Gender-Marketing – Wikipedia

Gender-Marketing ist ein Ansatz zur Vermarktung von Produkten und Dienstleistungen, der zum einen auf die Entwicklung und Herstellung von Produkten und Dienstleistungen abzielt, die für Männer oder Frauen unterschiedliche Vorteile haben. Außerdem sollen diese Vorteile bei der Bewerbung und dem Verkauf von Produkten und Dienstleistungen durch das Marketing besonders herausgestellt werden. Dabei werden nicht zwangsläufig traditionelle Geschlechterrollen und -stereotype verstärkt, sondern stellenweise neue Entwicklungen und Geschlechtsentwürfe berücksichtigt (vergleiche Nichtbinäre Geschlechtsidentitäten).[1]

Frauen und Männer leben in unterschiedlichen Lebensentwürfen und -strukturen, sie treffen auch unterschiedliche Kaufentscheidungen, die es bei der Vermarktung zu berücksichtigen gilt. Geschlechterrollen sind daher nicht mehr nur ein Sozialthema, sondern werden vom Gender-Marketing als ein wichtiger Wirtschaftsfaktor angesehen. Frauenspezifische Autos sind schon länger bekannt, wichtig ist aber, diese nicht als solche zu bewerben. Ein und derselbe Fahrzeugtyp, etwa die sogenannten SUVs werden von unterschiedlichen Käufergruppen bevorzugt. Bei Männern waren dies ältere vermögende Großstädter, die eine Art zivilisierte Naturverbundenheit zeigen wollten. SUVs waren demgegenüber bei Frauen aus der Mittelschicht. (vgl. die Soccer Moms) beliebt, die schlicht den Bedienungskomfort und die hohe Sitzlage als angenehm empfinden.[2]

Obwohl Frauen amerikanischen Studien zufolge über 80 % aller privaten Konsumentscheidungen treffen, werden sie häufig als Kundinnen in vielen Ländern Europas noch nicht ausreichend ernst genommen. In vielen Branchen fehlt ein adäquates Produktangebot und die Vertriebsstrukturen bedürfen noch immer zahlreicher Anpassungen. Frauen fühlen sich im Fernsehen, im Radio oder im Kino mit klischeehafter Werbung konfrontiert. Eine professionelle Beratung, sei es in Finanzfragen, beim Autokauf oder im Zusammenhang mit anderen großen Anschaffungen, suchen sie häufig vergebens.

Joan Acker kritisiert aus einer soziologischen Perspektive, es fände bezüglich der Geschlechterrollen in Forschung und Anwendung eine Einebnung statt, die sozialpsychologische Prozesse von Macht und Unterwerfung ausblende. Sie bezeichnet diese Ausrichtung als „Gender-Regime“, mit dem systematisch das Auseinanderklaffen von Macht und Kontrolle und weniger machtvollen Positionen auf den Geschlechteraspekt reduziert wird, d. h. auf eine angeblich „natürliche“ Weltordnung nach Geschlecht. Stattdessen müssten die ebenfalls wirksamen Kräfte von race, class, sexuality, religion, age, physical abilities – also die Komplexität des Handelns in menschlichen Gruppen mit einbezogen werden, um alleinherrschende Kräfte in Organisationen und Gesellschaft zu untersuchen. Erst dann kann nach Acker die Ungleichheit verstanden werden, die durch fehlende Gelegenheiten, Ausgrenzung, verschiedene Entlohnung, unterschiedliche Würdigung von Arbeitsleistung und andere entsteht.[3][4]

Bei wirtschaftswissenschaftlichen Untersuchungen wird unter anderem auf die sogenannte Gendercontaminierung verwiesen. Produkte rein frauenspezifisch zu konnotieren, begrenzt deren Attraktivität eher. Porsche hatte bei der Einführung des Cayenne ein massives Problem mit der Marke, weil die traditionellen Porschekäufer die Einführung eines SUV als Beeinträchtigung des Images empfanden. Die Firma reagierte mit verschiedenen Maßnahmen, das ursprünglich sehr männliche Image wiederherzustellen.[5] Umgekehrt sind Frauen eher bereit, einen Imagewechsel von weiblich auf männlich mitzutragen. Die Zigarettenmarke Marlboro etwa war ursprünglich ein sehr frauenspezifisches Produkt. Die Agentur Leo Burnett entwickelte den Marlboro Man in den 1950er Jahren, um die Marke auch bei Männern zu etablieren, Frauen ließen sich aber nicht davon abschrecken.[6]

Gender-Marketing in der Praxis

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Gender-Marketing will in der Tradition des Gender-Mainstreaming die Unternehmen für geschlechterspezifische Unterschiede empfänglich machen. Dies kann mittels verschiedener Formen des persönlichen Coaching oder der Unternehmensberatung geschehen. Dabei werden die interne Firmenstruktur, die Analyse der Zielgruppe und des Angebotes selbst berücksichtigt und dabei auf Personalstrukturen und Arbeitsprozesse sowie auf die Ausrichtung der Marketingstrategien allgemein eingegangen.

