Gustav Robert Kirchhoff – Wikipedia
Gustav Robert Kirchhoff (* 12. März 1824 in Königsberg (Preußen); † 17. Oktober 1887 in Berlin) war ein deutscher Physiker, der sich insbesondere um die Erforschung der Elektrizität verdient gemacht hat. Bekannt ist er heute vor allem durch die kirchhoffschen Regeln, grundlegende Gesetze der Elektrotechnik-Lehre. Mit Robert Bunsen entwickelte er 1859[1] die Spektralanalyse.
Herkunft
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Seine Eltern waren der Justizrat und Landrichter in Königsberg Carl Friedrich Kirchhoff und dessen Ehefrau Johanne Henriette Wittke.[2] Sein Bruder Carl († 1893) war Reichsgerichtsrat.
Leben
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Gustav Robert Kirchhoff studierte von 1842 bis 1847 Mathematik und Physik an der Universität Königsberg unter anderem bei Franz Neumann und Friedrich Julius Richelot. Von 1850 bis 1854 war er an der Universität Breslau tätig, wechselte dann an die Universität Heidelberg (wo er 1865/66 Prorektor war) und kam 1875 als Professor für theoretische Physik an die Universität Berlin. Diese Stelle hatte er bis 1886 inne. 1864 wurde er in die American Philosophical Society[3] und 1870 in die American Academy of Arts and Sciences gewählt. Ab 1861 war er Mitglied der Preußischen Akademie der Wissenschaften. 1862 wurde er als auswärtiges Mitglied in die Göttinger Akademie der Wissenschaften[4] und als korrespondierendes Mitglied in die Russische Akademie der Wissenschaften in Sankt Petersburg aufgenommen.[5] 1868 wurde er Ehrenmitglied (Honorary Fellow) der Royal Society of Edinburgh[6] und assoziiertes Mitglied der Académie royale des Sciences, des Lettres et des Beaux-Arts de Belgique,[7] 1870 korrespondierendes Mitglied der Académie des sciences in Paris und 1875 auswärtiges Mitglied der Royal Society, deren Rumford-Medaille (1862) und Davy-Medaille (1877) er erhielt.[8] Im Jahr 1876 erhielt er die Cothenius-Medaille der Leopoldina,[9] 1883 wurde er Mitglied der National Academy of Sciences und 1884 der Königlich Niederländischen Akademie der Wissenschaften.
1857 heiratete er Clara Richelot (* 1838; † 1869), eine Tochter des Königsberger Mathematikers Friedrich Julius Richelot. Mit ihr hatte Kirchhoff die beiden Söhne Paul (* 1858; † 1904) und Gustav (* 1859; † 1943) und die beiden Töchter Julia (* 1860; † 1932) und Evelina (* 1868; † 1939), die in Heidelberg geboren wurden und das Erwachsenenalter erreichten. Der 1864 geborene Sohn Friedrich Adolf starb nach einem dreiviertel Jahr. Die aus dieser Ehe stammende Tochter Paula (* 1860; † 1932) war ab 1881 mit dem seit 1878 verwitweten Geologen Wilhelm von Branca verheiratet, dessen erste Ehefrau Catharina (* 1850; † 1878) die Tochter von Hermann von Helmholtz war.[10]
Nach dem Tod seiner ersten Frau heiratete er 1872 Luise Brömmel, die an der Heidelberger Augenklinik beschäftigt war. Kirchhoffs Grab befindet sich auf dem Alten St.-Matthäus-Kirchhof in Berlin-Schöneberg. Es ist seit 1956 als Ehrengrab der Stadt Berlin gewidmet.
Wirken
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Kirchhoff ist bekannt für seine Regeln der elektrischen Stromkreise zur Beschreibung der Abhängigkeit von elektrischer Spannung, elektrischem Strom und elektrischem Widerstand, die er 1845 fand. Diese sogenannten Kirchhoffsche Regeln sind fundamental für Aufbau und Analyse elektrischer Schaltungen sowie die Elektrotechnik allgemein. Entdeckt wurden sie allerdings schon 1833 von Carl Friedrich Gauß bei seinen Experimenten zur Elektrizitätslehre.[11]
Kirchhoff entdeckte 1861 zusammen mit Robert Wilhelm Bunsen bei der Spektralanalyse des Mineralwassers der neu erschlossenen Maxquelle in Dürkheim die Elemente Caesium und Rubidium.[12] Durch ihre Studien wurde es zudem möglich, die Fraunhoferlinie zu erklären und somit eine der wesentlichen Grundlagen der modernen Astronomie zu schaffen
Das Kirchhoffsche Strahlungsgesetz besagt: Materie gleich welcher Art sendet bei Erhitzung eine kontinuierliche Strahlung aus, die je nach der Temperatur unsichtbar oder sichtbar ist. Diese Strahlung nennt man Temperatur- oder Wärmestrahlung. An eine ausgedehnte experimentelle Untersuchung dieses Gesetzes war zunächst nicht zu denken, da die Mittel für die Messung hoher Temperaturen und kleiner Strahlungsenergie fehlten. Die weitreichende Bedeutung wurde jedoch sofort erkannt. Das daraus entwickelte Konzept des Schwarzen Körpers führte schließlich zur Quantenphysik.
