Jörg Sasse – Wikipedia
Jörg Sasse (* 1962 in Bad Salzuflen) ist ein deutscher Fotograf und bildender Künstler. Er gilt als Vertreter der Düsseldorfer Fotoschule.
Werk
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Er lebt und arbeitet in Berlin. Sasse studierte als Meisterschüler bei Bernd Becher an der Kunstakademie Düsseldorf. Dort hatte er von 1988 bis 1989 einen Lehrauftrag. Anschließend folgten diverse Projekte und Vorträge an verschiedenen Hochschulen. Ab 2003 war Sasse Professor für Dokumentarfotografie an der Universität Duisburg-Essen (heute Folkwang Universität der Künste), die er auf eigenen Wunsch nach fünf Jahren Lehrtätigkeit wieder verließ.
Jörg Sasse ist im traditionellen Sinne kein Fotograf. Fotografien Anderer aus sehr unterschiedlichen und zufälligen Quellen wie Fotoalben (Aufkauf von Nachlässen) und Flohmärkten dienen ihm als Vorlagen, die als Grundlage für neue Bilder dienen. Diesen Prozess des Collagierens und Veränderns betreibt Sasse am Computer. Jörg Sasse verändert eine Vielzahl der vorgefundenen Elemente der Fotografien: Ausschnitt, Perspektive, Farbe, Schärfe usw. Es entstehen Bilder, deren Ursprung oft nicht mehr erkennbar ist. Sie präsentieren eine perfekte neue Realität, die aber Sprünge besitzt. In seinem Spiel mit der Wirklichkeit bzw. der fotografisch dargestellten Realität gelingt es Sasse, dass für die Betrachter bei genauerem Hinsehen Irritationen entstehen, die aus Widersprüchen zwischen Alltagserfahrung und -wahrnehmung herrühren (z. B. in dem er die Zentralperspektive scheinbar aufhebt). Die Bildtitel generiert Sasse in der Regel als vierstellige Zahlenkombinationen, so dass Verweise auf die Gegenstände der verwendeten Fotografie ebenso fehlen wie auf einen intendierten neuen Gegenstand.
Sasse beschäftigt sich in seiner fotografischen Arbeit mit dem Alltag, der Alltagskultur, die in den Werken von Amateurfotografen abgebildet ist. Ausgangspunkte waren der frühe Beginn einer Sammlung von Amateurfotografien, sowie die seit den 1980er Jahren selbstfotografierten alltäglichen Inneneinrichtungen, entsprechende Details und Schaufenster. Angesichts der Möglichkeiten der Computertechnik konzentrierte er sich seit ca. 1990 schließlich zunehmend auf das Bearbeiten fremder Fotografien, 1993 veröffentlichte er sein erstes auf diese Weise entstandenes Bild, ein sogenanntes „Tableau“.
2004 stellte er erstmals seine „Skizzen“ vor, digital bearbeitete Aufnahmen in kleineren Formaten. Die aus Skizzen entstehenden Arbeiten bezeichnet er als „Tableaus“, sie bilden seit den 1990ern den Schwerpunkt seines Werkes. Es handelt sich um großformatige Bilder, die teilweise stark verfremdet sind und sich von der Auseinandersetzung mit dem Alltag entfernen (siehe hierzu das Plakat auf dem Porträt Sasses, das einen Ausschnitt aus einem seiner Tableaus wiedergibt). Sie zeichnen sich aus durch eine Art malerische Komponente.
Sasses 2008 erstmals im Musée National d’Art Moderne in Paris ausgestellte Arbeit Speicher I ist eine 3-dimensionale Skulptur, die 512 Bilder beinhaltet. Die Arbeit ist die Analogisierung einer komplexen digitalen Datenbank, die es ermöglicht, zu 56 unterschiedlichen Kategorien die verschiedenartigsten Hängewände zu erzeugen. Die Arbeit ist seit 2010 im Kunstmuseum Bonn in einem eigenen Raum zu sehen.
Der Speicher II, der das erste Mal in Essen im Rahmen der RUHR.2010 – Kulturhauptstadt Europas gezeigt wurde, umfasst ebenfalls 512 Bilder. Das Ausgangsmaterial für den Speicher II stammt jedoch gänzlich aus dem Ruhrgebiet aus den Jahren zwischen Mitte der 1950er Jahre bis 2009.
Neben den „Tableaus“ entsteht seit dem Jahr 2009 die Serie der „Lost Memories“, deren fotografischer Ursprung nicht sofort ersichtlich ist. Wie auch bei den „Tableaus“ werden hier bei der Bearbeitung am Computer alle Entscheidungen zum Bild im Prozess getroffen. Die oftmals in anderen Arbeiten erzeugte Erinnerung an etwas zuvor Gesehenes wird bei den „Lost Memories“ überführt in den Spannungsraum zwischen der Wahrnehmung fotografischer Farbräume und die mit organischen Strukturen verbundenen Assoziationen.
