El Chapo – Wikipedia

Joaquín Guzmán alias „El Chapo“ (2017)

El Chapo (spanisch für Der Kleine), bürgerlich Joaquín Archivaldo Guzmán Loera (* 4. April 1957[1] in La Tuna, Municipio Badiraguato, Sinaloa), ist der ehemalige oberste Chef des Sinaloa-Kartells, eines mexikanischen Drogenkartells. Er gehörte zu den meistgesuchten Drogenbossen in Mexiko und in den Vereinigten Staaten.[2][3] El Chapo gelang es 2001 und 2015, aus mexikanischen Hochsicherheitsgefängnissen zu entkommen. Am 8. Januar 2016 wurde er ein halbes Jahr nach seiner zweiten Flucht erneut von mexikanischen Fahndern festgenommen. Die US-Bundesstaaten Kalifornien und Texas stellten Auslieferungsersuchen, jeweils für Anklagen wegen Drogenhandels und Mordes. Am 19. Januar 2017, dem letzten Amtstag von US-Präsident Barack Obama, wurde El Chapo per Flug nach Long Island in New York an die USA ausgeliefert.[4][5] Er ist im Bundesgefängnis ADX Florence inhaftiert.[6]

Jugend und Aufstieg

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El Chapo wurde auf einer Farm geboren und hat sechs Geschwister. Sein Vater war Viehzüchter.[7] El Chapo verließ die Schule nach der dritten Klasse und wurde in den 1970er Jahren Gefolgsmann von Amado Carrillo Fuentes (Gründer des Juárez-Kartells) und Miguel Ángel Félix Gallardo (Drogenboss und Mitbegründer des Guadalajara-Kartells). Seine Aufgabe war es, Kokainflüge aus Kolumbien zu koordinieren.[8]

Anfang der 1980er Jahre etablierte er sich als Logistikchef im Sinaloa-Kartell. Ab spätestens Ende der 1990er Jahre führte er das Kartell gemeinsam mit Ismael Zambada García[7] bis zu seiner zweiten bzw. dritten Verhaftung. Deswegen wird ihr Verhältnis als eng bzw. freundschaftlich beschrieben.[9][10] Am 24. Mai 1993 verübten Auftragsmörder eines gegnerischen Kartells einen Anschlag auf El Chapo, dem sieben Menschen, darunter Erzbischof Juan Jesús Kardinal Posadas Ocampo, zum Opfer fielen.[8]

Erste Verhaftung und Flucht

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Er wurde am 9. Juni 1993 in Guatemala verhaftet, an Mexiko ausgeliefert und zu 20 Jahren und neun Monaten Gefängnis verurteilt. Am 19. Januar 2001 floh er aus dem Hochsicherheitsgefängnis Puente Grande im Bundesstaat Jalisco: Ein Wärter öffnete seine Zellentür, und El Chapo versteckte sich in einem Wäschetransporter.[11][7]

Andere Quellen behaupten hingegen, El Chapo habe einen Deal mit Mexikos Präsidenten Vicente Fox geschlossen. Fox soll sich in einem finanziellen Engpass befunden und 20 Mio. US-Dollar für die Freilassung erhalten haben.[12] Laut Don Winslow, der El Chapo 2015 als Boss in seinem Roman Das Kartell porträtierte, gebe es Zeugen, denen zufolge dieser einfach aus dem Gefängnis spaziert sei.[13]

El Chapo (mexikanischer Ausdruck für „Der Kleine“, wegen seiner Körpergröße von 1,68 Meter[7]) wurde 2009 von der Zeitschrift Forbes auf Platz 41 der Liste der mächtigsten Menschen der Welt geführt,[14] im Jahr 2012 war er auf dem 63. Platz. El Chapo verfügte 2012 über ein Vermögen von etwa einer Milliarde Dollar.[7] Auf Informationen, die zu seiner Verhaftung führen, war eine Belohnung von sieben Millionen US-Dollar ausgesetzt (Stand: 2011).[11]

Zweite Verhaftung und Flucht

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Am 22. Februar 2014 wurde El Chapo in der mexikanischen Küstenstadt Mazatlán in einer gemeinsamen Operation von mexikanischen Marineinfanteristen und der US-amerikanischen Antidrogenbehörde DEA festgenommen.[3][15] Wenige Tage danach demonstrierten mehrere Tausend Menschen in Sinaloa für seine Freilassung.[16]

