Flohkrebse – Wikipedia

Flohkrebse

Flohkrebs aus dem Meeresplankton

Systematik
Stamm: Gliederfüßer (Arthropoda)
Unterstamm: Krebstiere (Crustacea)
Klasse: Höhere Krebse (Malacostraca)
Unterklasse: Eumalacostraca
Überordnung: Ranzenkrebse (Peracarida)
Ordnung: Flohkrebse
Wissenschaftlicher Name
Amphipoda
Latreille, 1816

Die Flohkrebse (Amphipoda) sind eine Ordnung der Krebstiere, die zur Klasse der Höheren Krebse (Malacostraca) gehört. Die Ordnung ist in vier Unterordnungen unterteilt. Die kleinen Krebstierchen sind in allen Weltmeeren sowie in Süßgewässern heimisch.

Idealisierter Bauplan der Amphipoden

Der Körper der Flohkrebse ist im Gegensatz zu den nahe verwandten Asseln (Isopoda) seitlich abgeplattet. Er ist in drei Körperabschnitte, die Tagmata, gegliedert. Das erste Tagma stellt der Cephalothorax dar, das Kopf-Brust-Stück, welches eine Verschmelzung des Kopfes (Caput, Cephalon) mit dem ersten Thorakalsegment (1. Thoracomer) darstellt. Das zweite Tagma wird Paereon oder auch Mesosoma genannt und besteht aus weiteren sieben Thoracomeren, an ihnen sitzen die sieben Brustbeinpaare (Thorakopoden, Peraeopoden), wovon die fünf hinteren Paare als Laufbeine ausgebildet sind. Die beiden vorderen Peraeopoden sind als Greifwerkzeuge (Gnathopoden) ausgebildet. Der letzte Körperabschnitt ist das aus sechs Segmenten bestehende Pleon; die an ihm sitzenden Beine dienen als Schwimmbeine (Pleopoden).

Der Name Amphipoda geht auf die gegensätzliche Stellung der Brustbeine (Peraepoden) zurück, von denen die vorderen vier Paar nach vorne und die hinteren drei Paar nach hinten abgewinkelt sind.

Die Kiemen sind bei Krebstieren Teile der Extremitäten: Krebse besitzen sogenannte Spaltfüße, von denen (sehr vereinfacht ausgedrückt) der innere Ast (Endopodit) z. B. als Laufbein fungieren kann, Teile des äußeren (Exopodit) z. B. als Atmungsorgan (Kieme) dienen kann. Bei Flohkrebsen sind die Kiemen nach innen verlagert und ragen in eine Art von Kanal, der von den Lauf- und Schwimmbeinen gebildet wird. Durch deren Bewegung entsteht der Innenseite der Beinpaare entlang von vorne nach hinten ein ständiger Wasserstrom, der die Kiemen mit frischem Wasser versorgt.

Die Färbung der Flohkrebse ist meist hell und reicht von rötlich-rosa über gelblich bis grün und blau.

Flohkrebse weisen in der Regel Körpergrößen von einigen Millimetern bis zu wenigen (meist unter zwei) Zentimetern auf. Eine Ausnahme stellen die beiden Tiefseearten Alicella gigantea und Thaumatops loveni dar, die bis zu 28 Zentimeter lang werden können. Exemplare davon wurden im über 10 Kilometer tiefen Kermadecgraben vor der Küste Neuseelands bei einer Forschungsexpedition 2012 gefunden.[1]

Alle Flohkrebse sind getrenntgeschlechtlich. Die Männchen sind mit vergrößerten Gnathopoden ausgestattet, mit denen das kleinere Weibchen während der Praecopula einige Tage umhergetragen wird. Nach der Parturialhäutung dreht das Männchen das Weibchen mit der Bauchseite nach oben und leitet mit seinen Pleopoden Sperma in dessen Marsupium, wo die Eier befruchtet werden.[2]

Die Anzahl der Eier in einem Gelege variiert von 1 bis 250. Es gibt kein Mancastadium, die fertigen kleinen Flohkrebse schlüpfen nach 2 bis 59 Tagen direkt aus den ausgebrüteten Eiern. Jungtiere können noch 2 bis 35 Tage im Brutbeutel verbleiben. Nach sechs bis neun Häutungen in einem Zeitraum von ein bis vier Monaten sind sie geschlechtsreif.[2][3]

Anzahl der Arten und ihre Verbreitung

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Es sind derzeit über 9500 Arten beschrieben,[4] das entspricht nur etwa einem Viertel der bis zu 40.000 weltweit vermuteten Arten. Von modernen Forschungsschiffen aus kann nun auch der Meeresgrund in arktischen und antarktischen Gewässern und in der Tiefsee untersucht werden. Dabei stellte sich heraus, dass die Amphipoden in allen diesen Lebensräumen nicht nur durch eine große Artenvielfalt, sondern meist auch durch eine große Individuenanzahl gekennzeichnet sind und daher ein wichtiges Glied der Nahrungskette bilden. Sie dienen zum einen als Nahrungsquelle für viele Fische, Wirbellose, Pinguine, Küstenvögel, kleine Waltiere und Robben, zum anderen sind Flohkrebse auch wichtige Aasfresser.[3][5]

Die meisten Süßwasserarten gehören zur Unterordnung der Senticaudata, darunter der in Mitteleuropa heimische Bachflohkrebs (Gammarus fossarum) oder der kürzlich aus dem Donaudelta eingewanderte Große Höckerflohkrebs (Dikerogammarus villosus). Bekannt ist der Artenschwarm des Baikalsees: ungefähr 300 nah verwandte Flohkrebse, die dort verschiedene Lebensräume besiedeln.

