Galionsfigur – Wikipedia

Frauendarstellung auf der Christian Radich
Galion der Victory
Galionsfigur am Schiffsmodell (18. Jhd.) der Artésien (frz. Marinemuseum)

Eine Galionsfigur ist eine meist aus Holz geschnitzte Figur, die auf Schiffen, vornehmlich Segelschiffen, unter dem Bugspriet angebracht wird. Der Begriff leitet sich vom Galion (spanisch für „Balkon“) ab; dies war ein Vorbau vor dem Vordersteven einer Galeone, der den Bugspriet stützte. Zunächst wurden Figuren auf dem Galion von Spaniern und Portugiesen aufgestellt, später wurden sie an dessen Außenseite befestigt.[1] Obwohl spätere Schiffstypen kein echtes Galion mehr besaßen, blieb der Name Galionsfigur erhalten. Im Aberglauben von Seeleuten soll die Figur den Kurs des Schiffes beobachten und es vor Unglück bewahren.

Eine Alternative zu Galionsfiguren war und ist die Krull – auch Krullgalion oder Bugkopf –, eine spiralförmige Verzierung ähnlich einer Geigenschnecke.

Die Felsritzungen von Leirfall in Stjørdal im Trøndelag bestehen aus etwa 1200 Zeichen, die aus der norwegischen Bronzezeit stammen (etwa 500 v. Chr.). Bemerkenswert ist die Form der Schiffe, die über originell gestaltete Steven verfügen. Die Steventradition der Wikinger und der Galionsfigur hat hier ihre Wurzeln.

Krullgalion der Statsraad Lehmkuhl
Seitlich angebrachte Tierfiguren auf der Great Britain

Die große Zeit der Galionsfiguren begann im 17. Jahrhundert und dauerte bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts. Im 18. Jahrhundert nannte man die Galionsfigur Bild des Schiffes. Zu dieser Zeit waren die Schiffe häufig mit aufwendigen Figurengruppen versehen. Waren es zunächst nur große Schiffe, so wurde im 19. Jahrhundert auch kleinere Schiffe mit einer Figur ausgestattet.[2]

Die Galionsfigur wird oft so gestaltet, dass sie einen Bezug zum Schiffsnamen hat. Zum Teil diente sie auch als Schutzpatron, der Einfluss auf das Gelingen einer Reise hatte; ihre Beschädigung oder gar Zerstörung war ein schlechtes Omen.

Die Formen der Galionsfiguren wandelten sich im Laufe der Zeit. Außer dem Löwen (auf holländischen Schiffen finden sich immer Löwen, als Wappen des Landes) wurden Meerfrauen und Nixen bevorzugt, aber auch Krieger, Ritter, Fürsten, Reeder, Kaufleute mit Zylinder und zarte und kraftvolle Frauengestalten. In Italien besitzen viele Schiffe der italienischen Marine die Stella d’Italia, den italienischen Stern, als Galionsfigur.

Personendarstellungen können von Kopf bis Fuß reichen oder bilden vor allem auf einigen jüngeren Schiffen – sofern sie überhaupt noch Galionsfiguren erhalten – nur den Kopf oder ein Porträt von der Hüfte aufwärts ab. Der Formenreichtum wurde auch bei Tierdarstellungen dezenter. Mit dem Verschwinden der großen Handelssegler zu Gunsten aus Stahl gebauter Handelsschiffe verschwand die Galionsfigur zunehmend.

Die Krullgalion oder der Bugkopf – eine spiralförmige Verzierung ähnlich einer Geigenschnecke – hatte auf US-amerikanischen Schiffen (engl. billethead oder billet head) seine Hochzeit von ca. 1830 bis 1880.[3] Erhaltene Beispiele einer Krullgalion finden sich auf der 1887 in England gebauten, nun unter deutscher Flagge fahrenden Amphitrite und der 1914 in Deutschland gebauten und unter norwegischer Flagge fahrenden Statsraad Lehmkuhl.