Am Abend des 11. Juli 2015 entkam er aus dem mexikanischen Hochsicherheitsgefängnis Altiplano erneut. Diesmal floh er durch einen 1,5 Kilometer langen, 1,70 Meter hohen und 80 Zentimeter breiten Tunnel, der in die Dusche von El Chapos Zelle reichte. Der Bodenbereich der Zelle war nur teilweise von Überwachungskameras erfasst, sodass El Chapo die Möglichkeit hatte, ungesehen in einem 50 × 50 Zentimeter großen Loch im Boden zu verschwinden. Bis 2016 war er flüchtig und wurde nach dem Ausbruch in den USA erneut zum Staatsfeind Nummer 1 erklärt.[17]

Beim Versuch einer Festnahme – im Oktober 2015 nahe Cosalá – wurde El Chapo offenbar im Gesicht und am Bein verletzt. Er konnte den Sicherheitskräften jedoch gemeinsam mit seinen Leibwächtern entkommen.[18]

Dritte Verhaftung

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El Chapo in Gewahrsam (Januar 2017)

Nach fast einem halben Jahr auf der Flucht wurde El Chapo am 8. Januar 2016 in Los Mochis von Marineinfanteristen erneut gefasst. Dabei wurden fünf Personen getötet und ein Soldat verletzt.[19][20] Nach der Verhaftung wurde in der Presse darüber spekuliert, ob ein Exklusiv-Interview, das der Schauspieler Sean Penn mit dem Drogenbaron für das amerikanische Musikmagazin Rolling Stone im Oktober 2015 führte, durch die bei dieser Gelegenheit abgefangenen SMS-Kurznachrichten der Auslöser für die Verhaftung war. Beteiligt war auch der mexikanische Telenovela-Star Kate del Castillo, die bei der Vermittlung eine Rolle spielte, da El Chapo, ein Anhänger der Schauspielerin, sie unbedingt treffen wollte.[21]

In der Nacht vom 15. auf den 16. August 2016 verschleppten mehrere Bewaffnete den Sohn von El Chapo, Jesús Alfredo Guzmán, zusammen mit fünf anderen Personen aus einem Restaurant in Puerto Vallarta. Laut dem Generalstaatsanwalt des Bundesstaates Jalisco, Eduardo Almaguer, gehörten die Entführer zu dem Kartell Jalisco Nueva Generación (CJNG).[22]

El Chapo wurde am 19. Januar 2017 offiziell an die Vereinigten Staaten ausgeliefert.[23] Der mexikanische Richter, der die Auslieferung schon einige Monate zuvor angeordnet hatte, war deswegen bereits im Oktober 2016 getötet worden.[24]

Als Nachfolger El Chapos in der Führung des Sinaloa-Kartells etablierte sich in einem Machtkampf 2016/17 zunächst Dámaso López Núñez, genannt El Licenciado, ein langjähriger Weggefährte und Berater El Chapos, der im Mai 2017 vom mexikanischen Militär gefasst wurde. Einige Sicherheitsexperten vermuten, er stecke hinter der Entführung der Söhne von El Chapo im August 2016 und habe sich mit dem CJNG verbündet, um sich gegen das Lager der Familie Guzmán durchzusetzen, die ihn nicht akzeptierte. Bereits seit 2015 soll das Kartell zwischen Anhängern und Gegnern der Familie El Chapos gespalten gewesen sein.[25][26]

Am 5. November 2018 begann am Bezirksgericht in Brooklyn der Prozess gegen El Chapo (United States of America v. Joaquín Guzmán Loera). Die dafür nötigen zwölf Geschworenen sollten aus Sicherheitsgründen anonym bleiben. Zunächst sollten rund 40 potenzielle Jurymitglieder befragt werden. Die Eröffnungsplädoyers fanden am 13. November statt.[27] Die Staatsanwaltschaft warf El Chapo vor, mit Drogenschmuggel und anderen illegalen Geschäften Milliarden US-Dollar verdient zu haben. Etwa ein Dutzend Staatsanwälte waren in New York City mit dem Fall betraut.[28] Am 12. Februar 2019 wurde er in allen Anklagepunkten, darunter Drogenhandel, Menschenhandel, Waffenmissbrauch zur Drogenkriminalität und Teilnahme an einer Verschwörung zur Geldwäsche, schuldig gesprochen und am 17. Juli 2019 zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe ohne Möglichkeit der Aussetzung zur Bewährung plus zusätzlich 30 Jahre verurteilt, da einer der Urteilspunkte, die fortgesetzte kriminelle Unternehmenstätigkeit („engaging in a continuing criminal enterprise“), mit einer zwingend lebenslangen Freiheitsstrafe („mandatory life sentence“) ohne die Möglichkeit der späteren Aussetzung zur Bewährung sanktioniert wird.[29][30][31] Er verbüßt seine Haftstrafe seither im US-amerikanischen Bundesgefängnis ADX Florence.[32]