Setzt ein Unternehmen bezüglich Gender-Marketing neue Prozesse auf, heißt das noch nicht, dass die gendergerechte Marketingstrategie in der Praxis funktioniert. Immer wieder kommt es bei Produktlaunches oder Werbekampagnen zu Shitstorms, die durch soziale Medien verbreitet werden.[7][8] Dass Produktvermarktung im Kontext des Gender-Marketings funktioniert, zeigen jedoch einige Best-Practice-Beispiele bekannter Unternehmen. So vermarktete der Hersteller Bosch zum Beispiel 2010 einen Akkuschrauber, der auch Frauen ansprechen sollte, ohne dabei zu sehr auf veraltete Rollenklischees zu setzen.[9][10]

  • Joan Acker: Rewriting Class, Race, and Gender: Problems in Feminist Rethinking. In: Dieselbe, Judith Lorber, Beth B. Hess (Hrsg.): Revisioning Gender. AltaMira Press, Walnut Creek 2000, ISBN 0-7619-0616-9 (englisch).
  • Joan Acker: Revisiting Class: Thinking from Gender, Race, and Organizations. In: Social Politics. Band 7, Nr. 2, 2000, S. 192–214 (englisch).
  • Matthias Bode, Ursula Hansen: Das Geschlecht der Marketingwissenschaft. Wie 'männlich' ist sie und wie 'weiblich' soll sie sein? In: Gertraude Krell (Hrsg.): Betriebswirtschaftslehre und Gender Studies. Wiesbaden, Gabler 2005, ISBN 3-409-12640-6
  • Barbara Drinck, Eva Kreienkamp: Chancengleichheit in der Kundenorientierung. Die genderorientierte Marktbetrachtung öffnet neue Marktchancen - androzentrische Strukturen erschweren Erneuerung. In: Zeitschrift für Frauenforschung & Geschlechterstudien. Band 23, Nr. 3, 2005, ISSN 0946-5596, S. 50–60.
  • Barbara Drinck, Eva Kreienkamp: Reactions to the Gender and Queer Perspective: Market Research is Empowered by Accepting Gender and Sexual Orientation as Consumer Categories. In: Lorna Stevens, Janet Borgerson (Hrsg.): Gender and Consumer Behavior. Band 8. Association for Consumer Research, Edinburgh 2006, S. 83–93 (englisch, [1]).
  • Diana Jaffé: Der Kunde ist weiblich: was Frauen wünschen und wie sie bekommen, was sie wollen, Econ, Berlin 2005, ISBN 978-3-430-15003-3.
  • Eva Kreienkamp: Gender-Marketing: Impulse für Marktforschung, Produkte, Werbung und Personalentwicklung. mi, Landsberg am Lech 2007, ISBN 978-3-636-03108-2 (Leseprobe in der Google-Buchsuche).

Einzelnachweise

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  1. Eva Kreienkamp: Gender-Marketing: Impulse für Marktforschung, Produkte, Werbung und Personalentwicklung. mi, Landsberg am Lech 2007, ISBN 978-3-636-03108-2, S. 15 (Seitenvorschau in der Google-Buchsuche).
  2. Eva Kreienkamp: Gender-Marketing: Impulse für Marktforschung, Produkte, Werbung und Personalentwicklung. mi, Landsberg am Lech 2007, ISBN 978-3-636-03108-2 (Leseprobe in der Google-Buchsuche).
  3. Joan Acker: Rewriting Class, Race, and Gender: Problems in Feminist Rethinking. In: Dieselbe, Judith Lorber, Beth B. Hess (Hrsg.): Revisioning Gender. AltaMira Press, Walnut Creek 2000, ISBN 0-7619-0616-9 (englisch).
  4. Joan Acker: Revisiting Class: Thinking from Gender, Race, and Organizations. In: Social Politics. Band 7, Nr. 2, 2000, S. 192–214 (englisch).
  5. Jill Avery: Defending the Markers of Masculinity: Consumer Resistance to Brand Gender-Bending. In: International Journal of Research in Marketing. Band 29, Nr. 4, Dezember 2012, S. 322–336 (englisch; Abstract).
  6. Libby Copeland: Is Diet Soda Girly? Marketing companies take on gender contamination, the idea that when women flock to a product, men flee. In: Slate.com. 12. August 2013, abgerufen am 26. November 2021 (englisch).
  7. Redaktion: Wer einen Shitstorm will, setzt auf plumpe Rollenklischees. In: Werbewoche. 24. April 2019, abgerufen am 26. Februar 2022.
  8. Susanne Herrmann: Gillette reagiert auf Gleichberechtigung – und erntet Shitstorm. In: Werben & Verkaufen. 15. Januar 2019, abgerufen am 26. Februar 2022.
  9. Digitalguide: Verkaufen im Internet: Was ist Gender-Marketing? In: Ionos.de. 18. Februar 2022, abgerufen am 26. Februar 2022.
  10. Hans Schmidt: Bosch: Die will doch nur spielen. In: Werben & Verkaufen. 4. März 2010, abgerufen am 26. Februar 2022.