Iodzahl – Wikipedia

Die Iodzahl (IZ) oder Jodzahl ist eine Fettkennzahl zur Charakterisierung von Fetten und Ölen. Sie ist ein Maß für den Gehalt eines Fettes an ungesättigten Verbindungen – genauer: ungesättigte Fettsäurereste in den Glyceriden. Es ist die Menge in Gramm Halogen, berechnet als Iod, die formal an 100 g Fett addiert werden kann.[1] Je mehr olefinische Doppelbindungen (C=C-Bindungen) es in einem Fett gibt, desto mehr Iod kann formal addiert werden und desto höher ist somit die Iodzahl. Daneben werden auch weitere olefinische Begleitstoffe wie Sterine mit erfasst.

Die Methode kann zur Identifizierung und Qualitätskontrolle eingesetzt werden. Man klassifiziert Lipide anhand ihres Sättigungsgrades, da dieser ausschlaggebend für das Altern („Trocknen“) bei der Lagerung ist; Fette und Öle mit höherer Iodzahl altern schneller.[2]

Beim Erhitzen von ungesättigten Fetten (z. B. beim Frittieren) nimmt die Iodzahl ab,[3] und deren Viskosität steigt durch Polymerisation an.

Klassifizierung

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Klassifizierung[4][5]
IZ Typ Beispiele
<10 nicht trocknend gesättigte Öle, Bienenwachs, Kokosfett, Kokosöl, Neutralöl
010–020 Palmkernöl, Babassuöl, Murumurufett
020–050 Rindertalg, Butter, Kakaobutter, Palmöl[6]
050–100 Olivenöl, Avocadoöl, Jojobaöl, Mandelöl, Palmöl[7], Sheabutter, Rizinusöl (81–91)[8]
100–130 halb trocknend Maiskeimöl, Sonnenblumenöl, Rapsöl, Sesamöl, Weizenkeimöl
130–170 Sojaöl, Erdnussöl, Distelöl, Hanföl, Mohnöl, dehydriertes Rizinusöl (127–140)[9][10], Traubenkernöl[11], Walnussöl[12][13], Wildrosenöl, Johannisbeerkernöl, Kukuinussöl
000>170 trocknend Leinöl (169–192), Perillaöl, Isanoöl, Tungöl (Holzöl; 147–211),[14] Stillingiaöl, Lallemantiaöl

Bedeutung für die Eigenschaften der Fette

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Fette und fette Öle bestehen immer aus einem Gemisch von Fettsäure-Glyceriden. Ihre Eigenschaften bestimmen sich daher anteilmäßig aus der Summe der in ihnen vorkommenden Fettsäurekomponenten.

Gesättigte Fettsäuren enthalten keine Kohlenstoff-Kohlenstoff-Doppelbindungen und haben damit eine niedrige Iodzahl. Diese Fette eignen sich gut zur Herstellung von Seife.

Je höher der Anteil ungesättigter Fettsäurereste unter den Fettsäureresten der Triglyceride ist, desto höher die Iodzahl und desto eher neigen Öle zur Vernetzung (Polymerisation). Leicht polymerisierende Öle wie Leinöl haben eine Iodzahl von mehr als 140 und werden trocknende bzw. härtende Öle genannt. Halbtrocknende Öle haben eine Iodzahl zwischen 100 und 140; bei nichttrocknenden Ölen liegt sie unter 100.

Eingeführt wurde die Iodzahl durch Arthur von Hübl, der Fette in Gegenwart von Quecksilberchlorid mit Iod titrierte, wobei aber das eigentliche Reagens (wohl Iodchlorid) in situ aus Quecksilberchlorid und Iod entsteht. Reines Iod lagert sich nämlich nicht an Alkene an, weshalb die heute noch gültige Definition der Iodzahl lediglich eine formale ist.

Oben ein Triglycerid in einem Öl mit einem blau markierten gesättigten Fettsäurerest, einem grün markierten einfach ungesättigten Fettsäurerest sowie einem rot markierten dreifach ungesättigten Fettsäurerest. Im Zentrum ist in der oberen Strukturformel das dreifach acylierte Glycerin (schwarz markiert) erkennbar. Ein solches Triglycerid besitzt eine hohe Iodzahl. –
Unten das Reaktionsprodukt nach der Addition von vier Äquivalenten Iodchlorid oder Brom an den vier C=C-Doppelbindungen der ungesättigten Fettsäurereste.

Die Iodzahlbestimmung nach Wijs erfolgt nach DIN 53241-1:1995-05 (zurückgezogen) bzw. EN 14111:2003. Sie basiert auf der Addition von Iodmonochlorid an die olefinische Doppelbindung.

