Antonym – Wikipedia
Antonyme (von altgriechisch αντί anti, deutsch ‚gegen‘, und altgriechisch ὄνομα ónoma, deutsch ‚Name, Wort‘), Gegensatzwörter, Gegenwörter und Oppositionswörter sind in der Sprachwissenschaft Wörter mit gegensätzlicher Bedeutung.
Zwei Wörter, die füreinander Gegensatzwörter sind, heißen Gegensatzpaar.[1] Die zwischen ihnen bestehende Relation heißt Antonymie, insbesondere von Wörtern, aber auch von Sätzen und Phrasen.[2]
Der Begriff der Antonymie kann dabei nach der Ebene und Art des Gegensatzes unterschiedliche Ausprägungen erfahren. Die Art der Antonymie hängt inhaltlich davon ab, wie der Gegensatz im logischen Sinn zu verstehen ist, ob er etwa innerhalb eines Oberbegriffes gesucht wird oder ob ein konträres oder kontradiktorisches Verhältnis der mit dem Gegensatzpaar bezeichneten Begriffe vorliegt. Ein Ausdruck, der für beide Begriffe eines Gegensatzpaares stehen kann, heißt Oppositionswort.
Antonymbildung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]In der deutschen Sprache werden in vielen Fällen Antonyme auch durch das Voranstellen der Vorsilbe un- gebildet: etwa Ruhe – Unruhe; klar – unklar usw. Jedoch gibt es nicht automatisch derartige Antonympaare, beispielsweise hat ungefähr kein Gegenüber gefähr; ebenso ist für unausbleiblich kein ausbleiblich in Benutzung. Darüber hinaus gibt es Wörter mit un-, die aber zum Stammwort kein Antonym bilden, zum Beispiel Mut und Unmut; ziemlich und unziemlich.
Ein weiterer Aspekt ist, dass verschiedene Oppositionen von Wortpaaren nicht automatisch auf andere übertragbar sind. So sind zwar Überführung und Unterführung (Verkehrswege) Antonyme, aber Übergang und Untergang haben keinen vergleichbaren Sinn und Gegensinn, sondern bedeuten etwas völlig anderes, nichts direkt Gegensätzliches.
Arten von Antonymien
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Es lassen sich verschiedene Arten von Antonymie unterscheiden:
Definition | Beispiel | |
---|---|---|
Graduelle Antonymie oder konträre Antonymie (auch skalare Antonymie) | Zwei Wörter sind graduell antonym, wenn sie zwar einen Gegensatz bezeichnen, es aber zwischen den Polen noch Abstufungen gibt. Aus der Verneinung des einen Wortes des Wortpaars folgt nicht, dass das zweite Wort des Wortpaars zutrifft. Diese Art der Antonymie wird auch Antonymie im engeren Sinn genannt. | Die Wörter heiß und kalt sind graduell antonym, weil es dazwischen auch noch Abstufungen wie z. B. kühl, warm gibt. Adjektive, die in der Beziehung der graduellen Antonymie zueinander stehen, sind steigerbar. |
Inkompatibilität | Zwei Wörter, die in der Beziehung der Kohyponymie zueinander stehen, sind inkompatibel. Diese Art der Antonymie wird auch Antonymie im weiteren Sinn genannt. | Die Wörter Pudel, Dackel und Schäferhund sind Kohyponyme des Oberbegriffs Hund. Im konkreten Satzzusammenhang schließen diese drei Wörter einander aus. Die Aussage Karlchen ist ein Dackel schließt, wenn sie wahr ist, die Wahrheit der Aussage Karlchen ist ein Pudel aus. Die Aussage Karlchen ist kein Dackel impliziert aber nicht die Aussage Karlchen ist ein Pudel (siehe unten). |
Komplementarität oder kontradiktorische Antonymie[3] | Zwei Wörter sind komplementär (in einem bestimmten Zusammenhang), wenn ein Bedeutungsgegensatz zwischen den Wörtern besteht und gleichzeitig aus der Verneinung des einen Wortes folgt, dass das andere Wort zutrifft. | Wenn eine Person nicht lebend ist, folgt automatisch, dass die Person tot ist. |
Konverse Relation | Zwei Wörter sind konvers, wenn sie einen Sachverhalt aus zwei verschiedenen Blickwinkeln beschreiben. | Die Wörter Mutter und Kind beschreiben beide eine Beziehung, unterscheiden sich aber in der Perspektivierung. A ist die Mutter von B. B ist das Kind von A. |
Reverse Relation | Zwei Wörter stehen in einer Reversitätsrelation zueinander, wenn sie inkompatibel sind, beide Wörter Geschehen bezeichnen, und der Anfangszustand des ersten Geschehens den Endzustand des anderen Geschehens benennt und umgekehrt. | Beispiel: beladen und entladen, Einbau und Ausbau. |
Antonymie im engeren und im weiteren Sinn
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Ursprünglich sprach man von Antonymie nur im Sinne von gradueller oder auch konträrer Antonymie und bezeichnete damit Adjektivpaare wie beispielsweise schön/hässlich. Teilweise spricht man auch heute noch von Antonymie nur dann, um einen „Bedeutungsgegensatz(.) zwischen skalierbaren lexikalischen Ausdrücke(n)“ zu bezeichnen.[4] In logischer Perspektive ist die graduelle Antonymie bei einem konträren Gegensatz gegeben (Beispiel: kalt/heiß).
