Heinrich Christian Schumacher – Wikipedia
Heinrich Christian Schumacher (* 3. September 1780 in Bramstedt; † 28. Dezember 1850 in Altona/Elbe) war ein deutscher Astronom und Geodät. Er gründete die Sternwarte Altona und die erste himmelskundliche Fachzeitschrift Astronomische Nachrichten.
Kindheit und Jugend
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Der Sohn des Amtmannes Andreas Schumacher wurde als Siebenjähriger von seinem Vater dem dänischen König Friedrich VI. – der in Personalunion auch Herzog von Holstein war – vorgestellt. Von dieser Bekanntschaft hat Schumacher im Laufe seines späteren Lebens wiederholt profitiert. Nach dem Tod des Vaters zog seine Mutter mit ihm 1790 nach Altona, wo er beim Holsteiner Topografen Johann Friedrich August Dörfer zur Schule ging. Durch ihn und Jacob Struve, Mathematiker und Direktor des Altonaer Gymnasiums Christianeum, das Schumacher von 1794 bis 1799 besuchte[1], kam er erstmals mit Vermessung und Himmelskunde in Kontakt.
Nach dem Studium der Rechtswissenschaften an den Universitäten Kiel und Göttingen lehrte er als Dozent der Rechte 1805 an der Kaiserlichen Universität Dorpat. Der Mathematiker und Leiter der dortigen Sternwarte Prof. Johann Wilhelm Andreas Pfaff führte ihn an Mathematik und Astronomie heran; beide Fächer studierte er nach seiner Rückkehr mit einem königlichen Stipendium an den Universitäten Kopenhagen und Göttingen.
Von der Juristerei zur Astronomie
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]In Göttingen war Carl Friedrich Gauß sein Lehrer, der Schumacher für die Geodäsie begeisterte. Nach Ablauf des einjährigen Stipendiums besuchten sie zusammen namhafte Astronomen und Mathematiker wie Olbers, Schroeter und Bessel. Bei seinen häufigen Zwischenaufenthalten im heimischen Altona hatte Schumacher sich zudem mit Johann Georg Repsold angefreundet, dessen Sternwarte in Hamburg er seit 1808 regelmäßig nutzte.
1810 wurde Schumacher außerordentlicher Professor der Astronomie in Kopenhagen, 1813 Direktor der Mannheimer Sternwarte und 1815 ordentlicher Professor der Astronomie in Kopenhagen. Von dort kehrte er jedoch umgehend nach Altona zurück, um im Auftrag Friedrichs VI. ab 1817 die geodätische Vermessung des Meridians von Skagen bis Lauenburg/Elbe vorzunehmen, die von Gauß durch Königreich Hannover hindurch fortgesetzt und damit an das Europäische Netz angeschlossen wurde. Hierzu vermaßen sie 1820 zusammen die Braaker Basis.
1820 erhielt er von der Königlich Dänischen Akademie der Wissenschaften in Kopenhagen den Auftrag, Holstein zu vermessen und die Ergebnisse kartographisch darzustellen.
Sternwarte Altona und Astronomische Nachrichten
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]1821 kaufte Schumacher ein Haus an der Altonaer Palmaille, in dem er sein eigenes Institut, die Sternwarte Altona, einrichtete. Ein königliches Privileg umfasste außer einem jährlichen Budget für seine Mitarbeiter auch die Zusicherung, bis zu seinem Tod in Altona leben und forschen zu dürfen. Von den kleinen Erkern des am Hochufer der Elbe gelegenen Gebäudes aus konnte man mehrere entfernte Dreieckspunkte sehen; im Garten wurde ein Meridiankreis von Reichenbach aufgestellt, den Repsold montierte und mit einem eigenen, verbesserten Ableseniveau ausrüstete. Die Polhöhe des Meridiankreises wurde mit 53° 32’ 45’’, seine östliche Länge von Paris mit 30’ 25’’ „in Zeit“ ermittelt (vgl. Altonaer Meridian).
Im Jahr 1823 begann Schumacher auf Vorschlag des dänischen Staatsministers Johannes von Mösting mit der Herausgabe der Astronomische Nachrichten, die die Kommunikation zwischen den Fachleuten und Gelehrten erheblich beförderte. Beiträge von Gauß, Bessel, Rümker, Olbers, Encke, Airy, C. und W.Herschel ließen die bis heute bestehende Zeitschrift schnell zum Sprachrohr der Astronomie werden.
