Harlekinschrecken – Wikipedia

Harlekinschrecken

Zonocerus elegans (kurzflügelige Form), aufgenommen in Sambia

Systematik
Klasse: Insekten (Insecta)
Ordnung: Heuschrecken (Orthoptera)
Unterordnung: Kurzfühlerschrecken (Caelifera)
Familie: Kegelkopfschrecken (Pyrgomorphidae)
Unterfamilie: Pyrgomorphinae
Gattung: Harlekinschrecken
Wissenschaftlicher Name
Zonocerus
Stål, 1873

Harlekinschrecken[1] (Zonocerus) sind eine Gattung von Kurzfühlerschrecken (Caelifera) der Familie Kegelkopfschrecken (Pyrgomorphidae) und dem Tribus Phymateini.[2] Die Gattung besteht aus nur zwei Arten, die dazu befähigt sind, Pyrrolizidinalkaloide aus Nahrungspflanzen einzulagern.[1][3] Da sie schwer durch Insektizide bekämpft werden können, sind sie bedeutende landwirtschaftliche Schädlinge, besonders in Bananenplantagen.

Merkmale und Verhalten

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Die Adulttiere sind 24 bis 40 Millimeter groß. Sie tragen eine Warnfärbung (Aposematismus).[4][5][6][7] Auf der dorsalen Mittellinie zwischen dem ersten und zweiten Bauchsegment liegt eine Drüsenöffnung für ein Wehrsekret.[7]

Langflügelige Form von Zonocerus elegans, aufgenommen bei Letaba in Südafrika

Die Flügel können von Generation zu Generation erheblich variieren. Der Flügelpolymorphismus stellt einen Kompromiss dar, der eine kurzflügelige oder flügellose Generation beinhaltet, die kaum fliegen kann, aber in der Lage ist, mehr Eier zu produzieren als die langflügelige Gegenform, die sich gut verbreiten kann, allerdings unter verminderter Fortpflanzungsleistung.[7]

Wie bei einigen anderen Kegelkopfschrecken wurde der Karyotyp männlicher Harlekinschrecken mit 2n = 19 Chromosomen bestimmt und ihre genetische Geschlechtsdetermination folgt dem XX♀–XO♂-System.[8]

Die Weibchen legen Eipakete von 20 bis 40 Eiern mit dem Ovipositor im Boden ab. Die Eientwicklung im Boden dauert meist 8 bis 16 Wochen, kann sich aber auch um mehrere Monate verzögern.[5][6] Viele Tiere sterben nach der ersten Paarung oder der Eiablage.[9] Die Nymphen bilden häufig Schwärme, möglicherweise als Schutz vor Prädation.[7] Aber auch adulte Zonocerus elegans neigen zur Schwarmbildung.[7] Die Tiere sind tagaktiv (diurnal), dies betrifft auch die Verdauungstätigkeit.[10]

Kleinflügelige Form einer weiblichen Harlekinschrecke (Zonocerus variegatus)
Paarung langflügeliger Formen der Harlekinschrecke
  1. Zonocerus elegans (Thunberg, 1815): Typusart; die ursprünglich von Thunberg als Gryllus elegans beschriebene Form gilt heute als Unterart Zonocerus elegans elegans.[2]
  2. Harlekinschrecke: Zonocerus variegatus (Linnaeus, 1758); Zonocerus variegatus tritt dimorph auf, als kurzflügelige und als langflügelige Form.[11]

Die beiden Arten sind im tropischen Regenwald und waldnahen Savannen der Afrotropis verbreitet, Zonocerus elegans hauptsächlich in zentralen und südlichen afromontanen Wäldern, einschließlich Madagaskars, die Harlekinschrecke (Zonocerus variegatus) in West- und Ostafrika.[12]

Die Insekten sind in ihrem Lebensraum weniger anfällig für wetterbedingte Einflüsse oder Prädation durch Wirbeltiere, als vielmehr für Infektionen mit dem Pilz Entomophthora grylli aus der Ordnung der Fliegentöterpilzartigen, insbesondere im letzten Jugendstadium bei hoher Luftfeuchtigkeit. Die Adulttiere werden wesentlich durch den Parasiten Blaesixipha filipjevi geschädigt, eine Fleischfliege.[9]

