Kettler (Unternehmen) – Wikipedia

Kettler Freizeit GmbH

Logo
Rechtsform Gesellschaft mit beschränkter Haftung
Gründung 1949
Auflösung 2019
Auflösungsgrund Insolvenz
Sitz Ense-Parsit, Deutschland
Leitung Olaf Bierhoff
Mitarbeiterzahl 1.100 in Deutschland (2015)[1]
Branche Sportartikel, Gartenmöbel, Spielzeug
Website www.kettler.de
Stand: 2019

Die Unternehmen der Kettler-Gruppe entwickelten, produzierten und vertrieben Sportartikel, Gartenmöbel sowie Spiel- und Kinder-Produkte.[2] Von Heinz Kettler 1949 als Familienunternehmen gegründet, wurde es später in mehrere Tochtergesellschaften unter dem Dach einer Holding aufgespalten. Zu Beginn der 2000er Jahre geriet die Gruppe zunehmend in Schwierigkeiten, die 2015 und 2018 zu Insolvenzverfahren und schließlich zu Betriebsschließungen führten.

Die Fahrradsparte wurde 2015 vom Fachhandelsverband ZEG übernommen und in die neu gegründete namensähnliche, aber nicht mehr mit der ursprünglichen Unternehmensgruppe Kettler zusammenhängende Kettler Alu-Rad GmbH mit Sitz in Köln überführt.[2] Seit 2020 laufen Sportgeräte unter dem Schweizer Unternehmen Trisport.[3]

Die von Heinz und Karin Kettler 1999 gegründete gemeinnützige Heinz-Kettler-Stiftung fördert den Behindertensport.

Unternehmensaufbau

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Verwaltungsgebäude in Ense-Parsit
Kettler-Werk in Ense-Parsit

Das Unternehmen hatte seinen Stammsitz in Ense-Parsit in Nordrhein-Westfalen. Dort befand sich die Hauptverwaltung. In der Nachbarstadt Werl unterhielt Kettler insgesamt vier Werke. Das Werk „Mersch“ war das größte innerhalb der Unternehmensgruppe und beherbergte überdies ein großes Zentrallager und die Produktionsstätte des Kunststoffbereichs, die ebenfalls zum Unternehmen gehörte. Die Werke Werl-Sönnern I und II an der Hammer Straße in Werl produzierten u. a. Tischtennisplatten, Sportgeräte, Gartenmöbel aus Aluminium sowie Spielgeräte und Spielfahrzeuge.

Das Unternehmen hatte Niederlassungen in den USA, den Niederlanden, Österreich, Polen, England und Frankreich.[4]

Kettler hatte drei Ladengeschäfte für Fabrikverkauf, in denen Produkte zweiter Wahl und Auslaufware vertrieben wurden: in Bokeloh, Werl und Kamen.[4][5]

Das Unternehmen wurde 1949 von Heinz Kettler in Parsit (heute ein Ortsteil von Ense im Kreis Soest) gegründet.[6][7]

Ein Kettler-Kettcar von vorne (2015)

1962 brachte das Unternehmen das Tretauto Kettcar als Kinderspielzeug auf den Markt, das ein weltweiter Erfolg wurde; es wurden etwa 15 Millionen Exemplare verkauft. 1977 wurde das Kettler Alu-Rad 2600 veröffentlicht, ein Fahrrad mit Aluminiumrahmen mit einem Gesamtgewicht von 13 kg. Auch als Hersteller von Gartenmöbeln war Kettler lange erfolgreich.[8]

Heinz Kettler wollte seinen gleichnamigen Sohn zum Nachfolger aufbauen, doch kam dieser 1981 bei einem Autounfall ums Leben. Heinz Kettler starb 2005 im Alter von 77 Jahren. Das Unternehmen wurde danach von seiner Tochter, der Biologin Karin Kettler, als Alleingesellschafterin geführt.[6] Zu diesem Zeitpunkt war das Unternehmen bereits in Schwierigkeiten. Am 3. Juni 2015 stellte es schließlich beim Amtsgericht Arnsberg einen Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens in Eigenverwaltung, um die unkontrollierte Übernahme[9] durch einen Finanzinvestor zu verhindern.[6][10][1]

Im Zuge des laufenden Insolvenzverfahrens ging im Dezember 2015 die Kettler-Fahrradsparte an die ZEG Zweirad-Einkaufs-Genossenschaft eG über und ist seitdem nicht mehr Teil der verbliebenen Kettler-Gruppe. Die ZEG gründete dafür die Kettler Alu-Rad GmbH neu und führt das Fahrradwerk im saarländischen Hanweiler mit den seinerzeit 80 Beschäftigten in eigener Regie weiter.[11][12]

