Berlinisches Gymnasium zum Grauen Kloster – Wikipedia
Das Berlinische Gymnasium zum Grauen Kloster war das älteste und bedeutendste Gymnasium Berlins. Es bestand seit 1574 in Gebäuden des ehemaligen Franziskanerklosters in der Berliner Altstadt. Seit 1945 lag es in Ost-Berlin in der Weinmeisterstraße und seit 1949 in der Niederwallstraße. Verbunden mit einem Teilaustausch der Lehrerschaft 1958 auf Initiative des SED-Vorsitzenden Walter Ulbricht in Oberschule II Berlin-Mitte (später 2. Erweiterte Oberschule Berlin-Mitte), umbenannt, existierte es bis 1984. Die Tradition setzt das Evangelische Gymnasium zum Grauen Kloster in Berlin-Schmargendorf seit 1963 fort.
Lage und Vorgeschichte des Gebäudes
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Das Gymnasium zum Grauen Kloster befand sich in Gebäuden des ehemaligen Franziskanerklosters nördlich der Klosterkirche. Jetzt befinden dort sich eine Grünfläche, sowie der Gehweg und ein Teil der Fahrbahn der Grunerstraße östlich der Klosterstraße.
Um 1474 wurde der Ursprung des Gebäudes von einem Meister Bernhard als zweistöckiges Kapitelhaus errichtet. 1516–18 wurde der Westflügel und 1519 der Nordflügel des damaligen Grauen Klosters angefügt, jener Niederlassung der Franziskaner in der nach dieser benannten Klosterstraße, die hier von ungefähr 1245 bis zur Reformation bestand. Der Name Graues Kloster leitet sich nach Überlieferungen des märkischen Chronisten Andreas Angelus von der Farbe des Habits der Franziskaner ab. Diese Anbauten umschlossen die von Kreuzgängen umgebenen Höfe und zur Straße hinaus führte ein Vorhof.[1]
Nachdem im Jahre 1539 das Kloster säkularisiert wurde, gewährte man den Brüdern ein Wohnrecht auf Lebenszeit. Der letzte, Bruder Peter, starb 1571.
Schulgeschichte 1574–1945
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Am 13. Juli 1574 gründete der neue brandenburgische Kurfürst Johann Georg das Berlinische Gymnasium „Zum Grauen Kloster“.[2] Dazu wurden die zwei ehemaligen Berliner Pfarrschulen von St. Marien und St. Nikolai (die bereits 1571 zusammengelegt worden waren) mit einbezogen. Er übergab dieses der Stadt Berlin, zusammen mit der Klosterkirche und weiteren Klostergebäuden. Es gab bald über 600 Schüler.
Nach 1650 kamen auch bekannte Professoren aus Sachsen und Thüringen als Lehrer an das Berlinische Gymnasium. Um 1680 entstanden das Friedrichswerdersche Gymnasium und das Collége Français als weitere Konkurrenzschulen. Im Mai 1767 wurde das Berlinische Gymnasium mit dem Köllnischen Gymnasium vereint und nunmehr gemeinsam als Berlinisches Gymnasium zum Grauen Kloster fortgeführt.
Ab 1923 gab es auch Mädchenklassen mit Lehrerinnen in dem Gebäude.
Nach der Zerstörung der Schulgebäude am 3. Februar 1945 wurde der Schulbetrieb eingestellt.
Baugeschichte 1574–1945
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Um 1770 ließ der damalige Rektor Anton Friedrich Büsching neben der Franziskaner-Klosterkirche das neue Direktorenhaus (mit Schulgebäude?) errichten. 1819 schenkte Friedrich Wilhelm III. dem Gymnasium das „Lagerhaus“, in dem naturwissenschaftliche Lehrsäle, Bibliothek und Aula beheimatet waren. Der neugotisch ausgezierte Raum der Aula nach Konzept von Karl Friedrich Schinkel wurde mit Werken von Berliner Bildhauern ausgestattet, u. a. einer Luther-Statuette von Johann Gottfried Schadow und Standbildern der zwölf Apostel von Theodor Kalide sowie Werken von Christian Daniel Rauch und Ludwig Wichmann.