Galionsfiguren wird häufig eine mystische Bedeutung zugeschrieben: Der Galionsfigur der britischen Fregatte Brunswick, die den Herzog von Braunschweig in schottischer Nationaltracht darstellte, sei am 1. Juni 1794 der Hut vom Kopf geschossen worden. „Es schickt sich nicht“, so meinten einige Seeleute, „dass der edle Lord seinen Feinden barhäuptig entgegentritt“. Der Kapitän stellte als Ersatz seinen goldbetressten Galahut zur Verfügung, worauf die britische Flotte gegen die Franzosen gewonnen habe.[4]

Das amerikanische Kaperschiff General Armstrong führte eine Galionsfigur von großer Ähnlichkeit mit dessen Porträt. Als das Schiff 1814 bei Faial versenkt werden musste, um nicht in die Hände des Feindes zu fallen, habe die Mannschaft darauf bestanden, die Figur zu retten. Trotz Kanonenfeuers sei die Galionsfigur abgesägt und in einem Boot an Land in Sicherheit gebracht worden.[5]

Als einmal ein Segelschiff nicht nach dem Willen des Kapitäns gelaufen war, habe dieser einem Matrosen befohlen, der Galionsfigur, einer Frauengestalt, mit dem Schwabber sanft das Gesicht zu kitzeln und dabei zu sagen: „Loop, min Deern, loop to!“ Nach wenigen Augenblicken sei ein günstigerer Wind aufgekommen und das Schiff habe gute Fahrt gemacht.

Der Wahrheitsgehalt solcher Geschichten der Romantischen Seefahrt bleibt spekulativ. Für die Seeleute war das Bild der Galionspopp (-puppe) die Verkörperung des Schiffes selbst, die Seele des Schiffes, das sie trug und dem sie sich anvertraut hatten.

Umfangreiche Sammlungen von Galionsfiguren sind im Altonaer Museum (Hamburg) und im Deutschen Schifffahrtsmuseum (Bremerhaven) zu besichtigen. Den Brunnen Bugwelle von Bremerhaven ziert eine stilisierte weibliche Galionsfigur.

Es existieren auch die Schreibweisen „Galeonsfigur“ und „Galleonsfigur“, deren Ableitung von dem reich verzierten Segelschiffstyp Galeone herrührt.

Übertragene Wortbedeutung

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Im übertragenen Sinne verwendet man den Begriff „Galionsfigur“, um konkrete Personen zu bezeichnen, die ein „lebendes Aushängeschild“ eines Vereines oder einer Interessengruppe sind oder eine Führungs- oder Vorreiterfunktion innehaben.

  • L. G. Carr Laughton: Old Ship Figure-Heads and Sterns. Dover Publications, 2001, ISBN 978-0-486-41533-8 (englisch).
  • Giancarlo Costa: Die hölzernen Engel – Galionsfiguren aus fünf Jahrhunderten. Verlag Delius Klasing & Co., Bielefeld 1980, ISBN 3-7688-0330-9.
  • Margaret Baker: Folklore of the sea. David & Charles PLC, 1979, ISBN 978-0-7153-7568-6 (englisch).
  • Hendrik Busmann: Galionsfigur. In: RDK Labor, 2016.
Commons: Galionsfiguren – Sammlung von Bildern
Wiktionary: Galionsfigur – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

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  1. Jean Randier: Nautische Antiquitäten. Delius Klasing, Bielefeld 1976, ISBN 978-3-7688-0187-4, Seite 184.
  2. Bettina Vaupel: Wie entstand die Galionsfigur? In: Monumente, Ausgabe 3/2020, S. 16 und 17.
  3. Billethead from Ship „Favorite“. From the Tour: Woodcarving from the Index of American Design. Object 4 of 26 (Memento vom 19. Juli 2008 im Internet Archive) auf den Internetseiten der National Gallery of Art, abgerufen am 17. März 2008 (englisch).
  4. Margaret Baker: Folklore of the sea. 1979, Seite 19.
  5. Joseph C. Abdo: On the Edge of History. Tenth Island Editions, 2006, ISBN 978-972-99858-0-5, Seite 74.