Joachim Hamann – Wikipedia

Joachim Hamann (* 18. Mai 1913 in Kiel; † 13. Juli 1945 in Heikendorf) war ein deutscher Kriminalkommissar und SS-Sturmbannführer (1945). Er leitete während des Holocausts in Litauen das sogenannte „Rollkommando Hamann“, dessen Taten im Jäger-Bericht enthalten sind.

Hamann war von Beruf Drogist und während der Weltwirtschaftskrise zeitweise arbeitslos. Zum 1. Februar 1932 trat er der NSDAP bei (Mitgliedsnummer 958.322).[1] Nach 1933 kam er über die Polizei zur Stapo-Leitstelle Berlin und 1940 zum von SS-Standartenführer Karl Jäger geführten Einsatzkommando 3 (EK3) der von SS-Brigadeführer Walter Stahlecker geleiteten Einsatzgruppe A.[2][3]

Sein „Rollkommando Hamann“ (litauisch: Hamanno skrajojantis būrys) ermordete einen großen Teil der jüdischen Bevölkerung Litauens: „Als Führer eines Zuges litauischer Hilfskräfte beteiligte er sich an mindestens 62 Massakern, denen etwa 60.000 Juden zum Opfer fielen.“[3] Von Stubenkameraden wurde der Zugführer als ‚fanatischer Judenhasser‘ geschildert, der geglaubt habe, ‚mit diesen Maßnahmen eine Pflicht seinem Volk gegenüber‘ erfüllt zu haben.”[3]

Später war Hamann im Reichssicherheitshauptamt (RSHA) als Referent der Abteilung A3 „Rechte Opposition“ tätig (SS-Nummer 314.267). Er spielte eine führende Rolle bei der Festnahme von Feldmarschall Rommel 1944. Nach Kriegsende, am 13. Juli 1945, beging Hamann Suizid.[4]

Rollkommando Hamann

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Für das Rollkommando Hamann rekrutierte Joachim Hamann auf Befehl von Franz Walter Stahlecker mit Einverständnis von Karl Jäger zunächst 8 Mitglieder aus dessen Einsatzkommando. Die Zusammensetzung des Kommandos wechselte, bestand im Kern jedoch aus Hamann, seinem Stellvertreter Helmut Rauca, weniger als 10 anderen deutschen und je nach Bericht 50 bis 58 Mitgliedern, die er aus einer litauischen Einheit auswählte.[5][6] Das Rollkommando hatte keine permanente Struktur, sondern wurde für die einzelnen Einsätze zusammengerufen.[7] Hamann beauftragte jeweils die örtlichen Polizeikräfte, die Opfer zu konzentrieren, den Tatort auszuwählen und vorzubereiten und die nötigen Hilfskräfte zusammenzuziehen. Erst dann rückte, meist aus Kaunas, eine Abteilung des Rollkommandos an und führte die Exekutionen durch (siehe Einsatz in Litauen).

Von Ende Juni bis Anfang Oktober 1941 ermordete das Kommando mit Unterstützung litauischer Kräfte fast die gesamte jüdische Bevölkerung der litauischen Landgemeinden (Panevėžys, Ukmergė, Zarasai, Kėdainiai, Kaišiadorys, Utena, Marijampolė, Jonava, Raseiniai, Alytus, Žagarė u. a.).[8][6] Zwischen Juli und August 1941 ermordete das Rollkommando außerdem 9102 Juden im Ghetto von Daugavpils, Lettland.[9]

  • Ernst Klee: Das Personenlexikon zum Dritten Reich. 2., akt. Auflage. Fischer, Frankfurt am Main 2007, ISBN 978-3-596-16048-8.
  • Peter Klein (Hrsg.): Die Einsatzgruppen in der besetzten Sowjetunion 1941/42. Edition Hentrich, Berlin 1997, ISBN 3-89468-200-0.
  • Knut Stang: Kollaboration und Massenmord: die litauische Hilfspolizei, das Rollkommando Hamann und die Ermordung der litauischen Juden. Frankfurt am Main 1996, ISBN 3-631-30895-7.
  • Vincas Bartusevičius, Joachim Tauber, Wolfram Wette (Hrsg.): Holocaust in Litauen. Krieg, Judenmorde und Kollaboration im Jahre 1941. Köln/Weimar 2003, ISBN 3-412-13902-5.

Einzelnachweise

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  1. Bundesarchiv R 9361-IX KARTEI/13271174
  2. Jürgen Matthäus: Key Aspects of German Anti-Jewish Policy (Memento vom 15. Mai 2006 im Internet Archive) (PDF; 366 kB). In: United States Holocaust Memorial Museum: Center for Advanced Holocaust Studies (Hrsg.): Lithuania and the Jews: The Holocaust Chapter. Juli 2005, S. 27–29. (Abgerufen am 2. Juni 2009.)
  3. a b c Gerhard Paul: Die Täter der Shoah: fanatische Nationalsozialisten oder ganz normale Deutsche? Wallstein, 2002, ISBN 3-89244-503-6, S. 51–52.
  4. Wolfgang Scheffler: Die Einsatzgruppe A. In: Peter Klein (Hrsg.): Die Einsatzgruppen in der besetzten Sowjetunion 1941/42. Edition Hentrich, Berlin 1997, ISBN 3-89468-200-0, S. 48, Fußnote 30.
  5. Jürgen Matthäus: Key Aspects of German Anti-Jewish Policy (Memento vom 15. Mai 2006 im Internet Archive) (PDF; 366 kB). In: United States Holocaust Memorial Museum: Center for Advanced Holocaust Studies (Hrsg.): Lithuania and the Jews: The Holocaust Chapter. Juli 2005, S. 29. (Abgerufen am 2. Juni 2009.)
  6. a b The Mechanized Commando Unit of Haman. Association of Lithuanian Jews in Israel, S. 1, 5 ff, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 10. September 2015; abgerufen am 17. Januar 2010 (englisch).
  7. Arūnas Bubnys: Lithuanian Police Battalions and the Holocaust. (PDF; 168 kB) The International Commission for the Evaluation of the Crimes of the Nazi and Soviet Occupation Regimes in Lithuania, S. 12–13, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 22. Juli 2011; abgerufen am 14. März 2009 (englisch).
  8. Darstellung der Arbeitsweise des Rollkommandos nach Rüdiger Ritter: Arbeitsteiliger Massenmord: Kriegsverbrechen in Litauen während des Zweiten Weltkriegs. In: Timm C. Richter (Hrsg.): Krieg und Verbrechen. Situation und Intention: Fallbeispiele. (= Aktuell / Villa ten Hompel. 9). Meidenbauer, München 2006, ISBN 3-89975-080-2, S. 59f.; vgl. Knut Stang: Kollaboration und Massenmord. Die litauische Hilfspolizei, das Rollkommando Hamann und die Ermordung der litauischen Juden. Peter Lang, Frankfurt am Main u. a. 1996, ISBN 3-631-30895-7.
  9. Andrew Ezergailis: The Holocaust in Latvia 1941–1944: The Missing Center. Hrsg.: Historical Institute of Latvia. Riga 1996, ISBN 9984-9054-3-8, S. 276–279.