1900–1901 wurde nach den Entwürfen der Architekten Georg Matzdorff und Emil Högg ein historisierender Anbau errichtet.[3] Der Bau enthielt im Vorder- und Querhaus Wohnungen für den Direktor und zwei Professoren, im rückwärtigen Teil befanden sich Schlafräume für 12 Schüler. Das Schulgebäude sollte sich harmonisch in die alte Gruppe des Grauen Klosters einfügen, deswegen wurde märkischer Backstein gotischen Charakters mit einigen Motiven späteren Stils wie bei Erkern, Haustür und Schmiedearbeiten verwendet. Die Masken wurden vom Bildhauer Hans Latt in der Ziegelei direkt in Ton geschnitten. Auch den Erker gestaltete der Bildhauer. Die Gesamtkosten beliefen sich auf 283.000 Mark.
- Das neue Schulgebäude von 1770, links angeschnitten das „Lagerhaus“
- Das „Lagerhaus“
- Anbau 1900/01, Giebelfront an der Klosterstraße
- Innenraum des Gymnasiums zum Grauen Kloster
- Sieben Maskenköpfe unter einem Baldachin über dem Haupteingang
- Bildhauerarbeiten, Maskenköpfe
- Bildhauerarbeiten am Giebel der Turnhalle, Bärengruppe (um 1900), Aufnahme von 1930
- Erkerpartie an der Klosterstraße 73
Durch Bombentreffer am 3. Februar 1945 wurden das Gebäude des Gymnasiums und die nebenstehende Kirche schwer beschädigt. Es war geplant, die Ruine in den 1950er Jahren wiederaufzubauen. 1968 wurden die Reste der Klostergebäude (mit mittelalterlichem Kapitelsaal) für die Erweiterung der Grunerstraße beseitigt.
Schulgeschichte 1945–1984
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Etwa seit Mitte 1945 war das Gymnasium zum Grauen Kloster im ehemaligen Rektorenhaus der Friedrichswerderschen Oberrealschule in der Weinmeisterstraße 15 in Mitte untergebracht.
Seit September 1949 befand es sich in dem Schulgebäude in der Niederwallstraße 6/7 am Spittelmarkt, nachdem das Französische Gymnasium von dort nach West-Berlin umgezogen war. Es stand im Ruf eine bürgerliche Eliteschule zu sein. Um 1958 flüchteten 27 Prozent der Schulabgänger sofort nach dem Abitur aus der DDR.[4] Einer der Schüler war Stephan von Schnitzler (1940–1982), Sohn des bekannten Rundfunk- und Fernsehjournalisten Karl-Eduard von Schnitzler aus dessen inzwischen geschiedenen ersten Ehe. Im Juni 1958 beschwerte sich die Mutter im ZK der SED bei Horst Sindermann über ihren Ex-Mann, der die „politische Erziehung“ seiner Kinder vernachlässige, indem er in seinem Privatleben „alle Prinzipen missachte, die er in seiner Arbeit vertritt“. Stephan habe einen Selbstmordversuch hinter sich und nunmehr wolle er nach seinem Abitur in den Westen, was sie wiederum den „politisch schädlichen Einflüssen“ der Schule zuschrieb. Die Beschwerde gelangte zu Ulbricht, der wenige Tage später eine Kampagne gegen das Gymnasium zum Grauen Kloster veranlasste. Dort werde „während des Unterrichts ganz offen“ über Fluchtpläne gesprochen. Die Folge war ein Teilaustausch des Lehrkörpers und als bewusster Bruch der Tradition ihre Umbenennung in Oberschule II Berlin-Mitte, später in 2. EOS Berlin-Mitte. Sie war die einzige staatliche Schule in Ost-Berlins, in der weiterhin altsprachlicher Unterricht angeboten wurde. .[5]
Vereinigungen mit Bezug auf das Graue Kloster
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]An den Berliner Hochschulen studierende Absolventen des Gymnasiums gründeten 1877 eine schlagende Studentenverbindung, den Verein ehemaliger Klosteraner, der sich bald zur Burschenschaft der Klosteraner weiterentwickelte. Um seine elitäre Ausrichtung noch stärker zu betonen, wandelte sich die Burschenschaft schnell in ein Corps um, welches sich von nun an Corps Baltia Berlin nannte und in den Rudolstädter Senioren-Convent aufgenommen wurde. Das Corps Baltia Berlin fusionierte 1954[6] mit dem Corps Silingia Breslau zu Köln und verlegte seinen Sitz nach Köln.
