Hans Grauert – Wikipedia

Hans Grauert in Moskau, 1966

Hans Grauert (* 8. Februar 1930 in Haren/Ems; † 4. September 2011 in Göttingen) galt als einer der bedeutendsten deutschen Mathematiker der Nachkriegszeit. Sein Spezialgebiet war die Funktionentheorie mehrerer Veränderlicher.

Grauert besuchte von 1946 bis 1949 das Gymnasium in Meppen und studierte (nach einem Semester in Mainz, wo er mathematische Logik hörte) ab 1949 an der Westfälischen Wilhelms-Universität (WWU) in Münster bei Heinrich Behnke, wo er 1954 mit der Arbeit Kählersche Metrik in Holomorphiegebieten promoviert wurde, die zwei Jahre später in den Mathematischen Annalen veröffentlicht wurde.[1] Als Mitglied der Behnke-Schule konnte er dabei von den damals ausgezeichneten Kontakten nach Frankreich, insbesondere zu Henri Cartan profitieren. Vor seiner Dissertation studierte er auch 1953 bei dem Topologen Beno Eckmann an der ETH Zürich. 1955 wurde er Assistenzprofessor in Münster, wo er sich 1957 habilitierte, bevor er 1957/58 für ein Jahr an das Institute for Advanced Study ging. 1959 arbeitete er am Institute des Hautes études Mathematiques (IHES) bei Paris.

Seit September 1959 war er bis zu seiner Emeritierung ordentlicher Professor in Göttingen als Nachfolger von Carl Ludwig Siegel. In Göttingen bildete er eine sehr aktive große Schule der komplexen Analysis. Er hatte auch Gastprofessuren inne, unter anderem in Princeton und Paris.

Zusammen mit Henri Cartan und Reinhold Remmert, einem engen Mitarbeiter seit den 1950er Jahren, war Grauert der wesentliche Motor des Aufschwungs, den die komplexe Analysis mehrerer Veränderlicher nach dem Zweiten Weltkrieg nahm.

1965 gab er einen weiteren Beweis der Mordellvermutung für Funktionenkörper (ursprünglich von Yurij Manin bewiesen). Daneben beschäftigte er sich u. a. mit hyperbolischer Geometrie und nicht-archimedischer Funktionentheorie. Grauert stellte auch Überlegungen über neue geometrische Strukturen für die Verwendung in der Physik an (Statistical geometry and spacetime, Comm. Math. Phys. Band 49, 1976, S. 155, und Nachr. Akad. Wiss. Göttingen 1976), sowie über den Formalismus der Quantentheorie.

Ab 1969 war er Herausgeber der Mathematischen Annalen. 1966 war er Invited Speaker auf dem Internationalen Mathematikerkongress in Moskau (Über die nicht-archimedische Analysis, mit Remmert) und 1958 in Edinburgh (Die Riemannschen Flächen der Funktionentheorie mehrerer Veränderlicher). 1962 hielt er auf dem ICM in Stockholm einen Plenarvortrag (Die Bedeutung des Levischen Problems für die Analytische und Algebraische Geometrie).

Seine Tochter Ulrike Peternell ist ebenfalls Mathematikerin, verheiratet mit dem Mathematiker Thomas Peternell, der bei Grauert promovierte. Weitere Doktoranden sind Günther Trautmann, Klas Diederich (Wuppertal), Wolfgang Fischer (Bremen), Gudrun Kalmbach, Klaus Fritzsche, Ingo Lieb, Helmut Reckziegel (Köln), Oswald Riemenschneider (Hamburg), Jürgen Spilker (Freiburg), Heinz Spindler (Osnabrück).[2]

  • I. Bauer, F. Catanese, Y. Kawamata, T. Peternell, Siu (Hrsg.): Complex geometry : Collection of papers dedicated to Hans Grauert. Springer, Berlin 2002.
  • Reinhold Remmert: Die Algebraisierung der Funktionentheorie. DMV Mitteilungen, 1993, Nr. 4, S. 13–18, doi:10.1515/dmvm-1993-0406 (frei zugänglich)
  • Reinhold Remmert: Komplexe Analysis in Sturm und Drang. Karl Georg Christian von Staudt-Preis für Hans Grauert (Laudatio), DMV Mitteilungen, 1993, Nr. 1, S. 5–13, doi:10.1515/dmvm-1993-0104 (frei zugänglich),
  • Georg Schumacher, Über die Entwicklung der Komplexen Analysis in Deutschland vom Ausgang des 19. Jahrhunderts bis zum Anfang der siebziger Jahre, Jahresbericht DMV Band 98, 1996, S. 41–133, online
  • Alan Huckleberry Hans Grauert (1930–2011), Jahresbericht DMV, Band 115, 2013, Heft 1, S. 21–45, doi:10.1365/s13291-013-0061-7, Arxiv (frei zugänglich)
  • Alan T. Huckleberry, Hans Grauert: Mathematician Pur, DMV Mitteilungen, 2008, Band 16, Heft 2, S. 75–77, doi:10.1515/dmvm-2008-0033 (frei zugänglich), dgln. Notices AMS 2009
  • Alan Huckleberry, Thomas Peternell et al.: Tribute to Hans Grauert, Notices AMS, May 2014, S. 472–483, online

Einzelnachweise

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  1. Charakterisierung der Holomorphiegebiete durch die vollständige Kählersche Metrik, Mathematische Annalen, Band 131, 1956, S. 38–75, online. Siehe Fabrizio Catanese: Nachruf auf Hans Grauert. 8. Februar 1930 – 4. September 2011, Jahrbuch der Göttinger Akademie der Wissenschaften, 2012, Heft 2, S. 308–315, doi:10.1515/jbg-2012-0029.
  2. Hans Grauert im Mathematics Genealogy Project (englisch) Vorlage:MathGenealogyProject/Wartung/id verwendet
  3. Eintrag auf der Internetseite der Academia Europaea
  4. Ausländische Mitglieder der Russischen Akademie der Wissenschaften seit 1724. Hans Grauert. Russische Akademie der Wissenschaften, abgerufen am 20. August 2015 (russisch).