Sequestrierung von Toxinen

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Die Gattung lagert zu ihrem Schutz vor Fressfeinden Pyrrolizidinalkaloide aus Nahrungspflanzen in ihre Cuticula ein. Dazu gehören insbesondere die Blüten von Chromolaena odorata, ein aus der Neotropis eingeschleppter Neophyt, welcher auf landwirtschaftlich genutzten Flächen gedeiht,[10][1] außerdem das vielfach angebaute Wolfsmilchgewächs Maniok (Manihot esculenta).[13] Mittels exokriner Abwehrdrüsen können Pyrrolizidinalkaloide bei Gefahr auch aktiv abgegeben werden. Die Ausführöffnung liegt auf der dorsalen Mittellinie zwischen dem ersten und zweiten Bauchsegment, das Sekret kann bis zu 20 cm weit verspritzt werden, weshalb die Harlekinschrecke auch „criquet puant“ und „Stinkschrecke“ genannt wird.[7]

Wirtschaftliche Bedeutung

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Aufgrund ihrer Resistenz gegen Pyrrolizidine sind herkömmliche Insektizide weitgehend wirkungslos gegen Harlekinschrecken. Als wirksam erwies sich ein Gemisch aus Erdnussöl und den Konidien des Pilzes Metarhizium flavoviride, der Schnabelkerfe befällt. Sprühen des öligen Gemischs führte zu hoher Sterblichkeit bei der Harlekinschrecke, 70 bis 95 % der Insekten starben.[14]

Beide Arten der Harlekinschrecken werden im europäischen Zoohandel angeboten und in Insektarien idealerweise bei 25 bis 30 °C und 50 bis 60 % Luftfeuchtigkeit gehalten. In Europa können sie mit Blättern von Brombeeren, Eichen und Efeu gefüttert werden, teilweise auch mit Blättern von Rosen und Seidenpflanzen.[5][6]

Traditionell werden Harlekinschrecken von Menschen gegessen. Dazu werden sie kurz gekocht, dann Kopf mit Darm, Flügel und Beine entfernt. Gesalzen werden sie in der Sonne getrocknet. Für die Mahlzeit werden sie gewürzt und gegart. Es besteht der Verdacht, dass die in der dorsalen Drüse verbliebenen Pyrrolizidine für Leberschädigungen verantwortlich sind.[7]

Auf Grund ihrer anspruchslosen Haltung und leichten Züchtbarkeit wird erwogen, Harlekinschrecken als Futtermittel in der Aquakultur des Afrikanischen Raubwelses einzusetzen.[15]

Phylogenetische Stellung

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Die Gattung Zonocerus gehört dem Subtribus Zonocerina Kevan & Akbar, 1964 an, welche dem Tribus Phymateini Bolívar, 1884 zugeordnet wird, innerhalb der Unterfamilie Pyrgomorphinae Brunner von Wattenwyl, 1874. Ihre Schwestergattung im Subtribus Zonocerina ist somit Physemophorus Krauss, 1907.[16]

Harlekinschrecken stehen den 6 Gattungen Physemophorus, Poekilocerus, Phymateus, Phyteumas, Paraphymateus, Rutidoderes besonders nahe, die alle eine dorsale Drüsenöffnung ihres Abdomens aufweisen und im biogeographischen Großkontinent Afrika-Eurasien (Afrotropis, Madagaskar, Sokotra (Insel) und Asien) beheimatet sind.[7] Ein Flügelpolymorphismus wurde außer bei Zonocerus noch in den nahestehenden Gattungen Psedna, Rubellia, Yeelanna, Monistria, Maura, Parapetasia und Chrotogonus beobachtet.[7]

