Kindergarten plus – Wikipedia
„Kindergarten plus“ ist ein Programm zur Förderung der sozialen und emotionalen Kompetenzen vier- bis fünfjähriger Kinder in Kindertageseinrichtungen. Das Programm wurde von der Deutschen Liga für das Kind entwickelt und durchgeführt. Es wurde bundesweit in mehr als 1.620 Kindertageseinrichtungen durchgeführt wird.
„Kindergarten plus“ ist Bestandteil des Jugendprogramms der Deutschen Lions und wird von zahlreichen Lions-Clubs gefördert.
Programme zur Förderung von Kindern im Vorschulalter
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Während es allein für die Gewaltprävention im Schulalter über hundert Programme in Deutschland gibt[1], ist die Zahl der Präventionsprogramme im Kleinkindalter sehr überschaubar. Von Julie Klinkhamer und Maria von Salisch werden neben Kindergarten plus noch Papilio und Faustlos genannt.[2]
Ziele von Kindergarten plus
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Damit Kinder ihr Potential nutzen können, ist neben der sprachlichen und sachbezogenen Erziehung die Förderung der emotionalen Intelligenz von entscheidender Bedeutung.[3] Im Alter von drei bis sechs Jahren schreitet die sozial-emotionale Entwicklung sehr schnell voran. Schulanfängern mit gut entwickelter emotionaler Kompetenz haben eine gute Akzeptanz in der Gleichaltrigengruppe, eine bessere Impulskontrolle und emotionale Stabilität als Grundlage für ihren Schulerfolg.[2] Kindergarten plus hat das Ziel, die sozialen und emotionalen Kompetenzen zu fördern. Im Einzelnen fördert das Programm:
- Selbst- und Fremdwahrnehmung
- Einfühlungsvermögen (Empathie)
- Kommunikations- und Konfliktfähigkeit
- Wahrnehmung von Selbstwirksamkeit und Eigenkompetenz
- Motivations- und Leistungsfähigkeit
- Beziehungsfähigkeit[4][5]
Durchführung von Kindergarten plus
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die pädagogischen Fachkräfte der Kindergärten werden in einer zweiteiligen Basisfortbildung für das Programm geschult. Die Kita erhält ein umfangreiches Materialpaket. Das Programm wird von einer Erzieherin oder einer Trainerin an neun Vor- oder Nachmittagen im Abstand von einer Woche durchgeführt. Die Eltern der Kinder werden über die durchgeführten Module informiert.[4]
Entstehung und Entwicklung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Deutsche Liga für das Kind in Familie und Gesellschaft e.V. wurde am 25. Juni 1977 mit finanzieller Unterstützung von Lions und Rotary gegründet. Die Liga beschäftigt sich bis heute schwerpunktmäßig mit der Entwicklung und Förderung von Kleinkindern im Vorschulalter. Unter dem Namen Kindergarten plus entwickelte die Liga ein Förderprogramm für Kindergartenkinder. Mit Unterstützung von Lions Clubs erfolgte 2002 eine Testphase in fünf deutschen Standorten. Im Jahr 2004 war die Testphase abgeschlossen und zahlreiche Materialien produziert. Das Programm wurde von nun an bundesweit angeboten. Der Lions Multidistrikt Deutschland nahm Kindergarten plus in sein Jugendprogramm „Stark fürs Leben“ auf. Im Rahmen einer Doktorarbeit (siehe Kapitel Evaluation) wurde 2013 die Wirksamkeit des Programm erfolgreich überprüft. Das Niedersächsische Institut für frühkindliche Bildung und Entwicklung (nifbe) nahm Kindergarten plus in die grüne Liste Prävention auf und verlieh das Prädikat „Effektiv“. Nach einer externen Überprüfung erhält Kindergarten plus 2015 das PHINEO Wirkt-Siegel verliehen. Im Jahr 2017 wird im Rahmen von Kindergarten plus das Kinderbuch „Tula und Tim im Land der Gefühle“ herausgebracht.[6]
START ab 2
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Kindergarten plus ist für Vorschulkinder im Alter von 4–6 Jahren konzipiert. Unter der Bezeichnung Kindergarten plus Start wurde 2020 ein analoges Programm entwickelt, welches an die sprachliche, kognitive und emotionale Entwicklung der zwei- bis dreijährigen Kinder angepasst ist. Nach eingehender Evaluation wurde das Programm 2021 unter der Bezeichnung START ab 2 eingeführt.[7]
Diversität
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Im Rahmen der regelmäßige Überprüfung und Weiterentwicklung wurde Kindergarten plus einem „Diversity-Check“ unterzogen. Es ist eine wichtige Aufgabe von Kindertageseinrichtungen, Kinder auf das Leben in einer heterogenen Gesellschaft vorzubereiten. Welcher Wert Diversität in der Lern- und Lebenswelt ihrer Kita beigemessen wird, beeinflusst die Bewertung von Vielfalt der Kinder und ihre Einstellung zu Diversität später als Erwachsene. Methoden und Materialien von Kindergarten plus wurden durch die Einbeziehung von Behinderten und Menschen unterschiedlicher Haut- und Haarfarbe an die Realität gesellschaftlicher Vielfalt angepasst. Verschiedenheit und Individualität sind auch ein Hauptthema im Modul 1 des Projektleitfadens.[8]
Online-Seminare
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Während der Restriktionen durch die Corona-Pandemie wurde die Durchführung von Präsens-Seminaren stark eingeschränkt. Von der Liga wurden daher online-Kurse entwickelt, um auch bei Kontaktsperren eine Schulung vornehmen zu können. Diese online-Kurse werden auch von Kindergärten wahrgenommen, die geographisch isoliert sind, um Reisekosten zu sparen.
