Greizer Landtag – Wikipedia

Der Greizer Landtag war die Legislative des Fürstentums Reuß älterer Linie (Reuß-Greiz).

In den reußischen Fürstentümern bestanden bereits vor dem 19. Jahrhundert Landstände. Diese setzten sich aus den Kurien der Ritterschaft und den Vertretern der Städte zusammen. Eine Vertretung des Klerus war nicht vorgesehen. Die Stände traten planmäßig alle acht Jahre zusammen.

Obwohl Art. 13 der deutschen Bundesakte vorsah, dass in allen Ländern des Deutschen Bundes landständische Verfassungen und Landtage eingerichtet werden sollten, war im Fürstentum Reuß-Greiz weder eine Verfassung erlassen noch ein Landtag einberufen worden. Die Fürsten waren anti-konstitutionell eingestellt.

In der Deutschen Revolution 1848/49 gab Fürst Heinrich XX. dem Land zwar freiwillig eine Verfassung, doch kam diese nicht zur Ausführung, da die Reaktion die Anwendung der vom Beratungslandtag kurz nach der Revolution von 1848/1849 in Reuß älterer Linie entworfene Verfassung, welche einen Landtag vorsah, zur Makulatur machte.

Entstehungsgeschichte

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Erst im Jahr 1866 ergab sich eine neue Machtsituation. Traditionell Preußen abgeneigt und Österreich zugetan, befand sich Reuß-Greiz nach Österreichs Niederlage im Deutschen Krieg in einer schwierigen Position. Der Reuß-Greizer Diplomatie gelang es, die Selbstständigkeit des Fürstentums zu bewahren, dieses musste jedoch 100.000 Taler an Preußen zahlen und dem Norddeutschen Bund beitreten.

Die Eingliederung in den Norddeutschen Bund bedingte, dass endlich eine Verfassung für Reuß-Greiz erlassen wurde – die Verfassung des Fürstentums Reuß älterer Linie trat am 28. März 1867, dem Tag der Volljährigkeit und damit des Regierungsantritts von Fürst Heinrich XXII., in Kraft.

Im Abschnitt VII (§ 53–86) „von den Landständen“ waren die Regelungen bezüglich des Landtags niedergelegt. Der Landtag bestand aus 12 Mitgliedern, die jeweils einen Stellvertreter hatten. Drei der Mitglieder wurden vom Fürsten ernannt, der Rest in zwei Kurien gewählt. Zwei der Mitglieder wurden von den Ritterguts- und Großgrundbesitzern in direkter Wahl gewählt. 7 Mitglieder wurden von den übrigen Staatsbürgern in indirekter Wahl gewählt. Die Wahldauer betrug 6 Jahre. Alle drei Jahre wurde die Hälfte der Abgeordneten gewählt. Die Abgeordneten erhielten Diäten in Höhe von 2 Taler. Hinzu kamen 15 Silbergroschen, wenn der auswärtige Abgeordnete während der Parlamentsperiode in Greiz einen Wohnsitz nehmen musste. Der Landtagspräsident wurde vom Landtag gewählt. Erster Landtagspräsident wurde Theodor Zopf. Die Kompetenzen des Landtags waren nicht sehr weitreichend. Er verfügte über kein Gesetzesinitiativrecht.

Die ersten Landtagswahlen fanden im Juni/Juli 1867 aufgrund des Wahlgesetzes vom 24. April 1867 statt. Die Landtagseröffnung folgte am 6. August 1867.

In der Geschichte des Landtags kam es nur ein Mal zu einer Landtagsauflösung. Der Greizer Landtag weigerte sich 1878 zwei Mal, der Bildung des Landgerichtes Greiz zuzustimmen, da ein solches zu klein sein würde. Der Fürst löste daher am 29. Juli 1878 den Landtag auf. Der 1878 neugewählte Landtag stimmte am 18. November 1878 der Regierungsvorlage zu.[1]

Parlamentspräsidenten

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Mitglieder des ersten konstitutionellen Landtags

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Kurie Name Ort Vertreter Ort
Vom Fürsten ernannt Konsistorialrat Franz Ludwig Hofmann Greiz Pastor Gottlieb Schwalbe Fröbersgrün
Vom Fürsten ernannt Gerichtsrat Eduard Knoll Greiz Justizrat Carl Zopf Greiz
Vom Fürsten ernannt Kabinettsrat Richard von Geldern-Crispendorf Greiz Kriminalgerichtsassessor Theodor Dietl Greiz
Rittergutsbesitzer Legationsrat Heinrich von Kommerstädt Ober- und Unterschönfeld Gutsbesitzer Carl Friedrich Petzold Schönfeld
Rittergutsbesitzer Rittergutsbesitzer Hugo Wittich Dörflas Gutsbesitzer Franz Ferdinand Hupfer Gottesgrün
Gewählt (Greiz) Kaufmann Richard Leidholdt Greiz Kaufmann Heinrich Schilbach Greiz
Gewählt (Greiz) Theodor Zopf Greiz Fabrikant Ferdinand Büttner Greiz
Gewählt (Zeulenroda) Stadtschreiber, Regierungsadvokat Carl Schmidt Zeulenroda Kaufmann Gustav Birkner Zeulenroda
Gewählt (Landgemeinden) Kaufmann Carl Friedrich Bauch Irchwitz Gutsbesitzer Friedrich Wilhelm Hupfer Gottesgrün
Gewählt (Landgemeinden) Gutsbesitzer Johann Friedrich Strauß Zoghaus Gutsbesitzer Gottfried Heinrich Dietzel Hain
Gewählt (Landgemeinden) Kaufmann Lucian Hempel Greiz Mühlenbesitzer Franz Julius Heller Dölau
Gewählt (Landgemeinden) Justizamtmann Heinrich Weigelt Burgk Amtsschulz Paulus Grimm Zoppoten