Jörg Sasse war Mitglied im Deutschen Künstlerbund.[1] Seine Bilder befinden sich im Besitz zahlreicher Sammlungen. So besitzt das Solomon R. Guggenheim Museum in New York zwei Bilder von ihm[2] und das Städel Museum in Frankfurt eines seiner Bilder.[3] Die Sammlung der Deutschen Börse Photography Foundation enthält vier Werke von Sasse.[4]
Bücher (Fotobände), Auswahl
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- 1992 Jörg Sasse: Vierzig Fotografien 1984 - 1991, Schirmer/Mosel, München
- 1996 Jörg Sasse: Ausstellungskatalog Kölnischer Kunstverein/Kunsthalle Zürich, Cantz, Ostfildern
- 1997 Jörg Sasse: Ausstellungskatalog Musée d'art moderne de la ville de Paris, Paris
- 1998 Jörg Sasse: Ausstellungskatalog Portikus, Frankfurt/Main
- 2001 Jörg Sasse: Arbeiten am Bild, Kunsthalle Bremen, Schirmer/Mosel, München
- 2004 Jörg Sasse: Tableaux & Esquisses, Musée de Grenoble, Schirmer/Mosel, München
- 2005 Jörg Sasse: Tableaus & Skizzen 2004/2005, Kunstmuseum Bonn und Kunstverein Hannover, Schirmer/Mosel, München
- 2006 Jörg Sasse: Skizzen – Der Grenoble Block, Schirmer/Mosel, München
- 2007 Jörg Sasse: d8207, Verlag der Buchhandlung Walther König, Köln
Institutionelle Einzelausstellungen, Auswahl
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- 1992 Ausstellungsgebäude Mathildenhöhe, Darmstadt
- 1994 Marburger Kunstverein, Marburg
- 1995 Oldenburger Kunstverein, Oldenburg
- 1996 Städtische Galerie Wolfsburg
- 1996 Kölnischer Kunstverein, Köln
- 1997 Kunsthalle Zürich (Schweiz)
- 1997 Musée d’art moderne de la Ville de Paris, Paris (Frankreich)
- 1998 Portikus, Frankfurt am Main
- 2001 Kunsthalle Bremen
- 2004 Musée de Grenoble, Grenoble (Frankreich)
- 2005 Kunstmuseum Bonn
- 2006 Kunstverein Hannover
- 2007 Museum Kunst Palast, Düsseldorf – d8207
- 2012 C/O Berlin, Berlin – Common Places
- 2013 DZ Bank, Frankfurt / Main – Arbeiten am Bild
- 2015 House of Art, České Budějovice (Tschechien) – File Transfer
- 2015 Kunsthalle Bielefeld – Serendipity
- 2015 Kunsthalle Gießen – Relationen
- 2018 Galerie Wilma Tolksdorf, Frankfurt am Main - Lisbon Films
- 2021 Galerie Wilma Tolksdorf, Frankfurt am Main - Framed
Ausstellungsbeteiligungen, Auswahl
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- 1998 Institute of Contemporary Arts, London – Sightings
- 1999 Kunstverein Freiburg – Unschärferelation
- 2000 Fotomuseum Winterthur – Hybrid
- 2000 Museum Ludwig, Köln – Zeitgenössische Positionen zur Architekturphotographie
- 2001 Biennale d’Art Contemporain, Lyon
- 2002 Solomon R. Guggenheim Museum, New York – Moving Pictures
- 2002 Museum Kunst Palast, Düsseldorf – heute bis jetzt
- 2003 Städel Museum, Frankfurt am Main – Traumwelten. Imagination und Wirklichkeit
- 2005 Museum für Kunst und Kulturgeschichte Dortmund – Munch revisited – Edvard Munch und die heutige Kunst
- 2005 The Photographers’ Gallery, London – Deutsche Börse Photography Prize
- 2005 Sammlung Goetz, München – Imagination wird Wirklichkeit
- 2005 Huis Marseille, Amsterdam – Whisper Not!, A different dimension of seeing: Huis Marseille / H+F Collection
- 2006 Kunstmuseum Celle & Städtische Galerie, Delmenhorst – Die Liebe zum Licht – Internationale zeitgenössische Fotografie
- 2007 Kunstmuseum Bochum – Die Liebe zum Licht – Internationale zeitgenössische Fotografie
- 2007 ZKM Karlsruhe – Imagination Becomes Reality, Sammlung Goetz
- 2007 Museum Ludwig, Budapest – Dialogues and Attitudes – From the traditional forms of photography to auteur photography
- 2008 Musée National d’Art Moderne, Paris – Objectivités
- 2008 Kunsthalle Hamburg[5]
- 2010 Zeche Zollverein, Essen – Ruhrblicke
- 2010 Kunstmuseum St. Gallen, St. Gallen – Next Generation
- 2012 Kunstverein Hildesheim – Points of View[6]
- 2013 Prague Biennale, Prag
- 2013 Kunsthalle Bremen, Zeitgenössische Fotografie und Videokunst aus der Sammlung
- 2013 Kunsthalle Bielefeld, To Open Eyes – Kunst und Textil vom Bauhaus bis heute
- 2014 DZ BANK Kunstsammlung, Frankfurt am Main – Blütezeit
- 2015 Kunstforum Wien – Landscape in my Mind
- 2015 NRW-Forum, Düsseldorf – Human Nature
- 2015 Musée de Grenoble, De Picasso à Warhol
- 2015 Museum im Kulturspeicher Würzburg, Lichtbild und Datenbild – Spuren Konkreter Fotografie
- 2015 Belvedere, Wien, Selbstverständlich Malerei!