Evaluation
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Kindergarten plus wurde von einem Forscherteam der Leuphana Universität Lüneburg unter der Leitung von Maria von Salisch evaluiert. Diese ergab eine Verbesserung der sozialen Kompetenzen der Kinder in Kindergärten mit Schulung im Vergleich zu Kindergärten ohne Kindergarten plus. Kinder aus Kindergärten mit Kindergarten plus - Schulung hatten eine bessere Impulskontrolle und weniger Probleme im Umgang mit Gleichaltrigen, insbesondere mit Kindern mit Belastungen, als ohne Schulung. Die Ergebnisse wurden in der Promotionsarbeit von Julie Klinkhammer 2012 publiziert.[9]
Organisation
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Schulung der Erzieherinnen und Erzieher erfolgt wohnortnah durch ausgebildete Trainerinnen oder Trainer. Nach Möglichkeit werden mehrere Kindergärten zu einer Trainingseinheit zusammengefasst.
Verbindung zu den Jugendprogrammen der Deutschen Lions
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Zusammen mit Klasse 2000 und Lions Quest ist Kindergarten plus Teil der Jugendprogramme der Deutschen Lions (Stark fürs Leben).[10] Die Jugendprogramme stehen unter der Schirmherrschaft des Drogenbeauftragten der Deutschen Bundesregierung Burkhard Blienert. Viele deutsche Lions Clubs fördern Kindergarten plus durch eine Mitgliedschaft in der Deutschen Liga für das Kind, durch Kontaktaufnahme zu Kindergärten und Vermittlung von Schulungsangeboten sowie durch (Mit-)Finanzierung der Seminare. Beauftragte für Kindergarten plus gibt es auf Clubebene, in den meisten deutschen Lions-Distrikten und im Multidistrikt 111. Der Governoratsbeauftragte für Kindergarten plus (Multidistrikt-Ebene) ist per Satzung Mitglied im Vorstand der Deutschen Liga für das Kind.
Sonstige Förderung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Nach der Anerkennung von Kindergarten plus als Präventionsprogramm durch das Niedersächsische Institut für frühkindliche Bildung und Entwicklung beteiligten sich auch Stiftungen, Initiativen und Krankenkassen, insbesondere die Techniker Krankenkasse an der Finanzierung.
Verbreitung in Deutschland
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Kindergarten plus wird in allen Bundesländern durchgeführt. Die größte Verbreitung besteht in Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg, Niedersachsen und Hessen. In den neuen Bundesländern ist die Verbreitung gering.
Situation im Ausland
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Kindergarten plus wird auch in Wien mit Unterstützung der Wiener Kinderfreunde durchgeführt. In der Schweiz wurden es bisher nicht angewendet.
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Matthias Kliegel: Maßnahmen zur Prävention von Gewalt an Schulen : Bestandsaufnahme von Programmen im deutschsprachigen Raum ; Literaturstudie. 2., überarb. und erweiterte Auflage. Dt. Gesetzl. Unfallversicherung (DGUV), Berlin 2011, ISBN 978-3-86423-007-3.
- ↑ a b Julie Klinkhammer, Maria von Salisch: Emotionale Kompetenz bei Kindern und Jugendlichen. Entwicklung und Folgen. 1. Auflage. Stuttgart 2015, ISBN 978-3-17-028392-3.
- ↑ Stella Valentien: Kindergarten plus als Werkzeug der Qualitätsverbesserung aus Sicht von Kita-Trägern. In: Frühe Kindheit. Nr. 05/21. Berlin 2021, S. 55–57.
- ↑ a b Jörg Maywald, Stella Valentien: Kindergarten plus: Ein Programm der Deutschen Liga für das Kind. Handbuch für Erzieherinnen und Erzieher mit CD-ROM. Hrsg.: Deutsche Liga für das Kind. 3. Auflage. Berlin 2018.
- ↑ Stella Valentien: Raum für das Spiel mit Gefühlen. Positive Erfahrungen rund um das Thema Emotionen. In: Frühe Kindheit. Nr. 06/21. Berlin 2021, S. 50–53.
- ↑ Sabine Walper: In diesem Jahr wird die Deutsche Liga für das Kind in Familie und Gesellschaft 40 Jahre ali. In: Frühe Kindheit. Nr. 06/17. Berlin 2017, S. 78–83.
- ↑ Stella Valentien: Routenplaner Kindergarten plus Start. Hrsg.: Deutsche Liga für das Kind. Berlin 2021.
- ↑ Stella Valentien, Josephine Walter: Diversity-Check zeigt: Kindergarten plus ist auf dem richtigen Kurs. In: Frühe Kindheit. Berlin Januar 2022, S. 68–71.
- ↑ Julie Klinkhammer: Evaluation des Präventionsprogrammes „Kindergarten plus“ zur Förderung der sozialen und emotionalen Kompetenzen. Leuphania Universität Lüneburg, 6. September 2012, abgerufen am 19. Februar 2022.
- ↑ Heinz-Jörg Panzner: Hilfestellung in die Zukunft. In: Der Lion. Nr. 1, Januar 2007, S. 40–41.