Bandlücke – Wikipedia

Als Bandlücke (englisch band gap), auch Bandabstand bzw. verbotene Zone, wird der energetische Abstand zwischen Valenzband und Leitungsband eines Festkörpers bezeichnet. Dessen elektrische und optische Eigenschaften werden wesentlich durch die Größe der Bandlücke bestimmt. Die Größe der Bandlücke wird üblicherweise in Elektronenvolt (eV) angegeben.

Bandlücken ausgewählter Materialien
Material Art Energie in eV
0 K 300 K
Elemente
C (als Diamant) indirekt 5,4 5,46–5,6[1]
Si indirekt 1,17 1,12
Ge indirekt 0,75 0,67
Se direkt 1,74
IV-IV-Verbindungen
SiC 3C indirekt 2,36
SiC 4H indirekt 3,28
SiC 6H indirekt 3,03
III-V-Verbindungen
InP direkt 1,42 1,27
InAs direkt 0,43 0,355
InSb direkt 0,23 0,17
InN direkt 0,7
InxGa1-xN direkt 0,7–3,37
GaN direkt 3,37
GaP 3C indirekt 2,26
GaSb direkt 0,81 0,69
GaAs direkt 1,52 1,42
AlxGa1-xAs x<0,4 direkt,
x>0,4 indirekt
1,42–2,16
AlAs indirekt 2,16
AlSb indirekt 1,65 1,58
AlN direkt 6,2
BN 5,8
II-VI-Verbindungen
TiO2 3,03 3,2
ZnO direkt 3,436 3,37
ZnS 3,56
ZnSe direkt 2,70
CdS 2,42
CdSe 1,74
CdTe 1,45

Nach dem Bändermodell sind gebundene Zustände der Elektronen nur auf bestimmten Intervallen der Energieskala zugelassen, den Bändern. Zwischen den Bändern können (aber müssen nicht) energetisch verbotene Bereiche liegen. Jeder dieser Bereiche stellt eine Lücke zwischen den Bändern dar, jedoch ist für die physikalischen Eigenschaften eines Festkörpers nur die eventuelle Lücke zwischen dem höchsten noch vollständig mit Elektronen besetzten Band (Valenzband, VBM) und dem nächsthöheren (Leitungsband, CBM) von entscheidender Bedeutung. Daher ist mit der Bandlücke immer diejenige zwischen Valenz- und Leitungsband gemeint.

Das Auftreten einer Bandlücke in manchen Materialien lässt sich quantenmechanisch durch das Verhalten der Elektronen in dem periodischen Potential einer Kristallstruktur verstehen. Dieses Modell der quasifreien Elektronen liefert die theoretische Grundlage für das Bändermodell.

Falls das Valenzband mit dem Leitungsband überlappt, tritt keine Bandlücke auf. Ist das Valenzband nicht vollständig mit Elektronen besetzt, so übernimmt der obere nicht gefüllte Bereich die Funktion des Leitungsbandes, folglich hat man auch hier keine Bandlücke. In diesen Fällen reichen infinitesimale Energiebeträge zur Anregung eines Elektrons aus.

Elektrische Leitfähigkeit

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Nur angeregte Elektronen im Leitungsband können sich praktisch frei durch einen Festkörper bewegen und tragen zur elektrischen Leitfähigkeit bei. Bei endlichen Temperaturen sind durch thermische Anregung immer einige Elektronen im Leitungsband, jedoch variiert deren Anzahl stark mit der Größe der Bandlücke. Anhand dieser wird deshalb die Klassifizierung nach Leitern, Halbleitern und Isolatoren vorgenommen. Die genauen Grenzen sind unscharf, man kann jedoch in etwa folgende Grenzwerte als Faustregel benutzen:

  • Leiter haben keine Bandlücke.
  • Halbleiter haben eine Bandlücke im Bereich von 0,1 bis ≈ 4 eV.[2]
  • Nichtleiter haben eine Bandlücke größer als 4 eV.[2]

Optische Eigenschaften

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Die Fähigkeit eines Festkörpers zur Lichtabsorption ist an die Bedingung geknüpft, die Photonenenergie mittels Anregen von Elektronen aufzunehmen. Da keine Elektronen in den verbotenen Bereich zwischen Valenz- und Leitungsband angeregt werden können, muss die Energie eines Photons die Energie der Bandlücke übertreffen

ansonsten kann das Photon nicht absorbiert werden.