- 2015 Kunsthalle, Nürnberg, Homebase. Das Interieur in der Gegenwartskunst
- 2016 Parasol Unit Foundation, London, Magical Surfaces: The Uncanny in Contemporary Photography
- 2016 Hamburger Kunsthalle, Honey, I Rearranged The Collection
- 2016 Museum Kunstpalast, Düsseldorf - Hinter dem Vorhang. Verhüllung und Enthüllung seit der Renaissance
- 2017 Städel Museum, Frankfurt am Main - Fotografien werden Bilder - Die Becher-Klasse
- 2017 Kunstraum Düsseldorf, 4x3 2017
- 2018 Sprengel Museum, Hannover, Kleine Geschichte(n) der Fotografie (#1)
- 2018 Münchner Stadtmuseum, LAND__SCOPE
- 2019 DonGang Museum uf Photography, Südkorea - Main International Exhibition: "Akademie Series 1 : Kunstakademie Düsseldorf"
- 2019 ZKM Karlsruhe, Writing the History of the Future
- 2020 Kunsthalle Düsseldorf, SUBJEKT und OBJEKT. FOTO RHEIN RUHR
- 2020 Museum Kurhaus Kleve, Freischwimmer
- 2022 Kunsthalle Bremen, Sunset. Ein Hoch auf die sinkende Sonne
Preise, Auszeichnungen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- 1995 Deutscher Künstlerbundpreis der Sparkasse[7]
- 2003 Cologne Fine Art-Preis
Zitate
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- „Kunst ist unvorhersehbar, sie entsteht oder verschwindet in einem Prozeß, der nicht linear ist und von ständigen Rückkopplungen chaotischer oder zufälliger Ereignisse traktiert wird.“ aus Jörg Sasse: Ein paar Zeilen zu Netzwerken, 2009
- „Wir sind dem ‚Belogen-Werden‘ durch Bilder grundsätzlich in einer Nachrichtensendung ebenso ausgesetzt wie vor einem Werbeplakat.“ Jörg Sasse in einem Interview von Jörg Gruneberg zum Dokument-Charakter der Fotografie, erschienen in Scheinschlag, Nr.1-2006, Berlin
- „Zu den Bedingungen der Fotografie gehört es, mit einem bereits gefüllten Bildraum umzugehen.“ Jörg Sasse: Wo ist Trotzkij?, erschienen in Living, 8/95
- „Was mich interessiert ist […] der Punkt, an dem man meint, etwas erkannt zu haben, das sich im nächsten Moment jedoch wieder entzieht.“ Jörg Sasse im Gespräch mit Matthias Lange, erschienen in PAKT, Ausgabe #7, Sommer 95
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Offizielle Website von Jörg Sasse
- Literatur von und über Jörg Sasse im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Sasse in der Künstlerdatenbank von ifa
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ kuenstlerbund.de: Ordentliche Mitglieder des Deutschen Künstlerbundes seit der Gründung 1903 / Sasse, Jörg ( des vom 4. März 2016 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. (abgerufen am 7. Januar 2016)
- ↑ Guggenheim Images (Online ( des vom 4. Januar 2013 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. , abgerufen am 4. März 2012)
- ↑ http://www.staedelmuseum.de/sm/index.php?StoryID=1334&ObjectID=1679
- ↑ Jörg Sasse bei der Deutsche Börse Photography Foundation
- ↑ Archivlink ( des vom 17. Juni 2012 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
- ↑ http://www.kunstverein-hildesheim.de/
- ↑ kuenstlerbund.de: Deutscher Künstlerbundpreis der Sparkasse / 1995 ( des vom 3. Juli 2015 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. (abgerufen am 7. Dezember)
Personendaten | |
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NAME | Sasse, Jörg |
KURZBESCHREIBUNG | deutscher Fotokünstler |
GEBURTSDATUM | 1962 |
GEBURTSORT | Bad Salzuflen |