Schumacher und seine Mitarbeiter, namentlich sein langjähriger Observator und Nachfolger Adolph Cornelius Petersen, bestimmten u. a. 1824 den Längenunterschied zwischen Altona und Greenwich durch eine „Chronometerexpedition“, führten 1829/30 auf Gut Güldenstein in Holstein Messungen mit einem von Repsold konstruierten Sekundenpendel durch,[2][3] vermaßen die Trasse für die 1844 eröffnete Eisenbahnlinie zwischen Altona und Kiel und nahmen das Hamburger Stadtgebiet nach dem großen Brand im Jahr 1842 trigonometrisch auf. 1822 wurde Schumacher Mitglied (Fellow) der Royal Society of Edinburgh.[4] Seit 1824 war er korrespondierendes Mitglied der Russischen Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg. 1831 wurde Schumacher in die Académie des sciences[5] und 1834 in die American Academy of Arts and Sciences gewählt. 1835 wurde er zum auswärtigen Mitglied der Göttinger Akademie der Wissenschaften gewählt.[6]
Heinrich Christian Schumacher befasste sich bereits in den 1840er Jahren auch mit dem Problem der Differenzen der astronomischen Zeit zwischen unterschiedlichen Orten und bestimmte für die Fahrpläne der Altona-Kieler Eisenbahn-Gesellschaft (König Christian VIII. Ostseebahn) eine künstliche mittlere Uhrzeit – gut 40 Jahre vor der Internationalen Meridian-Konferenz und ein halbes Jahrhundert vor Einführung der Mitteleuropäischen Zeit.
Schumachers letzte Jahre
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Diese Umtriebigkeit, aber zunehmend auch Probleme mit Christian VIII., dem Nachfolger seines 1839 gestorbenen Gönners auf dem dänischen Thron, führten zu einer Verschlechterung seiner Gesundheit.
Während des Schleswig-Holsteinischen Aufstandes (1848–1850) lagerten vor dem Altonaer Haus des königstreuen Beamten feindliche Soldaten; er selbst stand unter Hausarrest, durfte sich nur noch privat an den Astronomischen Nachrichten beteiligen.
Schumacher starb am 28. Dezember 1850 mit zahlreichen Orden[7][8][9] und Auszeichnungen (darunter die ihm 1829 verliehene Goldmedaille der Royal Astronomical Society) geehrt und als Mitglied zahlreicher bedeutender wissenschaftlicher Akademien.
Seine Altonaer Sternwarte war bis 1872 in Betrieb, das Gebäude sank erst 1941 in Trümmer; die Astronomischen Nachrichten gibt es heute noch. In der Altonaer Altstadt erinnert seit 1868 die Schumacherstraße an ihn. Sein Grab befindet sich auf dem ehemaligen Heilig-Geist-Kirchhof am Ausgang Behnstraße der S-Bahn Station Königstraße und beim Denkmal für den Altonaer Meridian.
Der Mondkrater Schumacher wurde 1935 nach ihm benannt, ebenso 1994 der Asteroid (5704) Schumacher.
Schriften
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Schreiben an den Herrn Doctor W. Olbers in Bremen ..., Hammerich und Heineking, Altona 1821, Digitalisat
- Lagen der Thürme und der Sternwarte in Hamburg gegen den Thurm der grossen Michaeliskirche nebst ihren Höhenunterschieden und Tafeln, um das Hamburger Fussmaass in Dänisches, Preussisches, Französisches und Englisches Maass, und die fremden Maasse in Hamburger Fussmaass zu verwandeln. Perthes-Besser & Mauke, Hamburg 1843. Digitalisat
Briefwechsel
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- C.[Christian] A.[August] F.[Friedrich] Peters (Hg.): Briefwechsel. C. F. Gauss und H. C. Schumacher, Gustav Esch, Altona
- 1. Bd., 1860 Digitalisat
- 2. Bd., 1860 Digitalisat
- 3. Bd., 1861 Digitalisat
- 4. Bd., 1862 Digitalisat
- 5. Bd., 1863 Digitalisat
Herausgeber
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Astronomische Abhandlungen. 3 Bände. Altona 1823–1825.