Die Vereinigung ehemaliger Klosteraner, die 1885 gegründet wurde und bis heute die Ehemaligenvereinigung des Grauen Klosters ist, steht zu den Studentenverbindungen in keinem Bezug.
Bibliothek und Archiv
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Schulbibliothek des Gymnasiums mit einem wertvollen Altbestand umfasste vor dem Zweiten Weltkrieg 45.000 Bände. Nach Kriegsverlusten sind davon noch etwa 14.000 Bände des 15. bis 20. Jahrhunderts erhalten, die zurzeit als Leihgabe in der Zentral- und Landesbibliothek Berlin verwahrt werden. Neben den als Litteratura Gymnasii gesondert gesammelten Schriften des Kollegiums enthält die Bibliothek auch die Schenkungen des Schülers Sigismund Streit (1687–1775) und anderer, wie etwa Friedrich Nicolai, sowie Archivbestände der Schule. Die Bücher wurden nach 1989 durch die Streitsche Stiftung neu katalogisiert.
Neubaupläne
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Der vom Land Berlin festgesetzte Bebauungsplan sieht einen Rückbau der Grunerstraße und die Nutzung der ehemals zum Kloster gehörenden Fläche für eine Schule vor. Der am 6. März 2001 gegründete Förderverein des Evangelischen Gymnasiums zum Grauen Kloster – Berlinisches Gymnasium in Berlin-Mitte e. V. möchte auf dem früheren Gelände der Schule wieder ein Gymnasium errichten. Vorsitzende des Vereins ist (Stand 2024) Brigitte Thies-Böttcher, ehemalige Leiterin des altsprachlichen evangelischen Gymnasiums in Berlin-Schmargendorf, das seit 1963 Namen und Tradition des „Grauen Klosters“ fortführt. Konzentrierten sich die Wiedergründungspläne ursprünglich auf eine Schwesterschule dieses Schmargendorfer Gymnasiums, so denkt der Verein nun eher an eine selbständige Schule in Trägerschaft des Landes.[7]
Personen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten](Chronologisch absteigend)
- Monografien
- Historische Kommission zu Berlin e.V. (Hrsg.): Das Graue Kloster in Berlin. Perspektiven aus der Geschichte. Berliner Wissenschafts-Verlag, Berlin 2021, ISBN 978-3-8305-5069-3.
- Knut Elstermann: Klosterkinder. Deutsche Lebensläufe am Gymnasium zum Grauen Kloster in Berlin, be.bra Verlag, Berlin 2009, ISBN 978-3-8148-0168-1.
- Uwe Michas: Das Berlinische Gymnasium zum Grauen Kloster (= Die Mark Brandenburg, Heft 63), Marika Großer Verlag Berlin, 2006, ISBN 978-3-910134-22-5
- Harald Scholtz: Gymnasium zum Grauen Kloster 1874–1974. Bewährungsproben einer Berliner Gymnasialtradition in ihrem vierten Jahrhundert. Deutscher Studienverlag, Weinheim 1998, ISBN 3-89271-768-0.
- Vereinigung ehemaliger Klosteraner zu Berlin: Lieder von der Klostersängerfahrt. Bearbeitet von Ernst Langelütje. Seydel Nachf. Bernhard Hanff, Charlottenburg 1926.
