Zu Beginn des deutschen Überfalls auf die Sowjetunion verfügten die Fernfliegerkräfte über 1.346 Flugzeuge, davon 86 % Iljuschin DB-3 und 14 % Tupolew TB-3. Organisiert waren sie in 4 Fernfliegerkorps, bestehend aus 9 Divisionen welche 29 Regimenter umfassten.[1]

Die am 26. Januar 1940 eingeführte Dienstvorschrift über die Bombenfliegerkräfte bestimmte als Hauptaufgabe der Fernfliegerkräfte „die militärisch-ökonomische Macht des Gegners zu untergraben“. Als vorrangige Ziele galten zentrale Objekte der Kriegswirtschaft, Energie- und Rohstoffbasen, das Transportsystem sowie Versorgungszentren. Diese Konzeption konnte jedoch 1941 hauptsächlich durch das Fehlen eines modernen in Serie hergestellten Fernbombers nur zu einem sehr geringen Teil erfüllt werden.[2]

In den ersten 18 Tagen des Krieges flogen die sowjetischen Fernflieger stattdessen, mit 2.112 Einsätzen, 95 % ihrer Einsätze gegen Panzer und motorisierte Kolonnen und den Rest auf Ziele 100 bis 150 Kilometer im deutschen Hinterland. Die Angriffe führten zu schweren Verlusten, so dass am 3. Juli 1941 das sowjetische Oberkommando den Einsatz noch bei Nacht und in großen Höhen erlaubte. Am 10. Juli wurden sie den Frontfliegerkräften zugeordnet und wirkten entgegen ihrer ursprünglichen Bestimmung nur noch als Fernartillerie der sowjetischen Streitkräfte.[3]

Ab 14. Juli erfolgten Angriffe auf das Erdölgebiet Ploiești, welche ab 1. August 1941 auch mit Sweno-Gespannen geflogen wurden.

Am 5. März 1942 wurden sie als Awiazija dalnjewo deistwija (Авиация дальнего действия), kurz ADD, neu organisiert. Ab Dezember 1944 operierten sie als 18. Luftarmee (18-я воздушная армия), bis sie 1946 ihre endgültige Bezeichnung erhielten.[4]

Vom 30. Mai 1942 bis 9. Juni 1942 wurden entlang der ganzen Front massierte Einsätze gegen 50 deutsche Flugplätze geflogen.[5]

Im August/September 1942 flogen die Fernfliegerkräfte Luftangriffe auf Berlin um der Goebbelspropaganda entgegenzuwirken, der Krieg im Osten sei nahezu beendet, und zur Stärkung der Moral der eigenen Bevölkerung.[6]

Am 30. April 1943 wurden sie in 8 Fernfliegerkorps mit 11 selbständigen Fernfliegerdivisionen umgegliedert. Diese verfügten über 700 Bomber der Typen Iljuschin Il-4, Petljakow Pe-2, Tupolew Tu-2 und Petljakow Pe-8.[7]

Im Vorfeld der Schlacht um Kursk wurden ab März 1943 10.000 Einsätze gegen Eisenbahnknotenpunkte geflogen.[8] Bei diesen nächtlichen Einsätzen wurden die mit recht primitiven Navigationsgeräten ausgerüsteten Bomber oft durch Leuchtfeuer von sowjetischen Partisanen gelenkt.[9]

1944 erfolgten erstmals 2 geschlossene und selbstständige Operationen der Fernfliegerkräfte. Im Februar wurde Helsinki und im September Budapest bombardiert, um den Kriegsaustritt dieser Länder zu beschleunigen.[10]

Insgesamt wurden 7.000 Einsätze zur Versorgung von Partisanen geflogen (inklusive der Unterstützung der Volksbefreiungsarmee unter Josip Broz Tito und des Slowakischen Nationalaufstands).[11]

Im gesamten Krieg erfolgten lediglich 3,1 % aller Einsätze gegen das Hinterland Deutschlands. Dabei wurden in 7158 Einsätzen 6700 Tonnen abgeworfen.[12]

Die schwerste von der Sowjetunion im Zweiten Weltkrieg eingesetzte Bombe war die FAB-5000.

Kommandeur ist seit 2016 Generalleutnant Sergei Kobylasch.[13] Im März 2024 veröffentlichte der Internationale Strafgerichtshof einen Haftbefehl gegen Sergei Kobylasch wegen Kriegsverbrechen in der Ukraine.[14]

Ende 2014 besaßen die Fernfliegerkräfte nach russischen Angaben:[15][16]

Commons: Sowjetische Fernfliegerkräfte – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Commons: Russische Fernfliegerkräfte – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  1. Olaf Groehler: Bombenkrieg gegen Deutschland. Berlin 1990, S. 164.
  2. Groehler: Bombenkrieg gegen Deutschland. S. 163.
  3. Groehler: Bombenkrieg gegen Deutschland. S. 164 f.
  4. Wilfried Kopenhagen: Lexikon Sowjetluftfahrt. Elbe–Dnjepr, Klitzschen 2007, ISBN 978-3-933395-90-0, S. 23
  5. Groehler: Bombenkrieg gegen Deutschland. S. 166.
  6. Groehler: Bombenkrieg gegen Deutschland. S. 166.
  7. Groehler: Bombenkrieg gegen Deutschland. S. 167.
  8. Groehler: Bombenkrieg gegen Deutschland. S. 167.
  9. Christer Bergström: Kursk – The Air Battle: July 1943. Hersham 2007, S. 18.
  10. Groehler: Bombenkrieg gegen Deutschland. S. 169 f.
  11. Raymond L. Garthoff: Die Sowjetarmee. Wesen und Lehre. Köln 1955. S. 454 f.
  12. Groehler: Bombenkrieg gegen Deutschland. S. 170.
  13. Сергей Кобылаш назначен командующим Дальней авиацией ВКС России. Abgerufen am 19. August 2018 (russisch).
  14. Situation in Ukraine: ICC judges issue arrest warrants against Sergei Ivanovich Kobylash and Viktor Nikolayevich Sokolov. 5. März 2024.
  15. Russische Luftwaffe kauft weitere Langstreckenbomber. In: Rossija Sewodnja
  16. Russian strategic nuclear forces. In: russianforces.org