Gobryas I. – Wikipedia

Gobryas I. bzw. Gubaru (altpersisch Gaubaruva, babylonisch Ugbaru, elamisch Kambarma; † 27. Oktober 538 v. Chr.) war der Gouverneur von Sagartien in Gutium (einer medischen Provinz nördlich von Babylon) und der Anführer der Armee von Kyros II., welche die Stadt Babylon einnahm und den chaldäischen König Nabonid gefangen nahm,[1][2] nachdem Ugbaru die Seiten gewechselt hatte.[3] Ugbaru wurde anschließend von Kyros II. als Statthalter (Satrap) von Babylon eingesetzt. Nach dessen Tod übernahm der Sohn von Kyros II., der spätere König Kambyses II. diesen Posten.[4]

Nabonid-Chroniken

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Die Nabonid-Chroniken erzählen die Eroberung von Babylon folgendermaßen: Kyros II. kämpfte im siebzehnten Regierungsjahr von Nabonid im Monat Tašritu gegen die Babylonier. Am vierzehnten Tag des Monats nahm er Sippar kampflos ein und Nabonid flüchtete. Zwei Tage später, am sechzehnten Tag des Monats, also am 12. Oktober 539 v. Chr., eroberte Ugbaru mit der Armee von Kyros II. Babylon kampflos, und Nabonid wurde gefangen genommen. Kyros II. selbst kam am dritten Tag des Monats Araḫsamna, also am 29. Oktober 539 v. Chr. nach Babylon. Weiter heißt es: „Ugbaru [im Original hier Gubaru genannt], sein [sc. Kyros II.] Statthalter, berief die Statthalter in Babylon. Vom Monat Kislimu bis zum Monat Addaru kehrten die Götter von Akkad, die Nabonid nach Babylon heruntergebracht hatte, zurück zu ihren Orten. In der Nacht des elften Tages des Monats Araḫsamna starb Ugbaru.“[5]

Dabei stellt sich die Frage, ob Ugbaru im selben Jahr starb, wie die Eroberung stattfand, also acht Tage nachdem Kyros II. nach Babylon gekommen war und somit am 6. November 539 v. Chr. Dafür spricht, dass kein neues Jahr erwähnt wird. Umgekehrt stellt sich die Frage, wieso in der grundsätzlich chronologischen Erzählung zwischen diesen beiden Ereignissen im achten Monat der Einschub der Rückkehr der Götter im neunten und zwölften Monat zu finden ist, so dass sein Tod auf das Folgejahr, sprich den 27. Oktober 538 v. Chr.[6], zu datieren wäre. Dafür sprechen könnte auch der Aufbau der Nabonid-Chroniken. Denn diese sind in Regierungsjahre gegliedert, die jeweils mit einem waagrechten Strich abgegrenzt werden. Da mit der Festnahme von Nabonid auch seine Regierungszeit endete, gab es kein achtzehntes Regierungsjahr, in dem der Tod von Ugbaru hätte aufgelistet werden können.

Xenophon erzählt in seinem Werk Kyrupädie in Kapitel 4.6.1 von einem „Gobryas, ein Assyrer in vorgerücktem Alter“.[7] Da der babylonische König seinen Sohn umbrachte, wechselte Gobryas die Seiten und unterstützte Kyros II. In dieser Erzählung ist die Einnahme von Babylon mit mehr Kampf und Gewalt verbunden. So schreibt Xenophon in Kapitel 7.5.26-30:[8]

„Nachdem man diese Worte gewechselt hatte, brach man auf. Einige von denen, die ihnen entgegenkamen, wurden erschlagen, einige wichen wieder zurück, einige brachen in lautes Geschrei aus. Die Männer um Gobryas schrien ebenfalls, als ob auch sie zu den Festteilnehmern gehörten. Sie gingen so schnell wie möglich voran und erreichten in Kürze den Königspalast. Die Einheiten des Gobryas und des Gadatas fanden die Tore des Palastes verschlossen vor. Die Männer aber, die die Aufgabe hatten, die Wachen außer Gefecht zu setzen, fielen über sie her, als sie gerade an einem großen Feuer saßen und tranken, und sie behandelten sie sofort als Feinde. […] Die Männer um Gadatas und Gobryas fielen in großer Zahl über ihn [sc. den König von Babylon] her. Auch die Leute in seiner Umgebung starben: der eine, während er Deckung suchte, der andere, als er weglaufen wollte, der nächste, während er sich, so gut es ging, zur Wehr setzte.“

Es ist wahrscheinlich, dass dieser Gobryas identisch ist mit Ugbaru aus den Nabonid-Chroniken.

In der biblischen Menetekel-Erscheinung von Belšazar (der Sohn und Stellvertreter von Nabonid) wird Daniel die Deutung offenbart, dass das babylonische Reich geteilt und den Medern und Persern gegeben wird (Dan 5,28 EU).[9] Das Kapitel schließt damit, dass noch in derselben Nacht Belšazar getötet wird (Dan 5,30 EU). Als Nachfolger folgt Darius der Meder auf den Thron. So heißt es in Dan 6,1-3 ZB

„Und Darius der Meder empfing die Königsherrschaft, als er zweiundsechzig Jahre alt war. Darius hielt es für gut, hundertzwanzig Satrapen über das Königreich einzusetzen, verteilt im ganzen Königreich, und über sie drei hohe Amtsträger – von denen einer Daniel war –, damit jene Satrapen ihnen Rechenschaft ablegten und der König nicht zu Schaden käme.“

Historisch problematisch ist, dass eine Perserherrschaft über Babylon nicht belegt ist und auch zeitlich nicht möglich ist, da der Perserkönig Kyros II. offiziell als Nachfolger von Nabonid gilt. Deshalb geht eine Mehrzahl der Forscher davon aus, dass es Darius nie gegeben hat. Teilweise wird aber die Meinung vertreten, dass Ugbaru dieser Mederkönig Darius ist.[10][11] Begründet wird das damit, dass Ugbaru selbst aus der medischen Provinz Guti stammte und seine Befugnisse in Babylon in seiner Funktion als Satrap de facto die eines Königs waren. Außerdem stimmt die Aussage bezüglich der Einsetzung von Satrapen mit den Nabonid-Chroniken überein. Weiter stimmt das erwähnte Alter von 62 Jahren mit der Aussage von Xenophon über das „vorgerückte Alter“ überein.