Am 31. März 2016 wurde das Insolvenzverfahren gegen die Heinz Kettler GmbH & Co. KG aufgehoben. Am 1. November 2016 ging der Geschäftsbetrieb des Unternehmens mit landesverbürgter Finanzierung auf die Kettler GmbH über. Die Heinz Kettler GmbH & Co. KG wickelte lediglich den Insolvenzplan ab.[13]

Das Bundeskartellamt verhängte im Dezember 2016 Bußgelder von 4,43 Millionen Euro wegen illegaler Methoden zur Preisdurchsetzung gegen fünf deutsche Möbelhersteller, darunter auch gegen die Heinz Kettler GmbH. Bei einigen der Möbelhersteller wurden die Strafen gesenkt, weil sie finanzielle Probleme hatten und in einem Sanierungs- oder Umstrukturierungsprozess waren.[14]

Nach Beendigung des Insolvenzverfahrens zog Karin Kettler sich aus dem operativen Geschäft zurück. Sie starb am 3. März 2017 im Alter von 57 Jahren, eine Woche nach einem schweren Autounfall.[15] Nach ihrem Tod wurden die noch in ihrem Eigentum stehenden Unternehmen und Immobilien auf die bereits 1999 gegründete Heinz-Kettler-Stiftung übertragen, die mit den hieraus entstehenden Erträgen Projekte aus dem Bereich des Behindertensports fördert.

Nach dem Tod der Familienmitglieder (2017)

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im Juli 2018 meldete das Unternehmen erneut Insolvenz an; es hatte zu dieser Zeit 730 Mitarbeiter.[16][17] Am 1. Oktober 2018 eröffnete das Amtsgericht Arnsberg das Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung und bestellte Rechtsanwalt Horst Piepenburg zum Sachwalter.[18][17] Im Dezember 2018 erwarb der Finanzinvestor Lafayette Mittelstand Capital das Unternehmen.[19] Ende Juli 2019 stellten die Kettler Freizeit GmbH und die Kettler Plastics GmbH Antrag auf Insolvenz in Eigenverwaltung.[20][21][22]

Am 11. Oktober 2019 wurde durch den Gläubigerausschuss das endgültige Aus für die Unternehmen Kettler Freizeit GmbH und Kettler Plastics GmbH beschlossen und die Mitarbeiter hierüber am 14. Oktober 2019 informiert. Die Produktion wurde Ende Januar 2020 eingestellt.[23] Einige Bereiche werden seitdem durch die Kettler Holding GmbH weitergeführt. Die Gartenmöbel werden durch die Kettler Home & Garden GmbH vertrieben.[24] Das Schweizer Unternehmen Trisport erwarb die Markenrechte für die Sportbereiche von Kettler; es ließ die bislang zur Hälfte in Deutschland verbliebenen Produktionslinien in Ningbo (China) wieder aufstellen. Bei den Produkten werde die Qualität aufrechterhalten und die Heimtrainer werden auch in für diesen Bereich unüblichen Farben angeboten.[3][25]

Kettler-Alu-Rad am Bahnhof Ybbs an der Donau, Österreich (2017)

Das Kettler-Alu-Rad 2600 war 1977[26] das wohl weltweit erste geschweißte Großserien-Aluminium-Fahrrad: „Das direkte Verschweißen von Alurohren in Großserie wagte erst […] Heinz Kettler […] mit dem ‚Typ 2600‘.“[27] (Grundsätzlich waren Räder mit Aluminium-Rahmen bereits seit den 1890er Jahren in Produktion.)[28] Das Modell Alu-Rad 2600 entwickelte sich zu einem der erfolgreichsten Modelle seiner Klasse in Deutschland; Kettler legte das Modell 2009 erneut auf, um das 30-jährige Jubiläum des Alu-Rades zu begehen.[29]

Ein weiterer Bereich war die Herstellung von Kinderfahrzeugen wie Tretrollern, Rutsch-Fahrzeugen sowie Lauf- und Dreirädern.[8] Im Bereich der Sportartikel war Kettler insbesondere durch die Fertigung von Tischtennisplatten sowie entsprechendem Zubehör wie Tischtennisschlägern und -bällen bekannt. Außerdem wurden verschiedene Heimtrainer-Produkte produziert.