- Astronomische Nachrichten. Herausgabe, Altona 1822–1850. Nach seinem Tod fortgesetzt, erscheint bis heute
- Jahrbuch : für , (Astronomische Jahrbücher). Tübingen 1836–1844.
- Astronomische Hilfstafeln. 10 Bände. Schultzischen Officin/Jens Hostrup Schultz, Copenhagen 1820–1829, Digitalisat
- G.H.L. Warnstorff (Hg.): Sammlung von Hülfstafeln, herausgegeben im Jahre 1822 von H.C. Schumacher, neu herausgegeben und vermehrt, Hammerich, Altona 1845. Digitalisat
- Populäre Vorlesungen über wissenschaftliche Gegenstände von F.[Friedrich] W.[Wilhelm] Bessel, Perthes-Besser & Mauke, Hamburg 1848, Digitalisat
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Jochen Schramm, Geerd Dahms (Red.): Sterne über Hamburg. Die Geschichte der Astronomie in Hamburg. 2. überarbeitete und erweiterte Auflage, Kultur- & Geschichtskontor, Kultur- & Geschichtskontor, Hamburg 2010, ISBN 978-3-9811271-8-8
- Gerd Hoffmann, Karl-Heinz Nerkamp: Heinrich Christian Schumacher – Der Altonaer Astronom und die Vermessung. Hamburg Landesbetrieb Geoinformation und Vermessung 2009 hamburg.de pdf
- Karin Reich: Schumacher, Heinrich Christian. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 23, Duncker & Humblot, Berlin 2007, ISBN 978-3-428-11204-3, S. 739 f. (Digitalisat).
- Felix Lühning: „...Eine ausnehmende Zierde und Vortheil.“ Geschichte der Kieler Universitätssternwarte und ihrer Vorgängerinnen 1770–1950. Zwei Jahrhunderte Arbeit und Forschung zwischen Grenzen und Möglichkeiten. In: Sonderveröffentlichungen der Gesellschaft für Kieler Stadtgeschichte, Band 56, Wachholtz, Neumünster 2007, ISBN 978-3-529-02497-9 (Zugleich Habilitationsschrift, Fachbereich Mathematik der Universität Hamburg 2002), S. 66–171.
- Fritz Treichel: Schumacher, Heinrich Christian. In: Schleswig-Holsteinisches Biographisches Lexikon. Bd. 3. Wachholtz, Neumünster 1974, S. 249–252.
- Fritz Hauschild: Zur Geschichte der Altonaer Sternwarte von 1851 bis zu ihrem Ende 1872. In: Martin Ewald (Hrsg.): 300 Jahre Altona – Beiträge zu seiner Geschichte. Christians, Hamburg 1964.
- Johann Adolf Repsold: H. C. Schumacher. In: Astronomische Nachrichten. Band 208 (1918), Nr. 4970-71, Spalte 17 ff. harvard.edu
- Christian Olufsen: Biographische Notizen über den verstorbenen Conferenzrath Schumacher. Vorgelesen in der Königlich Dänischen Gesellschaft der Wissenschaften, am 19ten December 1851, von Prof. Olufsen. In: Beilage zu № 864 der Astronomischen Nachrichten, Band 36, 1853, Spalte 393–402, Digitalisat .
- 24. H. C. Schumacher, Biographische Skizze von W. Struve (Lu le 28 mars 1851), in: Bulletin la classe physico-mathematique de l'academie imperiale des sciences, 9. Bd., St. Petersburg 1851, Nr. 209/210, Spalte 257 ff. Digitalisat
- Gustav Adolph Jahn: Heinrich Christian Schumacher. In: Gustav Adolph Jahn (Hg.): Unterhaltungen für Dilettanten und Freunde der Astronomie, Georgraphie und Meteorologie, Heinrich Hunger, Leipzig 1851, Nr. 3, 18. Januar 1851, S. 17–22 Digitalisat , Nr. 4, 25. Januar 1851, (Fortsetzung), S. 25–29 Digitalisat , Nr. 5, 1. Februar 1851, (Schluss), S. 33–35 Digitalisat ,
- Adolph Cornelius Petersen: Schumacher’s Tod. In: Astronomische Nachrichten, Band 31, 1851, Spalte 369–370.
- Heinrich Christian Schumacher. In: Monthly Notices of the Royal Astronomical Society, Band 11, 1851, Seite 73–84, pdf.