Anmerkungen und Einzelnachweise

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  1. Rüdiger Schmitt: Gobryas. In: Ehsan Yarshater (Hrsg.): Encyclopædia Iranica. Band 11(1), 2003, ISBN 0-933273-71-1 (englisch, iranicaonline.org, Stand: 9. Februar 2012 [abgerufen am 15. August 2022] mit Literaturangaben).
  2. Wolfgang Röllig: Gubaru. In: Erich Ebeling, Bruno Meissner (Hrsg.): Reallexikon der Assyriologie. Band 1. Walter de Gruyter & Co., Berlin und Leipzig 1928, S. 671 f. Online
  3. Marc Van De Mieroop: Gutians. In: Ehsan Yarshater (Hrsg.): Encyclopædia Iranica. Band 11(4), 2003, ISBN 0-933273-71-1, S. 408–410 (englisch, iranicaonline.org, Stand: 24. Februar 2012 – mit Literaturangaben).
  4. M. A. Dandamayev: BABYLONIA i. History of Babylonia in the Median and Achaemenid periods. In: Ehsan Yarshater (Hrsg.): Encyclopædia Iranica. Band 3(3), 1989, ISBN 0-7100-9121-4, S. 326–334 (englisch, iranicaonline.org, Stand: 19. August 2011 – mit Literaturangaben).
  5. Nabonid-Chronik, III.12-22. In: Albert Kirk Grayson: Assyrian and Babylonian Chronicles (ABC). J. J. Augustin Publisher, Locust Valley, New York 1975, S. 109 f. Die englische Originalübersetzung von Grayson lautet:

    „In the month Tishri when Cyrus (II) did battle at Opis on the [bank of] the Tigris against the army of Akkad, the people of Akkad retreated. He carried off the plunder (and) slaughtered the people. On the fourteenth day Sippar was captured without a battle. Nabonidus fled. On the sixteenth day Ugbaru, governor of the Guti, and the army of Cyrus (II) entered Babylon without a battle. […] On the third day of the month Marchesvan Cyrus (II) entered Babylon. […] Gubaru, his district officer, appointed the district officers in Babylon. From the month Kislev to the month Adar the gods of Akkad which Nabonidus had brought down to Babylon returned to their places. On the night of the eleventh of the month Marchesvan Ugbaru died.“

  6. Gem. Berechnungen nach Jean Meeus: Astronomische Algorithmen – Anwendungen für Ephemeris Tool 4,5 -, Barth, Leipzig 2000 und Ephemeris Tool 4,5 Umrechnungsprogramm allerdings der 18. Oktober 538 v. Chr. Denn im proleptischen julianischen Kalender 538 v. Chr. fiel der Frühlingsanfang auf den 28. März und der 11. Araḫsamna auf den 25. Oktober, wobei für die Umrechnung auf den heutigen gregorianischen Kalender noch sieben Tage abgezogen werden müssen.
  7. Xenophon: Kyrupädie: Die Erziehung des Kyros. Hrsg.: Rainer Nickel (= Karl Bayer, Manfred Fuhrmann, Gerhard Jäger [Hrsg.]: Sammlung Tusculum). Artemis und Winkler, München, Zürich 1992, S. 301.
  8. Xenophon: Kyrupädie: Die Erziehung des Kyros. Hrsg.: Rainer Nickel (= Karl Bayer, Manfred Fuhrmann, Gerhard Jäger [Hrsg.]: Sammlung Tusculum). Artemis und Winkler, München, Zürich 1992, S. 521.
  9. Eine Aufteilung des babylonischen Reichs deutet Daniel bereits im Traum von Nebukadnezar II., in dem eine Statue durch einen Stein zerstört wird (Dan 2,31-43 EU). Dabei deutet Daniel den Kopf der Statue als die Herrschaft von Nebukadnezar selbst. Die Brust und Arme aus Silber müssten – um im Einklang mit der Menetekel-Deutung zu sein – dementsprechend für die Herrschaft der Meder stehen. Der Bauch aus Bronze sodann für die Herrschaft der Perser. Die weitere Deutung der Statue ergibt sich nicht direkt aus Daniel. Historisch müssten jedoch die Schenkel aus Eisen, die für ein Königreich stehen, das stark wie Eisen sein wird, das alles zerschlägt und zermalmt (Dan 2,40 EU), für das Alexanderreich stehen. Die Füße, teils aus Eisen und teils aus Ton, die für ein geteiltes Königreich stehen (2,41 EU), wären mit den Diadochenreichen zu identifizieren.
  10. William H. Shea: Darius the Mede: An Update. In: Andrews University Seminary Studies. Band 20, 1982, S. 229–247.
  11. Gérard Gertoux: Ugbaru is Darius the Mede (539/538 BCE). Abgerufen am 15. August 2022.
  • James B. Pritchard (Hrsg.): Ancient near Eastern texts relating to the Old Testament. Reprinted 3rd edition with supplement. Pro Quest, Ann Arbor MI 2005, ISBN 0-691-03503-2 (inkl. Nabonaid-Chronik).