Die meisten Flohkrebse leben im Meer, beispielsweise Hyperia macrocephala (aus der Unterordnung der Hyperiidea) im Plankton oder Jassa falcata (aus der Teilordnung Corophiida der Unterordnung Senticaudata) an Schiffsrümpfen. Ihre Verbreitung ist weltweit, in den arktischen und antarktischen Gewässern ist die Artenvielfalt im Allgemeinen größer als am Äquator.[3] Auch aus der Tiefsee werden immer wieder Entdeckungen neuer Arten der Flohkrebse bekannt. Einige, vor allem tropische, Flohkrebse leben in feuchtem Falllaub. An Sandstränden lebende Flohkrebse werden als „Sandhüpfer“ oder „Strandflöhe“ bezeichnet. In Florida kommen die Arten Talitrus specificus und Talitroides allaudi vor. Auch Talitrus sylvaticus (dieser erreicht eine Länge von 8 mm) ist eine in den USA weit verbreitete Art.

Flohkrebs aus dem Baikalsee

Gammaracanthuskytodermogammarus loricatobaicalensis ist der bislang längste vorgeschlagene Name für ein Lebewesen. Er wurde im Jahr 1927 durch B. Dybowski an einen kleinen Flohkrebs aus dem Baikalsee vergeben, jedoch nach dem International Code of Zoological Nomenclature für ungültig erklärt.

Fossil sind nur wenige Flohkrebse bekannt, die älteste Gattung Paleogammarus, welche starke Ähnlichkeiten zu Crangonyx aufweist, wurde in baltischem Bernstein aus dem frühen Eozän (55,8 bis 48,6 Millionen Jahre alt) entdeckt.[3] Die phylogenetisch ursprünglichsten Formen leben im Pazifischen Ozean, die am meisten abgeleiteten in der Karibik.

Strandfloh (Talitrus saltator)

Arten (Auswahl)

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Arten in mitteleuropäischen Süßgewässern

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Einzelnachweise:[7][8]

Arten der Nord- und Ostsee inkl. Küsten und angrenzender Brackwassergebiete

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Einzelnachweis:[8]

Arten der marinen Lebensräume oder Küsten außerhalb Deutschlands

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Flohkrebse und der Mensch

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Im August 2017 wurde ein Jugendlicher im kalten Ozeanwasser bei Melbourne zunächst unbemerkt von einer Vielzahl Flohkrebsen einer aasfressenden Art angefallen und trug großflächige Blutungen an Beinen und Füßen davon. Die üblicherweise aasfressenden Flohkrebse wurden eventuell bei einem Mahl gestört und gingen vom Aas auf das Bein über. Die Blutungen sind möglicherweise darauf zurückzuführen, dass die Art ähnlich wie Blutegel Stoffe freisetzt, die die Blutgerinnung stoppen. Natürlicherweise handelt es sich bei Flohkrebsen dieser Spezies um Aasfresser, die im ökologischen System tote organische Reste verwerten, Bisse dieser Art sind ansonsten nicht üblich.[9]

Commons: Flohkrebse – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wiktionary: Flohkrebs – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
  • WoRMS: Amphipoda. In: T. Horton, J. Lowry, C. De Broyer: World Amphipoda Database. Accessed through: World Register of Marine Species (WoRMS), 2013, abgerufen am 3. April 2014.
  • Die Ordnung der Flohkrebse. In: Fauna Europaea Database. European Commission under the Fifth Framework Programme, abgerufen am 27. Februar 2010 (englisch).

Einzelnachweise

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  1. Spiegel Online: Biologen fangen Riesen-Krebs vor Neuseeland. Abgerufen am 4. Februar 2012.
  2. a b Flohkrebse. In: Lexikon der Biologie.
  3. a b c d Amphipod. In: Encyclopædia Britannica.
  4. a b T. Horton, J. Lowry, C. De Broyer (Hrsg.): Introduction. World Amphipoda Database, 2013, abgerufen am 2. April 2014.
  5. Mini-Krebse als Turbo-Aasfresser. In: scinexx. 6. August 2015.
  6. James K. Lowry, Alan A. Myers: A Phylogeny and Classification of the Senticaudata subord. nov. (Crustacea: Amphipoda). In: Zootaxa. 3610, 1, 2013, S. 1–80.
  7. Brigitta Eiseler: Taxonomie für die Praxis. Bestimmungshilfe – Makrozoobenthos (1). LANUV-Arbeitsblatt 14. Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen. Link.
  8. a b Bernhard Klausnitzer: Stresemann – Exkursionsfauna von Deutschland. Band 1: Wirbellose ohne Insekten. 9. überarbeitete und aktualisierte Auflage 2019, Springer Spektrum. ISBN 978-3-662-55353-4. doi:10.1007/978-3-662-55354-1
  9. Barbara Barkhausen: Habe nicht gedacht, dass ich gerade aufgegessen werde. In: welt.de. 7. August 2017, abgerufen am 7. August 2017.