Kirchhoff beschäftigte sich auch mit der Plattentheorie; der Piola-Kirchhoff-Spannungstensor, die Kirchhoff-Love-Hypothese und die sogenannten Kirchhoff-Platten erinnern daran.
Kirchhoff bildete keine Schule, aber er brachte durch sein Vorbild manchen Physiker auf den Weg, so den ungarischen Physiker und Geophysiker Loránd Eötvös.[13]
Ehrungen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Der Mondkrater Kirchhoff und der Asteroid (10358) Kirchhoff sind nach ihm benannt, ebenso das „Kirchhoff-Institut für Physik“ (KIP) der Universität Heidelberg. Am 15. Februar 1974 gab die Deutsche Bundespost Berlin anlässlich seines 150. Geburtstages eine Sonderbriefmarke (MiNr. 465) heraus. In Berlin-Adlershof, Bad Dürkheim und in Heidelberg trägt eine Straße seinen Namen.
Schriften (Auswahl)
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Chemische Analyse durch Spectralbeobachtungen. In: Annalen der Physik und Chemie. Band 110 (=186), Nummer 6, 1860, S. 161–189 (mit Robert Bunsen. Digitale Ausgabe. Univ. Heidelberg, 2013).
- Chemische Analyse durch Spectralbeobachtungen. Zweite Abhandlung. In: Annalen der Physik und Chemie. Band 113 (=189), Nummer 7, 1861, S. 337–381 (mit Robert Bunsen. Gallica)
- Über das Ziel der Naturwissenschaften. Prorektoratsrede an der Universität Heidelberg am 22. November 1865. (Digitale Ausgabe. Univ. Heidelberg, 2013)
- Gesammelte Abhandlungen. Johann Ambrosius Barth, Leipzig 1882 (Herausgegeben von Ludwig Boltzmann).
- Gesammelte Abhandlungen. Nachtrag. Johann Ambrosius Barth, Leipzig 1891 (Herausgegeben von Ludwig Boltzmann).
- Vorlesungen über mathematische Physik. 4 Bände, B. G. Teubner, Leipzig 1876–1894.
- Band 1: Mechanik. 1. Auflage. B. G. Teubner, Leipzig 1876 (online).
- Band 2: Mathematische Optik. B. G. Teubner, Leipzig 1891 (Herausgegeben von Kurt Hensel, online).
- Band 3: Electricität und Magnetismus. B. G. Teubner, Leipzig 1891 (Herausgegeben von Max Planck, online).
- Band 4: Theorie der Wärme. B. G. Teubner, Leipzig 1894 (Herausgegeben von Max Planck, online(nicht mehr erreichbar)).
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Biografien
- Walther Gerlach: Kirchhoff, Gustav Robert. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 11, Duncker & Humblot, Berlin 1977, ISBN 3-428-00192-3, S. 649–653 (Digitalisat).
- Klaus Hentschel: Gustav Robert Kirchhoff (1824–1887) und Robert Wilhelm Bunsen (1811–1899). In: Karl von Meyenn (Hrsg.) Die Grossen Physiker. München: Beck, 1997, Band 1, S. 416–430.
- Klaus Hübner: Gustav Robert Kirchhoff. Das gewöhnliche Leben eines außergewöhnlichen Mannes. Verlag Regionalkultur, Ubstadt-Weiher 2010, ISBN 978-3-89735-606-1.
- Robert Knott: Kirchhoff, Gustav Robert. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 51, Duncker & Humblot, Leipzig 1906, S. 165–167.
- Karl-Eugen Kurrer: The History of the Theory of Structures. Searching for Equilibrium, Ernst & Sohn 2018, S. 1015 f (Biografie), ISBN 978-3-433-03229-9.
- Zeitgenössische Erinnerungen
- Gustav Robert Kirchhoff. In: Ludwig Boltzmann: Populäre Schriften. Johann Ambrosius Barth, Leipzig 1905, S. 51–75 (online, Digitale Neuausgabe. Univ. Heidelberg 2009).
- Woldemar Voigt: Zum Gedächtniss von G. Kirchhoff. Rede gehalten in der öffentlichen Sitzung der K. Gesellschaft der Wissenschaften am 5. December 1887 (= Abhandlungen der Königlichen Gesellschaft der Wissenschaften in Göttingen. Band 35, Nummer 7). Dieterich, Göttingen 1888 (online).
