Hanseatischer Volksbund – Wikipedia

Hanseatischer Volksbund (HVB) war der Name einer bürgerlichen Partei in Lübeck in der Zeit der Weimarer Republik.

Die Gründung des Hanseatischen Volksbunds 1926 war eine Konsequenz der Affäre um den Lübecker Bürgermeister Johann Martin Andreas Neumann. Aufgrund von Pressemitteilungen über seine Bekanntschaft mit dem Vorsitzenden des Alldeutschen Verbandes, Heinrich Claß, der Neumann in seine Pläne eines Reichsputsches eingeweiht haben soll, trat Neumann nach einem Misstrauensvotum in der Bürgerschaft am 2. Juni 1926 als Bürgermeister zurück. Zu seinem Nachfolger wurde der sozialdemokratische Senator Paul Löwigt gewählt.[1][2]

Daraufhin schloss sich ein Großteil der bürgerlichen Parteien und Gruppen in Lübeck zur Einheitsliste Hanseatischer Volksbund zusammen, um der stärksten politischen Kraft in Lübeck, der SPD, als Block eine gleichwertige Kraft entgegenzusetzen. Der Volksbund war ein Sammelbecken konservativer Strömungen[3], er präsentierte sich als offen für alle nichtmarxistischen, also Nicht-SPD- und KPD-Wähler.[4] Dem Volksbund gelang es in der durch den Rücktritt Neumanns ausgelösten Regierungskrise, politische Gegensätze zu nivellieren und große Teile des Bürgertums hinter sich zu sammeln.[5] Zu den im Volksbund vereinigten Parteien und Gruppierungen gehörten Völkische Deutschvölkische Freiheitspartei, Deutschnationale Volkspartei, Deutsche Volkspartei sowie die Haus- und Grundbesitzer. Die Deutsche Zentrumspartei schloss sich dem Volksbund nicht an, ebenso die linksliberale Deutsche Demokratische Partei.

Bei der Bürgerschaftswahl 1926 zur vierten Legislaturperiode (1926–1929) der Lübecker Bürgerschaft als Landesparlament am 14. November 1926 erreichte der Hanseatische Volksbund aus dem Stand einen bedeutenden Wahlerfolg und wurde mit 44 % der Stimmen und 36 von 80 Sitzen noch vor der SPD (42,6 %; 35 Sitze) stärkste Fraktion.

Dieser Erfolg wiederholte sich 1929 nicht. In diesem Jahr musste der Volksbund, der im Lübecker Senat auch vier von 11 Senatoren stellte, deutliche Verluste hinnehmen. Er verlor knapp ein Sechstel seiner Wähler an die NSDAP; 1932 kehrte sich das Stimmenverhältnis zwischen beiden beinahe um, als der Volksbund 24 seiner 29 Sitze verlor, vor allem an die NSDAP.[6]

1933 unterstützte der fast bedeutungslos gewordene Volksbund in der Bürgerschaft und im Senat die Machtübernahme durch die NSDAP.[7]

Wahltag Stimmenanteil % Sitze
14. November 1926 44 36
10. November 1929 35.5 29
13. November 1932 6 5
  • Gerhard Schneider: Gefährdung und Verlust der Eigenstaatlichkeit der Freien und Hansestadt Lübeck und seine Folgen (= Veröffentlichungen zur Geschichte der Hansestadt Lübeck. Reihe B, Bd. 14). Schmidt-Römhild, Lübeck 1986, ISBN 3-7950-0452-7.
  • Helmut Stubbe-da Luz: „Hanseatische“ Parteipolitik in der Weimarer Zeit und in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg. Die Sammlungs- und Bürgerblock-Bestrebungen des Hanseatischen Volksbundes sowie der Deutschen Sammlung (Lübeck), der Bremer Demokratischen Volkspartei und des Vaterländischen Bundes Hamburg. In: Michael Hundt (Hrsg.): Geschichte als Verpflichtung. Hamburg, Reformation und Historiographie. Festschrift für Rainer Postel zum 60. Geburtstag (= Beiträge zur deutschen und europäischen Geschichte. Bd. 28). Krämer, Hamburg 2001, ISBN 3-89622-041-1, S. 183–213.

Einzelnachweise

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  1. Ausführlich Gerhard Meyer: Vom Ersten Weltkrieg bis 1985: Lübeck im Kräftefeld rasch wechselnder Verhältnisse. Weimarer Republik. Zeit der Konsolidierung (1924–1928). In: Antjekathrin Graßmann (Hrsg.): Lübeckische Geschichte. Schmidt-Römhild, Lübeck 1988, ISBN 3-7950-3202-4, S. 692 ff.
  2. Abram Enns: Kunst und Bürgertum. Die kontroversen zwanziger Jahre in Lübeck. Weiland u. a., Lübeck u. a. 1978, ISBN 3-7672-0571-8, S. 98.
  3. Julian Freche: Politische Milieus in Lübeck während der Weimarer Republik (1919–1933), Diss.-Projektbeschreibung, abgerufen am 22. Oktober 2015.
  4. Albrecht Schreiber: Zwischen Hakenkreuz und Holstentor. Lübeck 1925 bis 1939 – von der Krise bis zum Krieg. Stadtgeschichte in Presseberichten – der Weg der Hansestadt in das „Tausendjährige Reich“. Lübecker Nachrichten, Lübeck 1983, S. 12.
  5. Hansjörg Buss: „Entjudete“ Kirche. Die Lübecker Landeskirche zwischen christlichem Antijudaismus und völkischen Antisemitismus (1918–1950). Schöningh, Paderborn u. a. 2011, ISBN 978-3-506-77014-1, S. 64.
  6. Hans-Joachim Bieber: Bürgertum in der Revolution. Bürgerräte und Bürgerstreiks in Deutschland 1918–1920 (= Hamburger Beiträge zur Sozial- und Zeitgeschichte. 28). Christians, Hamburg 1992, ISBN 3-7672-1148-3, S. 541.
  7. Elke Imberger: Widerstand „von unten“: Widerstand und Dissens aus den Reihen der Arbeiterbewegung und der Zeugen Jehovas in Lübeck und Schleswig-Holstein 1933–1945 (= Quellen und Forschungen zur Geschichte Schleswig-Holsteins. 98). Wachholtz, Neumünster 1991, ISBN 3-529-02198-9, S. 58, (Zugleich: Kiel, Universität, Dissertation, 1990).