Ein Sonderfall der graduellen oder konträren Antonymie ist der polar-konträre Gegensatz, bei dem die gegensätzlichen Bedeutungen am Ende einer Skala sind[5] (Beispiel: neu/alt). „Nicht-polare Antonyme bezeichnen den gleichen Ausprägungsgrad auf entgegengesetzten Skalen; die Bildung konverser Komparative ist ausgeschlossen“.[3]
Der Ausdruck der Antonymie wird häufig auch in einem weiteren Sinn verwandt, bezeichnet dann allgemein einen Oberbegriff für „semantische Gegensatzrelationen“[3] und erfasst dann auch den Fall des kontradiktorischen Gegensatzes, der in der Semantik auch als komplementärer Gegensatz (siehe unten) bezeichnet wird (Beispiel: tot/lebendig; sinnvoll/sinnlos).
Man bezeichnet die kontradiktorische Antonymie auch als „Antonymie im strengen Sinne“,[6] während die konträre Antonymie auch als „Antonymie im eigentlichen Sinn“[7] oder „gelegentlich“ auch als Antonymie im engeren Sinn bezeichnet wird.[8] Die Terminologie ist also alles andere als klar.
Konträre Antonymie als Inkompatibilität
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Antonymie als Fall (konträrer oder kontradiktorischer) gegensätzlicher Bedeutung ist ein „Sonderfall“[9] unvereinbarer Bedeutung, das heißt einer Inkompatibilität (von Wörtern etc.).[10]
Wird wie hier auch die Unvereinbarkeit im Fall der Kohyponymie als Antonymie angesehen, wird die Antonymie – losgelöst von der Wortbedeutung – mit jedweder Inkompatibilität gleichgesetzt und gleichzeitig der Ausdruck Inkompatibilität in einem engeren als üblichen Sinn verwendet.
Auto-Antonyme
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Auto-Antonyme (Antagonyme, Januswörter) sind Wörter, die mehrere Bedeutungen haben (Homonymie, Polysemie oder Homophonie), wobei diese Bedeutungen zueinander eine antonymische Opposition bilden. Im Deutschen tritt dies beispielsweise bei dem Ausdruck Untiefe auf, das als sehr geringe Tiefe oder in der Umgangssprache auch als sehr große Tiefe gedeutet werden kann. Das Englische overlook kann sowohl ‚überwachen‘ als auch ‚nicht beachten‘ bedeuten. (Vergleiche: übersehen hat die beiden Bedeutungen überblicken und nicht beachten: Ich übersehe die Lage noch nicht. Ich habe den Brief übersehen.)
Homonymie und Antonymie
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Viele Wörter sind Homonyme, d. h., sie haben mehrere Bedeutungen. Homonyme Wörter stellen keine Bedeutungsbeziehung dar. Lediglich die Ausdrucksseite ist identisch, die Inhaltsseite hat nichts miteinander zu tun, auch nicht historisch.
Da die Antonymierelation von der Bedeutung abhängt, gibt es in diesen Fällen auch mehrere Gruppen von Antonymen. Zum Beispiel[11] hat das Wort abnehmen Antonyme in den Bedeutungsgruppen übergeben (Ware), aufhängen (Bild), aufdecken (Tischtuch), auflegen (Telefonhörer), anlegen (Schmuck), aufhängen (Gardine), aufsetzen (Hut), wachsen bzw. stehen lassen (Bart), zunehmen (Mond), zunehmen (Gewicht) und weiteren. Man spricht auch von Antonymengabel.[12] Deren Auftreten kann auch helfen, verdeckte Mehrdeutigkeiten festzustellen.
- Nicht alle Wörter, die mehrere Bedeutungen haben, haben auch ebenso viele Antonyme. Beispiele:
- Zug im Sinne von Sog bzw. Anziehen – Antonyme: Schub oder Druck;
- Zug im Sinne von Eisenbahnzug – kein eindeutiges Antonym vorhanden;
- Zug im Sinne von Schach- bzw. Spielzug – kein eindeutiges Antonym vorhanden;
- Zug im Sinne von Geste – kein eindeutiges Antonym vorhanden.