Einzelnachweise

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  1. a b c M. Boppré, O. W. Fischer: Harlekinschrecken (Orthoptera: Zonocerus) – Schadinsekten der besonderen Art. In: Gesunde Pflanzen. 51, 1999, S. 141–149 (PDF).
  2. a b Roskov Y., Kunze T., Orrell T., Abucay L., Paglinawan L., Culham A., Bailly N., Kirk P., Bourgoin T., Baillargeon G., Decock W., De Wever A., Didžiulis V. (ed): Species 2000 & ITIS Catalogue of Life: 2011 Annual Checklist. Species 2000: Reading, UK, abgerufen am 24. September 2012 (englisch).
  3. E. A. Bernays, R. F. Chapman, E. M. Leather, A. R. McCaffery, W. W. D. Modder: The relationship of Zonocerus variegatus (L.) (Acridoidea: Pyrgomorphidae) with cassava (Manihot esculenta). In: Bulletin of Entomological Research, Band 67, Nr. 3, September 1977, S. 391–404, doi:10.1017/S0007485300011202.
  4. Harlekinschrecke, eingesehen am 16. April 2021.
  5. a b c Zonocerus-elegans (Thunberg 1815), eingesehen am 16. April 2021.
  6. a b c Zonocerus variegatus (Linnaeus 1758), eingesehen am 16. April 2021.
  7. a b c d e f g h i Ricardo Marino Perez: Phylogenetic Systematics and Evolution of the Gaudy Grasshopper Family Pyrgomorphidae (Insecta: Orthoptera). Dissertation, Texas A & M University., 12. Dezember 2018.
  8. Seino Richard Akwanjoh1, Dongmo Alain, Dongmo Tonleu, Manjeli Yacouba: Karyotype and meiosis analysis of four species of Cameroonian Pyrgomorphidae (Orthoptera). In: Genetics and Molecular Biology, Band 5, Nr. 2, April 2013, Artikel 43348FE2602, doi:10.5897/IJGMB2013.0065.
  9. a b R. F. Chapman, W. W. Page: Factors Affecting the Mortality of the Grasshopper, Zonocerus variegatus, in Southern Nigeria. In: Journal of Animal Ecology, Band 48, Nr. 1, Februar 1979, S. 271–288 (PDF).
  10. a b A. Babatunde Idowu, Alfred Akinsete: The attraction of Zonocerus variegatus (Orthoptera: Pyrgomorphidae) to different types of lure. In: Rev. Biol. Trop. Band 49, Nr. 2, 2001, S. 673–678.
  11. R. F. Chapman, A. G. Cook, G. A. Mitchell, W. W. Page: Wing dimorphism and flight in Zonocerus variegatus (L.) (Orthoptera: Pyrgomorphidae). In: Bulletin of Entomological Research, Band 68, Nr. 2, Juli 1978, S. 229–242, doi:10.1017/S0007485300007318.
  12. R. F. Chapman, W. W. Page, A. R. McCaffery: Bionomics of the Variegated Grasshopper (Zonocerus Variegatus) in West and Central Africa. In: Annual Review of Entomology, Band 31, Januar 1986, S. 479–505, doi:10.1146/annurev.en.31.010186.002403.
  13. E. A. Bernays, R. F. Chapman, E. M. Leather, A. R. McCaffery, W. W. D. Modder: The relationship of Zonocerus variegatus (L.) (Acridoidea: Pyrgomorphidae) with cassava (Manihot esculenta). In: Bulletin of Entomological Research, Band 67, Nr. 3, September 1977, S. 391–404, doi:10.1017/S0007485300011202.
  14. C. J. Lomer, R. P. Bateman, I. Godonou, D. Kpindou, P. A. Shah, A. Paraiso, C. Prior: Field Infection of Zonocerus variegatus following application of an oil‐based formulation of Metarhizium flavoviride conidia. In: Biocontrol Science and Technology, Band 3, 1993, S. 337–340, doi:10.1080/09583159309355288.
  15. Wilfred O. Alegbeleye, Sam O. Obasa, Olugbenga O. Olude, Kehinde Otubu, Wahab Jimoh: Preliminary evaluation of the nutritive value of the variegated grasshopper (Zonocerus variegatus L.) for African catfish Clarias gariepinus (Burchell. 1822) fingerlings. In: Aquaculture Research, Band 43, Nr. 3, Februar 2012, S. 412–420, doi:10.1111/j.1365-2109.2011.02844.x (PDF).
  16. genus Zonocerus Stål, 1873, Orthoptera Species File (Version 5.0/5.0), eingesehen am 16. April 2021.