- Der Aufsatz von Friedrich Pockels (1865–1913) über Gustav Robert Kirchhoff erschienen in „Heidelberger Professoren aus dem 19. Jahrhundert“ –: Festschrift der Universität zur Zentenarfeier ihrer Erneuerung durch Karl Friedrich. – Band 2, 1903, S. 243–263.
- Karl-Eugen Kurrer: Zur Erinnerung an Gustav Robert Kirchhoff. Aufsätze von Robert v Helmholtz, August W. v. Hofmann, Friedrich Pockels und Emil Warburg, Univ. Heidelberg 2024.
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Literatur von und über Gustav Robert Kirchhoff im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Lebenslauf (LEIFI)
- John J. O’Connor, Edmund F. Robertson: Gustav Robert Kirchhoff. In: MacTutor History of Mathematics archive (englisch).
- Informationen zu und akademischer Stammbaum von Gustav Robert Kirchhoff bei academictree.org
- Die Dunkelheiten aus der Mechanik vertreiben. Gustav Robert Kirchhoff schuf wichtige Grundlagen der modernen Physik und Erkenntnistheorie, in: VDI nachrichten 78. Jg., Nr. 5, 8. März 2024, S. 27.
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Paul Diepgen, Heinz Goerke: Aschoff/Diepgen/Goerke: Kurze Übersichtstabelle zur Geschichte der Medizin. 7., neubearbeitete Auflage. Springer, Berlin/Göttingen/Heidelberg 1960, S. 40.
- ↑ Klaus Hübner: Gustav Robert Kirchhoff – Das gewöhnliche Leben eines außergewöhnlichen Mannes. ( vom 3. März 2016 im Internet Archive) Verlag Regionalkultur, Ubstadt-Weiher, 2010, ISBN 978-3-89735-606-1.
- ↑ Member History: Gustav R. Kirchhoff. American Philosophical Society, abgerufen am 24. Oktober 2018.
- ↑ Holger Krahnke: Die Mitglieder der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen 1751–2001 (= Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen, Philologisch-Historische Klasse. Folge 3, Band 246 = Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften in Göttingen, Mathematisch-Physikalische Klasse. Folge 3, Band 50). Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2001, ISBN 3-525-82516-1, S. 132.
- ↑ Ausländische Mitglieder der Russischen Akademie der Wissenschaften seit 1724. Gustav Robert Kirchhoff. Russische Akademie der Wissenschaften, abgerufen am 7. September 2015 (englisch).
- ↑ Fellows Directory. Biographical Index: Former RSE Fellows 1783–2002. (PDF) Royal Society of Edinburgh, abgerufen am 27. Dezember 2019.
- ↑ Académicien décédé: Gustav Robert Kirchhoff. Académie royale des Sciences, des Lettres et des Beaux-Arts de Belgique, abgerufen am 6. Oktober 2023 (französisch).
- ↑ Eintrag zu Kirchhoff; Gustav Robert (1824–1887) im Archiv der Royal Society, London
- ↑ Preisträger der Cothenius–Medaille Leopoldina von 1864–1953: 1876 Gustav Robert Kirchhoff, abgerufen am 26. Juni 2017.
- ↑ Siehe FamilySearch ID-Nummer KVS5-XQ6, abgerufen am 23. Oktober 2022.
- ↑ Dunnington: Gauss – Titan of Science. American Mathematical Society, S. 161.
- ↑ G. Kirchhoff, R. Bunsen: Chemische Analyse durch Spectralbeobachtungen. In: Annalen der Physik und Chemie. Band 189, Nummer 7, 1861, S. 337–381 (doi:10.1002/andp.18611890702).
- ↑ Wolfgang U. Eckart, Klaus Hübner und Christine Nawa: Aufschwung der Naturwissenschaften – Bunsen, Kirchhoff und Helmholtz. In: Universität Heidelberg, Leibniz–Institut für Länderkunde, Peter Meusburger und Thomas Schuch, herausgegeben im Auftrag des Rektors Prof. Dr. Bernhard Eitel: Wissenschaftsatlas der Universität Heidelberg, Bibliotheca Palatina, Knittlingen 2011, S. 98. Englische Übersetzung: Wolfgang U. Eckart, Klaus Hübner, and Christine Nawa: The Rise of the Natural Sciences – Bunsen, Kirchhoff, and Helmholtz. In: Heidelberg University, Leibniz Institute for Regional Geography Leipzig, Peter Meusburger and Thomas Schuch (eds.) on behalf of Rector Bernhard Eitel: Wissenschaftsatlas of Heidelberg University, Bibliotheca Palatina, Knittlingen, 2012, S. 97.
Personendaten | |
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NAME | Kirchhoff, Gustav Robert |
KURZBESCHREIBUNG | deutscher Physiker |
GEBURTSDATUM | 12. März 1824 |
GEBURTSORT | Königsberg (Preußen) |
STERBEDATUM | 17. Oktober 1887 |
STERBEORT | Berlin |