- Benjamin Apthorp Gould: Death of Professor Schumacher. In: Astronomical Journal, Band 1, 1851, Seite 175–176, 184.
- Regina Umland: Heinrich Christian Schumacher (1780-1850) In: Gudrun Wolfschmidt (Hrsg.): Astronomie im Ostseeraum - Astronomy in the Baltic, Tredition Verlag, Hamburg 2018, ISBN 978-3-7345-5290-8, S. 300–321.
- Martin Krieger: Heinrich Christian Schumacher (1780–1850) und die Anfänge der dänischen Gradmessung In: Zeitschrift der Gesellschaft für Schleswig-Holsteinische Geschichte, Bd. 146 (2021), S. 195–221.
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Literatur von und über Heinrich Christian Schumacher im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Veröffentlichungen von H. C. Schumacher im Astrophysics Data System
- Nachrufe auf H. C. Schumacher im Astrophysics Data System
- Jochen Schramm: Sterne über Hamburg, friedensblitz.de
- W.Dick, J.Hamel Astronomie von Olbers bis Schwarzschild - Nationale Entwicklungen und internationale Beziehungen im 19.Jahrhundert, p.94-116, Frankfurt/Wien 2002
- Heinrich Christian Schumacher Eintrag bei der Académie royale des Sciences, des Lettres et des Beaux-Arts de Belgique
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Bernd Elsner: Die Matrikel des Christianeums 1738-1850. Verlag Verein für Hamburgische Geschichte, Hamburg 1998; S. 127 (geführt als Nr. 581)
- ↑ Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 18. Leipzig 1909, S. 77; Briefe Schumachers an Gauß vom 11. und 21. Oktober sowie 4. Dezember 1829 und 7. Mai 1830, Briefwechsel 2. Band, Altona 1860, S. 213 books.google, 215, 220, 249. Die am 11. Oktober 1829 mitgeteilte „Breite 54° 13'“ lässt keinen Zweifel daran, dass es sich, entgegen der Annahme in Meyers Großem Konversations-Lexikon, nicht um das auf 55° 34' N östlich von Bogense liegende Gut Gyldensteen gehandelt haben kann.
- ↑ Die Länge des einfachen Secundenpendels auf dem Schlosse Güldenstein, aus den unter der Direction von Schumacher ausgeführten Beobachtungen, abgeleitet von C.A.F. Peters. In Astronomischen Nachrichten Nr. 937, 44. Bd. Hammerich & Lesser, Altona 1855
- ↑ Fellows Directory. Biographical Index: Former RSE Fellows 1783–2002. (PDF-Datei) Royal Society of Edinburgh, abgerufen am 6. April 2020.
- ↑ Verzeichnis der Mitglieder seit 1666: Buchstabe S. Académie des sciences, abgerufen am 27. Februar 2020 (französisch).
- ↑ Holger Krahnke: Die Mitglieder der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen 1751–2001 (= Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen, Philologisch-Historische Klasse. Folge 3, Bd. 246 = Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften in Göttingen, Mathematisch-Physikalische Klasse. Folge 3, Bd. 50). Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2001, ISBN 3-525-82516-1, S. 220.
- ↑ U.a. Träger folgender Auszeichnungen: Großkreuz des Dannebrogorden (28. Juni 1847), Roter Adlerorden II. Klasse mit Brillanten, Stanislausorden III. Klasse, Ehrenlegion, St. Anna-Orden II. Klasse, Offizier des Belgischen Leopolds-Orden: Königlich-dänischer Hof- und Staatskalender für das Schaltjahr 1848, Altona, S. 22.
- ↑ Schumacher war bereits 1819 der Dannebrogorden (in einer niedrigeren Ordensklasse) verliehen worden: 1819, 23. Febr., 4de Klasse, Riddere, Kongelig dansk hof- og statskalender. 1826. Carl Friderich Schubart, Kiobenhavn, S. 39 Digitalisat
- ↑ Ritter des Nordstern-Ordens: Gustav Adolph Jahn: Heinrich Christian Schumacher, S. 26
Personendaten | |
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NAME | Schumacher, Heinrich Christian |
KURZBESCHREIBUNG | deutscher Astronom und Geodät |
GEBURTSDATUM | 3. September 1780 |
GEBURTSORT | Bramstedt |
STERBEDATUM | 28. Dezember 1850 |
STERBEORT | Altona/Elbe |