El Chapo heiratete im November 2007 in vierter Ehe Emma Coronel Aispuro. Aus dieser Ehe gingen im August 2011 Zwillingstöchter hervor.[33]

Emma Coronel Aispuro gab am 6. Juni 2021 zu, dass sie ihrem Ehemann geholfen hatte, sein kriminelles Imperium zu führen.[34]

Sein Sohn Ovidio Guzmán (* 29. März 1990) wurde Anfang 2023 im Bundesstaat Sinaloa von Soldaten festgenommen[35] und im September 2023 an die USA ausgeliefert.[36] Ein weiterer Sohn, Joaquín Guzmán Lopez (* 16. Juli 1986), wurde am 25. Juli 2024 gemeinsam mit Ismael Zambada García (alias El Mayo) in El Paso (Texas) festgenommen.[37]

Film und Fernsehen

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  • Sandro Benini: Drogen, Krieg, Mexiko. Der gefährlichste Ort der Welt. Echtzeit, Basel 2013, ISBN 978-3-905800-68-5.
  • Malcolm Beith: El Chapo: Die Jagd auf Mexikos mächtigsten Drogenbaron. (Originaltitel: The Last Narco übersetzt von Simone Salitter und Gunter Blank), Heyne, München 2011, ISBN 978-3-453-26731-2.
  • Alan Feuer: El Jefe: The Stalking of Chapo Guzman. Flatiron Books, New York 2020, ISBN 978-1-250-25450-4.
  • Andrew Hogan, Douglas Century: Jagd auf El Chapo. (Originaltitel: Hunting El Chapo übersetzt von Rita Koppers), HarperCollins, April 2018, ISBN 978-3-95967-179-8.
Commons: El Chapo – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