Siehe auch
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Lexikalische Semantik
- Gegenteil
- Dualismus
- Polytomie (Vielteilung)
- Dichotomie
- Falsches Dilemma („falsche Dichotomie“)
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Dietrich Busse: Semantik. Fink, Paderborn 2009.
- Christiane Agricola, Erhard Agricola: Wörter und Gegenwörter. Antonyme der deutschen Sprache. Bibliografisches Institut, Leipzig 1984 (besonders die Einführung).
- Erhard Agricola (Hrsg.): Wörter und Wendungen: Wörterbuch zum deutschen Sprachgebrauch. 14., unveränderte Auflage. Bibliografisches Institut, Leipzig 1990, ISBN 978-3-323-00200-5.
- Erich Bulitta, Hildegard Bulitta: Wörterbuch der Synonyme und Antonyme. Fischer, Frankfurt am Main 2003, ISBN 3-596-15155-4.
- George A. Miller: Wörter. Streifzüge durch die Psycholinguistik. Herausgegeben und aus dem Amerikanischen übersetzt von Joachim Grabowski und Christiane Fellbaum. Spektrum der Wissenschaft, Heidelberg 1993; Lizenzausgabe: Zweitausendeins, Frankfurt am Main 1995; 2. Auflage ebenda 1996, ISBN 3-86150-115-5, S. 229–239.
- Wolfgang Müller, Jakob Ebner: Das Gegenwort-Wörterbuch. Ein Kontrastwörterbuch mit Gebrauchshinweisen. De Gruyter, Berlin 1998, ISBN 3-11-014640-1; 2., erweiterte Auflage ebenda 2020, ISBN 978-3-110-61164-9.
- Horst Geckeler: Antonymie und Wortart. In: Edeltraud Bülow, Peter Schmitter (Hrsg.): Integrale Linguistik. Festschrift für Helmut Gipper. Amsterdam 1979, S. 455–482.
- Peter Rolf Lutzeier: Lexikologie. Stauffenburg, Tübingen 1995, ISBN 3-86057-270-9.
- John Lyons: Semantik. Band 1. Beck, München 1980, ISBN 3-406-05272-X (Antonyme: S. 281–300).
- Věra Kloudová: Synonymie und Antonymie. Universitätsverlag Winter, Heidelberg 2016, ISBN 978-3-8253-7534-8.
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Gegensatzpaar. In: Duden – Deutsches Universalwörterbuch. 5. Auflage. 2003, ISBN 3-411-05505-7.
- ↑ Vater: Referenz-Linguistik. 2005, S. 46.
- ↑ a b c Antonymie. In: Bußmann: Lexikon der Sprachwissenschaft, 3. Auflage. 2002.
- ↑ Meibauer: Einführung in die germanistische Linguistik, 2. Auflage. 2007, S. 349; so auch Lyons und Cruse; ebenso wohl Volker Harm: Einführung in die Lexikologie. WBG, Darmstadt 2015 (Einführung Germanistik), ISBN 978-3-534-26384-4, S. 76.
- ↑ Kürschner: Grammatisches Kompendium, 4. Auflage. 2003, ISBN 3-8252-1526-1, S. 22.
- ↑ Paul Puppier: Lexikon. In: André Martinet (Hrsg.): Linguistik. 1973, S. 136 (141).
- ↑ Kühn: Lexikologie, 1994, S. 54; Brandt/Dietrich/Schön: Sprachwissenschaft, 2. Auflage. 2006, S. 274.
- ↑ Brandt/Dietrich/Schön: Sprachwissenschaft, 2. Auflage. 2006, S. 274.
- ↑ Lutzeier: Die semantische Struktur des Lexikons. In: Schwarze, Wunderlich: Handbuch der Lexikologie. 1985, S. 103 (109).
- ↑ Schwarze, Wunderlich: Einleitung. In: Schwarze, Wunderlich: Handbuch der Lexikologie. 1985, S. 7 (17).
- ↑ Christiane und Erhard Agricola: Wörter und Gegenwörter. Antonyme der deutschen Sprache. VEB Bibliographisches Institut Leipzig, vierte unveränderte Auflage 1982, Verlagslizenz Nr. 433 130/107/82, LSV 0817, S. 5ff.
- ↑ Christiane Wanzeck: Lexikologie. Beschreibung von Wort und Wortschatz im Deutschen. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2010 (UTB 3316), ISBN 978-3-8385-3316-2, S. 67.