Mitglieder des letzten Landtags 1918

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Kurie Name Ort Vertreter Ort
Vom Fürsten ernannt Kommerzienrat Paul Arnold Greiz Fabrikant Gustav Reißmann Greiz
Vom Fürsten ernannt Rechtsanwalt, Justizrat Franz Brösel Greiz Baumeister Heinrich Hoffmann Greiz
Vom Fürsten ernannt Oberbürgermeister Paul Thomas Greiz Stadtrat Franz Ludwig Zeulenroda
Rittergutsbesitzer Rittergutsbesitzer Artur von Geldern-Crispendorf Reudnitz Gutsbesitzer Hugo Edmund Hupfer Gottesgrün
Rittergutsbesitzer Rittergutsbesitzer Georg von Loeben Frotschau Gutsbesitzer August Hermann Reudnitz
Gewählt (Greiz) Weber Albin Beer Greiz Weber Arno Seidel Greiz
Gewählt (Greiz) Rechtsanwalt William Oberländer Greiz Fabrikant Hermann Reinhold Greiz
Gewählt (Zeulenroda) Erster Bürgermeister Ernst Jahn Zeulenroda Fabrikbesitzer Rudolf Schopper Zeulenroda
Gewählt (Landgemeinden) Kaufmann Oswald Fischer (SPD) Greiz Lagerhalter Gustav Dillner (SPD) Irchwitz
Gewählt (Landgemeinden) Zigarrenfabrikant Hermann Herzog (SPD) Hohenölsen Weber Paul Jugold (SPD) Pohlitz
Gewählt (Landgemeinden) Geschäftsführer Paul Kiss (SPD) Greiz Gutsbesitzer und Gemeindevorsteher Hermann Fröbisch Schönbrunn
Gewählt (Landgemeinden) Gutsbesitzer und Standesbeamter Ferdinand Orlamünder Zoppothen Gutsbesitzer und Amtsschulz Karl Müller Grochwitz

[2]

Weitere Geschichte

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In gewissem Maß bedingt durch das Wahlrecht wurden bis zur Novemberrevolution nur sehr wenige Sozialdemokraten Abgeordnete, obwohl die Sozialdemokratie ausweislich der Reichstagswahlergebnisse im Wahlkreis Reuß ä.L. im Lande vielfache Unterstützung erfuhr. Im Mai 1913 wurde durch den Landtag ein neues Wahlgesetz verabschiedet. Nach diesem Gesetz sollte die Zahl der Sitze im Landtag von 12 auf 15 erhöht werden. Mandate sollten die beiden Bürgermeister von Greiz und Zeulenroda qua Amt erhalten. Der dritte Sitz sollte von den Landbürgermeistern durch Wahl bestimmt werden. Aufgrund des Ersten Weltkriegs wurde jedoch nach diesem Wahlrecht nie gewählt.

Nach der Novemberrevolution kam es erstmals und letztmals zu freien Wahlen zum Greizer Landtag. Am 2. Februar 1919 wurden die 15 Sitze im Landtag bei einer Wahlbeteiligung von 74,7 % an folgende Parteien vergeben:

Partei Ergebnis Sitze
USPD 44,51 % 7 Sitze
DDP 22,67 % 4 Sitze
DNVP 16,95 % 2 Sitze
SPD 15,97 % 2 Sitze

Am 4. April 1919 verabschiedete der vereinigte reußische Landtag (also der Greizer Landtag gemeinsam mit dem Landtag Reuß jüngerer Linie) das Gesetz über die Vereinigung der beiden reußischen Freistaaten zu einem Volksstaat Reuß, sowie über die vorläufige Verfassung und Verwaltung. Damit endete die Geschichte des Greizer Landtags.

Einzelnachweise

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  1. Reyk Seela: Landtage und Gebietsvertretungen in den reußischen Staaten 1848/67–1923. Biographisches Handbuch (= Parlamente in Thüringen 1809–1952. Tl. 2). G. Fischer, Jena u. a. 1996, ISBN 3-437-35046-3, S. 72.
  2. Karl-Ferdinand Lohe: Die staatsrechtliche Stellung von Landesregierung und Volksvertretung in Reuß ältere Linie und die Austragung von Gegensächlichkeiten zwischen beiden (1867–1918). 1937, S. 215–216