Commons: Kettler – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  1. a b Kettler und Kettcar: Fahrradfirma meldet Insolvenz an. In: Der Spiegel Online, 3. Juni 2015.
  2. a b Kettler. Abgerufen am 12. März 2019.
  3. a b Zuger Firma holt neue CEO – diese Frau soll die angeschlagene Marke Kettler wieder fit machen. In: bote.ch. 22. Juli 2020, abgerufen am 4. August 2020.
  4. a b Über KETTLER. Abgerufen am 12. März 2019.
  5. Kettler schließt Werksverkauf vorerst in Hannoversche Allgemeine Zeitung, 10. Januar 2019
  6. a b c K. Terpitz, C. Kapalschinski: Wie Kettler aus der Spur kam. Insolvenz aus Angst vor Übernahme. In: Handelsblatt Nr. 105 vom 5./6./7. Juni 2015, S. 23.
  7. Thomas Steinmann: Wie ein Mittelständler sich nach der Insolvenz neu erfinden will. In: Capital.de. 4. Mai 2019, abgerufen am 5. Mai 2019.
  8. a b Was wurde eigentlich aus Kettler? In: wiwo.de. 6. August 2022, abgerufen am 12. August 2022.
  9. Die deutsche Commerzbank hatte zuvor ihre Kreditforderungen an den amerikanischen Investor Carlyle abgetreten. Kettler auf der Kippe. In: Welt am Sonntag, 7. Juni 2015 (welt.de)
  10. Kettcar-Hersteller Kettler meldet Insolvenz an n-tv.de, 3. Juni 2015.
  11. Website der Kettler Alu-Rad GmbH (Memento vom 23. März 2017 im Internet Archive), abgerufen am 8. März 2017
  12. ZEG Pressemitteilungen. In: ZEG. Abgerufen am 12. Februar 2016 (deutsch).
  13. Kettler sieht sich nach „turbulentem Jahr“ auf gutem Weg. In: Soester Anzeiger. 17. Dezember 2016 (soester-anzeiger.de [abgerufen am 20. Dezember 2016]).
  14. Fallbericht des Bundeskartellamts vom 11. Januar 2017 - Bußgelder wegen vertikaler Preisbindung beim Vertrieb von Möbeln. (PDF) Bundeskartellamt, 11. Januar 2017, abgerufen am 15. Januar 2017.
  15. Firmenerbin stirbt nach Autounfall In: handelsblatt.de
  16. t-online.de: Kettcar-Hersteller Kettler meldet erneut Insolvenz an, abgerufen am 2. Oktober 2018.
  17. a b René Bender: Unternehmen und Kettler-Stiftung streiten über Schuld für Insolvenz. In: handelsblatt.com. 19. Juli 2018, abgerufen am 12. August 2022.
  18. Iserlohner Kreisanzeiger und Zeitung vom 2. Oktober 2018
  19. Finanzinvestor will Traditionsbetrieb weiterführen. www.spiegel.de, 9. Dezember 2018.
  20. Kettler erneut in der Krise. www.spiegel.de, 31. Juli 2019.
  21. Kettler: Kettcar-Hersteller ist erneut insolvent. In: t-online.de. 31. Juli 2019, abgerufen am 4. August 2019.
  22. Kettler beantragt Insolvenz: Das sagt das Unternehmen. 31. Juli 2019, abgerufen am 4. August 2019.
  23. Kettler: Die letzten Tage eines Traditionsunternehmens. In: Westfalenpost (online). 31. Januar 2020, abgerufen am 25. Juni 2020.
  24. Kettler - Neustart ist geglückt. In: moebelkultur.de. 17. Juli 2020, abgerufen am 4. August 2020.
  25. Thomas Thieme: Kettler – Comeback einer Kultmarke. In: absatzwirtschaft.de. 28. November 2021, abgerufen am 12. August 2022.
  26. Florian Langenscheidt (Hrsg.): Deutsche Standards: Marken des Jahrhunderts. Springer-Verlag, Heidelberg 2006, ISBN 978-3-8349-0436-2, S. 279.
  27. Delius-Klasing: Industrie-Denkmal. In: Trekkingbike, Nr. 6, November 2009, S. 22–25.
  28. Bonanzero: Ab wann gab es die ersten Alurahmen? www.rennrad-news.de, 22. Januar 2017, abgerufen am 22. Januar 2017.
  29. Jürgen Wetzstein: 30 Jahre Kettler Alurad: Kettler legt das legendäre Alurad neu auf. In: velobiz.de. 31. Oktober 2008 (velobiz.de/news [abgerufen am 12. August 2022]).

Koordinaten: 51° 30′ 5,2″ N, 7° 57′ 29,2″ O