Die Probe wird in Chloroform (oder einem anderen organischen Lösungsmittel, z. B. Cyclohexan) gelöst und anschließend im Überschuss mit Iodlösung nach Wijs versetzt. Die Iodlösung nach Wijs enthält ein organisches Lösungsmittel, reine Essigsäure (Eisessig), elementares Iod und Iodtrichlorid. Iod und Iodtrichlorid setzen sich in der Lösung vollständig zu Iodmonochlorid um.

Wichtig hierbei ist, dass die Iodlösung wasserfrei ist, da Iodmonochlorid in Wasser in Chlorwasserstoff, Iod und Iodsäure zerfällt. Um die Bildung von Iodradikalen und somit eine Verfälschung des Ergebnisses auszuschließen, wird die Probe nach Zugabe der Iodlösung im Dunkeln verwahrt. Es kommt zu einer elektrophilen Additionsreaktion von Iodmonochlorid an die Doppelbindung.

Anschließend wird das übrig gebliebene Iodmonochlorid mit Kaliumiodid umgesetzt.

Das entstandene Iod wird mit Natriumthiosulfat und Stärke als Indikator titriert.

(Bromierung der Doppelbindungen unter Lichtausschluss, Reduktion des überschüssigen Broms mit Iodid, Rücktitration des Iods mit Thiosulfat)

Bei der Bestimmung der Iodzahl nach H. P. Kaufmann wird das Fett mit einem Überschuss an Brom versetzt. Hierbei wird Brom an die Doppelbindungen in den ungesättigten Fetten addiert. Diese Reaktion muss im Dunklen durchgeführt werden, da so die Bildung von Bromradikalen durch Licht unterbunden wird. Dies würde zu unerwünschten Nebenreaktionen führen, und so zu einem Ergebnis verfälschenden Mehrverbrauch an Brom.

Anschließend wird das nicht verbrauchte Brom mit Iodid zum Bromid reduziert.

Nun wird die Menge des entstandenen Iods durch Titration mit Natriumthiosulfat-Lösung bestimmt.

Einzelnachweise

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  1. Europäisches Arzneibuch 10.0. Deutscher Apotheker Verlag, 2020, ISBN 978-3-7692-7515-5, S. 230.
  2. Reinhard Matissek, Gabriele Steiner, Markus Fischer: Lebensmittelanalytik. 4. Auflage. Springer, Berlin 2010, ISBN 978-3-540-92205-6.
  3. Angaben zur Iodzahl im Lebensmittellexikon von Lebensmittelwissen.de.
  4. Alfred Thomas: Fats and Fatty Oils. In: Wiley-VCH (Hrsg.): Ullmann’s Encyclopedia of Industrial Chemistry. Weinheim 2002, doi:10.1002/14356007.a10_173.
  5. Jodzahl, HLB-Wert, Typ, Sreitverhalten pflanzlicher Öle. In: olionatura.de. Heike Käser, archiviert vom Original am 21. März 2017; abgerufen am 28. März 2017.
  6. Die Iodzahl liegt zwischen 30 und 60 lt. FNR: Biokraftstoffe Basisdaten Deutschland Oktober 2008, (PDF; 526 kB).
  7. Fette und Öle. (PDF; 85 kB) In: ichemlab.at. Abgerufen am 28. März 2017.
  8. Frank D. Gunstone, John L. Harwood: The Lipid Handbook. Second Edition, Chapman & Hall, 1994, ISBN 0-412-43320-6, S. 56.
  9. Laura M. Orozco, Sandra Cardona, Claudia Lorena Gómez Herrera, Helen Inciarte: Evaluation of KHSO4 as a recyclable catalyst in the production of dehydrated castor oil to be applied in alkyd resins (Kaliumhydrogensulfat als Katalysator in der Herstellung von dehydriertem Rizinusöl zur Verwendung in Alkydharzen), Progress in Organic Coatings, Dezember 2021, 161(1):106467, DOI:10.1016/j.porgcoat.2021.106467
  10. Azcan Nezihe, Demirel Elif, Yılmaz Özlem, Erciyes Ahmet Tunçer: Microwave Heating Application To Produce Dehydrated Castor Oil, Ind. Eng. Chem. Res. 2011, 50, 1, 398–403, 23. November 2010, https://doi.org/10.1021/ie1013037, American Chemical Society
  11. Traubenkernöl (Vitis Vinifera (Grape) Seed Oil). In: olionatura.de. Heike Käser, abgerufen am 28. März 2017.
  12. Fatty Acids and Properties of Oils Chart | SAP Values | Iodine Value. In: thesoapdish.com. Abgerufen am 28. März 2017 (englisch).
  13. Walnusskernöl (Juglans Regia (Walnut) Oil). In: olionatura.de. Heike Käser, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 21. März 2017; abgerufen am 28. März 2017.
  14. P. H. List, L. Hörhammer (Hrsg.): Hagers Handbuch der Pharmazeutischen Praxis. 4. Auflage, 7. Band: Arzneiformen und Hilfsstoffe Teil B, Springer, 1977, ISBN 978-3-642-65823-5, S. 172.