Die Energie eines Photons ist an die Frequenz (Ny) der elektromagnetischen Strahlung gekoppelt über die Formel

mit dem Planckschen Wirkungsquantum

Besitzt ein Festkörper eine Bandlücke, so ist er demnach für Strahlung unterhalb einer gewissen Frequenz bzw. oberhalb einer gewissen Wellenlänge transparent. (Im Allgemeinen ist diese Aussage nicht ganz korrekt, da es auch andere Möglichkeiten gibt, die Photonenenergie zu absorbieren.) Speziell für die Durchlässigkeit von sichtbarem Licht (Photonenenergien um 2 eV) lassen sich folgende Regeln ableiten:

  1. Metalle können nicht transparent sein.
  2. Transparente Festkörper sind meistens Isolatoren. Es gibt aber auch elektrisch leitfähige Materialien mit vergleichsweise hohem Transmissionsgrad, z. B. transparente, elektrisch leitfähige Oxide.

Da die Absorption eines Photons mit der Anregung eines Elektrons vom Valenz- ins Leitungsband verbunden ist, besteht ein Zusammenhang zwischen Lichteinfall und elektrischer Leitfähigkeit. Insbesondere sinkt der elektrische Widerstand eines Halbleiters mit steigender Lichtintensität, was z. B. bei Helligkeitssensoren genutzt werden kann, siehe auch unter Fotoleitung.

Arten (mit Bandstrukturdiagramm)

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Direkter Bandübergang: Ein Übergang zum rechten Nebenminimum wäre indirekt, aber energetisch ungünstiger.

Direkte Bandlücke

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Das Minimum des Leitungsbandes liegt im -Diagramm direkt über dem Maximum des Valenzbandes;
darin ist der Wellenvektor, der bei Photonen proportional ist zu ihrem vektoriellen Impuls:

mit dem reduzierten Planckschen Wirkungsquantum

Bei einem direkten Übergang vom Valenzband zum Leitungsband liegt der kleinste Abstand zwischen den Bändern direkt über dem Maximum des Valenzbandes. Daher ist die Änderung , wobei der Impulsübertrag des Photons wegen seiner im Vergleich geringen Größe vernachlässigt wird.

Anwendungsbeispiele: Leuchtdiode

Indirekte Bandlücke

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Indirekter Bandübergang: Ein direkter Bandübergang wäre hier energetisch ungünstiger.

Bei einer indirekten Bandlücke ist das Minimum des Leitungsbandes gegenüber dem Maximum des Valenzbandes auf der -Achse verschoben, d. h. der kleinste Abstand zwischen den Bändern ist versetzt. Die Absorption eines Photons ist nur bei einer direkten Bandlücke effektiv möglich, bei einer indirekten Bandlücke muss ein zusätzlicher Quasiimpuls () beteiligt werden, wobei ein passendes Phonon erzeugt oder vernichtet wird. Dieser Prozess mit einem Photon allein ist aufgrund des niedrigen Impulses des Lichts wesentlich unwahrscheinlicher, das Material zeigt dort eine schwächere Absorption. Halbleiter, wie Silicium und Germanium, mit einem indirekten Bandübergang haben daher für die Optoelektronik ungünstige Eigenschaften.

Einfluss der Kristallstruktur

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Wie oben erwähnt ist die Art und Größe der Bandlücke eng mit dem der Kristallstruktur des betrachteten Materials verbunden und nicht auf das chemische Element festgelegt. Daraus folgt, dass andere Kristallisationsformen eines Elements auch andere Eigenschaften der Bandlücke aufweisen können oder dass Verzerrungen der Kristallstruktur (durch äußeren Zwang oder die Temperatur) diese beeinflussen können. So wurde 1973 theoretisch vorhergesagt, dass Germanium (eigentlich ein indirekter Halbleiter in Diamantstruktur) in hexagonaler Kristallstruktur ein direkter Halbleiter ist.[3] 2020 gelang es, hexagonale Silizium-Germanium-Kristalle zu züchten, indem man sie auf Nanodrähte mit Galliumarsenid aufdampfte, die bereits hexagonale Struktur hatten, und somit Silizium-Germanium-Kristalle mit direkter Bandlücke zu erzeugen.[4][5]

