Justin Sonder – Wikipedia

Justin Sonder im Jahr 2016

Justin Sonder (* 18. Oktober 1925 in Chemnitz; † 3. November 2020 ebenda) war ein deutscher Überlebender des KZ Auschwitz und Zeitzeuge.

Verfolgung im Nationalsozialismus

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Gedenkstätte bei Wetterfeld für Sonder und andere Überlebende: Vor dem Holzkreuz sind drei Tafeln mit dem Davidstern, einem westlichen und einem orthodoxen Kreuz aufgestellt.

Justin Sonder begann nach dem Schulabschluss 1941 eine Lehre als Koch. Er wurde im selben Jahr zur Zwangsarbeit in einem Rüstungsbetrieb verpflichtet. Am 27. Februar 1943 wurde er wegen seiner jüdischen Herkunft polizeilich festgenommen. Er kam zuerst in das Judenlager Hellerberg und wurde am 3. März von Dresden aus nach Auschwitz überführt, wo er an der Rampe für das KZ Auschwitz III Monowitz selektiert wurde. Sonder erhielt die Häftlingsnummer 105027 eintätowiert. Insgesamt überlebte er in Auschwitz 17 Selektionen.[1] Kurz vor Befreiung von Auschwitz wurde er am 18. Januar 1945 nach Gleiwitz auf einen Todesmarsch geschickt und schließlich auf offenen Kohlewaggons mit weiteren 7000 Häftlingen deportiert. Er kam am 26. Januar 1945 im KZ Flossenbürg an, wurde von dort aus am 16. April 1945 auf einen weiteren Todesmarsch in Richtung KZ Dachau geschickt und letztlich am 23. April 1945 nahe Wetterfeld von US-amerikanischen Soldaten befreit. Er war einer der wenigen Überlebenden von Auschwitz und der Todesmärsche von Flossenbürg. Wenige Hundert Meter davon wurden auch 597 Ermordete des Todesmarsches begraben.[2] Durch Zufall traf er kurze Zeit später seinen Vater Leo Sonder in Hof wieder. Seine Mutter Cäcilie wurde wie 21 andere Verwandte im Holocaust ermordet.[2]

Karriere bei der Kriminalpolizei

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Nachdem Sonder am 19. Juni 1945 nach Chemnitz zurückgekehrt war, schlug er eine Laufbahn in der sächsischen Landespolizei ein. Bereits im Oktober 1945 war er Revierschutzmann auf Prüfung und wurde danach Wachtmeister in Chemnitz. 1947 wurde er in den Kriminaldienst übernommen, 1952 Leiter eines Kommissariates und war von 1956 bis 1985 Dezernatsleiter für schwere Verbrechen.[3]

Politisches und gesellschaftliches Engagement

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Sonder trat 1945 in die SPD ein und wurde nach deren Zwangsvereinigung mit der KPD Mitglied der SED. Er engagierte sich in der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes und war zeitweise Landesvorsitzender in Sachsen. 1947 trat er zudem in die FDJ ein.[3] Er berichtete noch im Alter von über 90 Jahren an Schulen über die Verfolgung der Juden in der Zeit des Nationalsozialismus.

Sonder gehörte als von der Partei Die Linke in Sachsen nominiertes Mitglied der 13. Bundesversammlung an.

Im Februar 2016 reiste Sonder 90-jährig nach Detmold, um als Zeuge im Prozess gegen den 94-jährigen ehemaligen SS-Unterscharführer Reinhold Hanning auszusagen, der als Wachmann in Auschwitz arbeitete.[4]

Sonder war verheiratet und hatte eine Tochter und zwei Söhne.[5] Er verstarb wenige Tage nach seinem 95. Geburtstag in einer Chemnitzer Pflegeeinrichtung.[6][7]

  • Margitta Zellmer: Chemnitz – Auschwitz und zurück: aus dem Leben von Justin Sonder. Klinke e. V. Chemnitz, Chemnitz 2013, DNB 1128077868.
  • Klaus Müller, Justin Sonder: 105027 Monowitz – Ich will leben! Von Chemnitz nach Auschwitz – über Bayern zurück. Nora Verlag, 2013, ISBN 978-3-86557-321-6.
  • Enrico Hilbert: Seine Beobachtungsgabe und Neugier retteten ihn. Der Auschwitz-Überlebende Justin Sonder wird heute Ehrenbürger der Stadt Chemnitz. In: Neues Deutschland, 21. April 2017, S. 16.
  • Marianne Schultz: Nur einmal hat er geweint. In: Freie Presse, 27. Januar 2014, S. 11.
Commons: Justin Sonder – Sammlung von Bildern

Einzelnachweise

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  1. Klaus Hillenbrand: Auschwitz-Prozess in Detmold: Keine „guten SSler“ erlebt. In: taz.de. 12. Februar 2016, abgerufen am 4. November 2020.
  2. a b Nachruf auf Auschwitz-Überlebenden: Die zwei Leben des Justin Sonder. In der TAZ (Online-Ausgabe) vom 9. November 2020; abgerufen am 12. November 2020.
  3. a b Justin Sonder: Meine illegale Arbeit im KZ Auschwitz. In: Geschichtsbaustelle Chemnitz. Klinke e. V. Chemnitz, abgerufen am 3. November 2020.
  4. Hans Holzhaider: Auschwitz – „Du denkst die ganze Zeit: Gelingt es mir noch einmal, zu überleben?“ In: sueddeutsche.de. 10. Februar 2016, abgerufen am 4. November 2020.
  5. Olaf Glöckner: Porträt der Woche: „Ich erinnere mich genau“. Justin Sonder hat Auschwitz überlebt und tritt in Detmold als Nebenkläger auf. In: Jüdische Allgemeine. 14. Juni 2016, abgerufen am 4. November 2020.
  6. Hendrik Lasch: Die Erwartungen eines Überlebenden. Von Chemnitz nach Auschwitz und zurück: Justin Sonder ist im Alter von 95 Jahren gestorben. In: nd. „Der Tag“ vom 12. November 2020, S. 12
  7. Ehrenbürger und Überlebender des KZ Auschwitz Justin Sonder ist tot. In: Freie Presse. 3. November 2020, abgerufen am 4. November 2020 (Teaser mit Information lesbar).
  8. Ehrenbürgerschaft für Justin Sonder. Pressemitteilung 34. In: chemnitz.de. 25. Januar 2017, archiviert vom Original am 26. Januar 2017; abgerufen am 4. November 2020.
  9. Uwe Rechtenbach: Auschwitz-Komitee verleiht Ehrenmedaille an Chemnitzer. In: Freie Presse. 19. November 2015, S. 11, archiviert vom Original am 20. November 2015; abgerufen am 4. November 2020.
  10. Chemnitz macht Auschwitz-Überlebenden Justin Sonder zu Ehrenbürger. In: Freie Presse. 25. Januar 2017, archiviert vom Original am 25. Januar 2017; abgerufen am 4. November 2020.