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  1. Biografía de Joaquín “El Chapo” Guzmán historia-biografia.com, abgerufen am 12. Februar 2019 (spanisch).
  2. U.S.Departement of State: Narcotics Rewards Program: Joaquin Guzman-Loera. Archiviert vom Original am 27. Juni 2011; abgerufen am 21. Dezember 2009 (englisch).
  3. a b Sandra Weis: Meistgesuchter Drogenboss Mexikos und der USA festgenommen. In: Der Standard. 13. Juli 2015, abgerufen am 22. Februar 2014.
  4. GUZMAN-LOERA, JOAQUIN. In: interpol.int. Archiviert vom Original am 17. Oktober 2015; abgerufen am 17. Oktober 2015.
  5. Guzmans Anwälte „überrascht“ In: ORF, 20. Januar 2017, abgerufen am 20. Januar 2017.
  6. Inmate Locator. Federal Bureau of Prisons, abgerufen am 28. Juli 2020 (englisch).
  7. a b c d e Toni Keppeler, Cecibel Romero: Kühl, gewieft und wendig. In: die tageszeitung. 29. August 2012, abgerufen am 22. Februar 2014.
  8. a b Patrick Radden Keefe: Die Jagd nach „El Chapo“ Guzman. In: GEO 9/2014. Gruner & Jahr, Hamburg, ISSN 0342-8311, S. 123–124.
  9. Jens Glüsing: (S+) Drogenkrieg in Mexiko: Festnahme des Sinaloa-Kartellchefs – »Das Monster ist erwacht«. In: Der Spiegel. 22. September 2024, ISSN 2195-1349 (spiegel.de [abgerufen am 22. September 2024]).
  10. Jens Glüsing: (S+) Mexiko: Stochern im Drogensumpf. In: Der Spiegel. 24. Februar 2024, ISSN 2195-1349 (spiegel.de [abgerufen am 25. Februar 2024]).
  11. a b Armee nimmt Führungsmitglied von Drogenkartell fest. In: Spiegel Online. 26. Dezember 2011, abgerufen am 22. Februar 2014.
  12. Anabel Hernández, Roberto Saviano: Narcoland: The Mexican Drug Lords And Their Godfathers. Übersetzt von Iain Bruce. Verso, London / New York, 2013, ISBN 978-1-78168-073-5 (englisch).
  13. Lars Reichardt: Don Winslow über Gewalt. In: Süddeutsche Zeitung, 30. Mai 2015, S. 38 (Interview).
  14. Große Macht den Drogen. In: Süddeutsche Zeitung. 17. Mai 2010, abgerufen am 13. Juli 2015.
  15. Ray Sanchez, Evan Perez,Elise Labott: After years on run, Sinaloa cartel chief ‘El Chapo’ Guzman arrested. In: CNN. 23. Februar 2014, abgerufen am 2. März 2014 (englisch).
  16. Klaus Ehringfeld: Warum ein Massenmörder als Wohltäter verehrt wird. In: Spiegel Online. 2. März 2014, abgerufen am 2. März 2014.
  17. Sebastian Schoepp: Ab durch die Klappe. In: Süddeutsche Zeitung. 13. Juli 2015, abgerufen am 13. Juli 2015.
  18. "El Chapo" verletzt, aber nicht gefasst. Tagesschau, abgerufen am 17. Oktober 2015.
  19. Recaptura Marina a ‘El Chapo’ Guzmán en Los Mochis, Sinaloa. lasillarota.com, 7. Januar 2016, abgerufen am 7. Januar 2016.
  20. Drogenboss „El Chapo“ Guzman gefasst. In: Spiegel Online. Abgerufen am 8. Januar 2016.
  21. Mexiko will Schauspielerin Kate del Castillo verhören. In: Spiegel Online, 19. Januar 2016.
  22. Sohn von Drogenboss «El Chapo» verschleppt. In: Neue Zürcher Zeitung, 17. August 2016.
  23. Mexiko liefert „El Chapo“ an USA aus. In: Spiegel Online. Abgerufen am 20. Januar 2017.
  24. Felix Hutt, DER SPIEGEL: Drogenboss El Chapo und Kate del Castillo: Geschichte einer Begegnung – DER SPIEGEL – Panorama. Abgerufen am 13. August 2020.
  25. Anabel Hernández: The Successor to El Chapo: Dámaso López Núñez. In: InSight Crime, 13. März 2017, zitiert von June S. Beittel: Mexico: Organized Crime and Drug Trafficking Organizations (PDF; 1,5 MB). CRS Report 7-5700, S. 10 u. Anm. 39.
  26. Anwärter auf „Chapos“ Thron geht Militär ins Netz. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 3. Mai 2017, abgerufen am 7. Juni 2019.
  27. Guzmán salutiert dem Richter. In: Süddeutsche Zeitung, 14. November 2018.
  28. Prozess gegen „El Chapo“ mit Jury-Auswahl gestartet. In: Spiegel Online, 6. November 2018.
  29. Ray Sanchez, Sonia Moghe: Mexican drug lord Joaquin 'El Chapo' Guzmán is found guilty on all counts. In: CNN. 13. Februar 2019, abgerufen am 13. Februar 2019 (englisch).
  30. Joaquin 'El Chapo’ Guzman, Sinaloa Cartel Leader, Convicted of Running a Continuing Criminal Enterprise and Other Drug-Related Charges. In: justice.gov. 6. Februar 2019, abgerufen am 6. Februar 2019 (englisch).
  31. „El Chapo“ schuldig gesprochen. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 12. Februar 2019.
  32. KRIMINALITÄT: El Chapo wandert in US-Supermax-Gefängnis infographic. Abgerufen am 27. April 2021 (englisch).
  33. Schönheitskönigin Emma Coronel „El Chapo“ darf Ehefrau während Prozess nicht umarmen. In: Berliner Zeitung, 8. November 2018.
  34. https://www.yahoo.com/news/wife-drug-kingpin-el-chapo-150427099.html
  35. sueddeutsche.de: Sohn von Drogenboss „El Chapo“ in Mexiko gefasst
  36. Neue Zürcher Zeitung: Sohn von mexikanischem Drogenboss «El Chapo» an USA ausgeliefert, 16. September 2023.
  37. "El Mayo" und Sohn von "El Chapo": Zwei Anführer des mächtigen Sinaloa-Drogenkartells in den USA festgenommen. Abgerufen am 26. Juli 2024 (österreichisches Deutsch).