Temperaturabhängigkeit

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Anregung eines Halbleiters durch thermische Energie

Die Energie der Bandlücke nimmt mit steigender Temperatur für viele Materialien zuerst quadratisch, dann linear ab, und zwar ausgehend von einem maximalen Wert bei . Für einige Materialien, die in Diamantstruktur kristallisieren, kann die Bandlücke auch mit steigender Temperatur größer werden. Die Abhängigkeit lässt sich phänomenologisch u. a. mit der Varshni-Formel beschreiben:[6]

mit der Debye-Temperatur

Die Varshni-Parameter können für unterschiedliche Halbleiter angegeben werden:

Varshni-Parameter für ausgewählte Halbleiter
Halbleiter Eg (T=0K)
(eV)

(10−4 eV/K)

(K)
Quelle
Si 01,170 04,73 0636 [7]
Ge 00,744 04,774 0235
GaAs 01,515 05,405 0204 [7]
GaN 03,4 09,09 0830 [8]
AlN 06,2 17,99 1462 [8]
InN 00,7 02,45 0624 [8]

Dieses Temperaturverhalten ist hauptsächlich auf die relative Positionsverschiebung von Valenz- und Leitungsband durch die Temperaturabhängigkeit der Elektron-Phonon Wechselwirkungen zu erklären. Ein zweiter Effekt, der u. a. bei Diamant zu einem negativen führt, ist die Verschiebung aufgrund der thermischen Ausdehnung des Gitters. Diese kann in bestimmten Bereichen nicht-linear und auch negativ werden, wodurch negative erklärbar werden.[6]

Anwendungen gibt es vor allem in der Optik (u. a. verschiedenfarbige Halbleiter-Laser) und in allen Gebieten der Elektrotechnik, wobei man u. a. die Halbleiter- bzw. Isolator-Eigenschaften der Systeme und ihre große Variabilität (z. B. durch Legierung) ausnutzt. Zu den Systemen mit Bandlücke gehören auch die seit etwa 2010 aktuellen sog. topologischen Isolatoren, bei denen zusätzlich zu den Zuständen im Innern, die keinen Strom tragen, (fast) supraleitende Oberflächenströme auftreten.

Commons: Bandlücken – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

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  1. Jerry L. Hudgins: Wide and narrow bandgap semiconductors for power electronics: A new valuation. In: Journal of Electronic Materials, June 2003, Volume 32, Issue 6. Springer, 17. Dezember 2002, S. 471–477, abgerufen am 13. August 2017 (englisch).
  2. a b A. F. Holleman, E. Wiberg, N. Wiberg: Lehrbuch der Anorganischen Chemie. 101. Auflage. Walter de Gruyter, Berlin 1995, ISBN 3-11-012641-9, S. 1313.
  3. J. D. Joannopoulos, Marvin L. Cohen: Electronic Properties of Complex Crystalline and Amorphous Phases of Ge and Si. I. Density of States and Band Structures. In: Physical Review B. Band 7, Nr. 6, 15. März 1973, S. 2644–2657, doi:10.1103/PhysRevB.7.2644.
  4. Hamish Johnston: Silicon-based light emitter is ‘Holy Grail’ of microelectronics, say researchers. In: Physics World. 8. April 2020.
  5. Elham M. T. Fadaly u. a.: Direct-bandgap emission from hexagonal Ge and SiGe alloys. In: Nature. Band 580, Nr. 7802, April 2020, S. 205–209, doi:10.1038/s41586-020-2150-y, arxiv:1911.00726.
  6. a b Y. P. Varshni: Temperature dependence of the energy gap in semiconductors. In: Physica. Band 34, Nr. 1, S. 149–154, doi:10.1016/0031-8914(67)90062-6.
  7. a b Hans-Günther Wagemann, Heinz Eschrich: Solarstrahlung und Halbleitereigenschaften, Solarzellenkonzepte und Aufgaben. Vieweg+Teubner Verlag, 2007, ISBN 3-8351-0168-4, S. 75.
  8. a b c Barbara Monika Neubert: GaInN/GaN LEDs auf semipolaren Seitenfacetten mittels selektiver Epitaxie hergestellter GaN-Streifen. Cuvillier Verlag, 2008, ISBN 978-3-86727-764-8, S. 10.