- Aufsätze und Erwähnungen
- Agnes Winter: Das Gelehrtenschulwesen der Residenzstadt Berlin in der Zeit von Konfessionalisierung, Pietismus und Frühaufklärung (1574–1740). Duncker & Humblot, Berlin 2008, ISBN 978-3-428-12439-8 (Quellen und Forschungen zur brandenburgischen und preußischen Geschichte, 34).
- Friedrich August Eckstein: Nomenclator Philologorum. Leipzig 1871, vollständiger, korrigierter Text des Biographischen Lexikons der Klassischen Philologie, bearbeitet von Johannes Saltzwedel. Hamburg 2005. venturus.de (PDF; 2,7 MB)
- Wilhelm Kick (Hrsg.): Moderne Neubauten, 4. Jahrgang, Stuttgarter Architektur-Verlag Kick, Stuttgart 1902, Tafel 44 und Beschreibung.
- Anton Friedrich Büsching: Berlin, Potsdam, Brandenburg 1775. Beschreibung seiner Reise nach Reckahn. (Nachdruck, mit Anmerkungen, Einschüben aus der 2. Auflage von 1780 und einer biografischen Skizze versehen), enthält Abbildungen historischer Kupferstiche vom Grauen Kloster mit Informationen zu den einzelnen Gebäuden. Story, Berlin 2006, ISBN 3-929829-37-1.)
- Martin Diterich: Berlinische Kloster- und Schulhistorie. Nicolai, Berlin 1732. (Neudruck: Scherer, Berlin 1997, ISBN 3-89433-031-7.)
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Bibliothek des Berlinischen Gymnasiums zum Grauen Kloster Leihgabe an die Zentral- und Landesbibliothek Berlin (unter „Spezielle Sammlungen“)
- Werk um 1900, mit ausführlichen Informationen und historischen Abbildungen des Gymnasiums zum Grauen Kloster
- historische Photographien des Grauen Klosters und des Klosterviertels Stadtentwicklung Berlin
- Sammlungen des Berlinischen Gymnasiums zum Grauen Kloster Streitsche Stiftung.
- Jahresberichte des Berlinischen Gymnasium zum Grauen Kloster 1879-1915. in der Universitätsbibliothek Düsseldorf
- Jahresbericht 1840/41 des Berlinischen Gymnasiums
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Was die Mönche in den grauen Kutten Berlin hinterließen ( vom 26. August 2012 im Internet Archive)
- ↑ Berlin und Berliner Geschichten ( vom 2. August 2010 im Internet Archive) Der „Hexenmeister“ aus dem Grauen Kloster. Abgerufen am 1. April 2024.
- ↑ Blätter für Architektur und Kunsthandwerk, 15. Jg., 1902, Tafel 31.
- ↑ Zu den Vorgängen 1958 siehe Gunter Holzweißig: Agitator und Bourgeois: Karl-Eduard von Schnitzler. Berliner Wissenschafts-Verlag, Berlin 2018, ISBN 978-3-8305-3923-0, S. 28 f., dort die folgenden Zitate S. 29.
- ↑ Anke Huschner: Strukturwandel im Schulsystem der Regionen Berlin und Brandenburg. In: Berlinische Monatsschrift (Luisenstädtischer Bildungsverein). Heft 11, 1997, ISSN 0944-5560, S. 20–25 (luise-berlin.de).
- ↑ Geschichte des Corps Baltia Berlin. In: www.silingia.de. Archiviert vom (nicht mehr online verfügbar) am 22. März 2018; abgerufen am 20. Dezember 2020 (Die Website ist passwortgeschützt.).
- ↑ Andreas Conrad, „Eine Ruine mit Zukunft? Das Klosterviertel könnte wieder zu einem Schulstandort werden“, in Tagesspiegel, 2. April 2024, S. B 21.
Koordinaten: 52° 31′ 6,1″ N, 13° 24′ 44,4″ O