Kriegsstrafverfahrensordnung – Wikipedia

Die Kriegsstrafverfahrensordnung (KStVO) wurde, zugleich mit der Kriegssonderstrafrechtsverordnung, am 17. August 1938 vom Chef des Oberkommandos der Wehrmacht (OKW) Wilhelm Keitel und dem „Führer und Reichskanzler“ Adolf Hitler unterzeichnet und sollte die in der Militärstrafgerichtsordnung[1] vorgesehenen Vorschriften „zur Sicherung der Wehrmacht und des Kriegszwecks“ vereinfachen.[2] Die beiden 1938 fertig ausgearbeiteten Verordnungen wurden erst am 26. August 1939 im Reichsgesetzblatt bekannt gegeben und traten somit unmittelbar vor Beginn des Zweiten Weltkrieges in Kraft.

Beide Verordnungen gaben den Militärjuristen „praktisch unbegrenzte Möglichkeiten, gegen ‚innere und äußere Feinde‘ vorzugehen.“[3] Sie dienten „dem unabweisbaren militärischen Bedürfnis nach einer straffen und schnellen Justiz im Krieg“.[4]

Wesentliche Inhalte der KStVO

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Nach § 2 sind dem Kriegsverfahren gleichermaßen Soldaten, Wehrmachtbeamte, Wehrpflichtige und Kriegsgefangene unterworfen; eine Zuständigkeit kann beantragt werden für Personen, die der Spionage, der Freischärlerei, der Wehrkraftzersetzung oder des Hoch- und Landesverrats beschuldigt werden.

Weiterhin regelt die KStVO die Besetzung der Feldkriegsgerichte (bzw. Bordkriegsgerichte) und des Reichskriegsgerichts.

Entscheidungen eines Kriegsverfahrens sind mit ordentlichen Rechtsmitteln nicht anfechtbar. Sie werden von Amts wegen in einem Nachprüfungsverfahren bestätigt, geändert oder aufgehoben (§ 75 ff.). Berufungs- und Beschwerdeinstanzen mit den Oberkriegsgerichten sowie die Revisionsinstanz fielen weg.[5]

Nach § 5 ist der „Führer und Reichskanzler“ Oberster Gerichtsherr der Wehrmacht. Ihm ist gemäß § 78 und § 80 das Bestätigungs- und Aufhebungsrecht vorbehalten bei Todesurteilen von Offizieren, wenn er einen allgemeinen Vorbehalt ausspricht oder einen Einzelfall aufgreift.

Der Vollzug der Todesstrafe sollte nach § 103 der ersten Fassung der KStVO durch Erschießen, bei Frauen grundsätzlich durch Enthaupten vollzogen werden.

Der Vollzug der Freiheitsstrafe an Wehrmachtsangehörigen war bis nach Ende des Zweiten Weltkriegs ausgesetzt (§ 104 KStVO). Wehrmachtsangehörige, die zu Gefängnisstrafen von mehr als einem Monat verurteilt worden waren und „bei denen es aus Gründen der Sicherheit oder Erziehung erforderlich erscheint“, waren für die Dauer der Aussetzung des Strafvollzugs in Sonderabteilungen oder Lagerverbänden „zu verwahren“ (§ 105 KStVO).[6] Die Zeit der Verwahrung wurde grundsätzlich nicht auf die zu verbüßende Freiheitsstrafe angerechnet (§ 106 KStVO). Wegen der in den Feldstraflagern herrschenden „härtesten Lebensbedingungen“ hatte Kriegsgerichtsrat Fritz Hodes den Straflagern schon 1940 „den Charakter eines Konzentrationslagers für die Wehrmacht“ zugesprochen.[7][6]

Ergänzungen und Änderungen

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Bis zum 11. Januar 1945 wurden elf Durchführungsverordnungen erlassen.[8] Mit der 4. DVO vom 11. November 1939 (RGBl. I, S. 2132) werden Standgerichte eingeführt.

In der 7. DVO vom 18. Mai 1940 (RGBl. I, S. 787) wird die ausschließliche Zuständigkeit der Militärgerichtsbarkeit für Wehrkraftzersetzung eingeschränkt. Zudem kann der Gerichtsherr andere Behörden „besonders bei Zivilpersonen“ um Übernahme der Strafvollstreckung ersuchen.

Tatsächlich wurden bei Todesurteilen oftmals Oberstaatsanwaltschaften um Übernahme der Strafvollstreckung ersucht, in deren Richtstätten eine Enthauptung vorgenommen wurde. Ab Ende 1942 wurden erstmals kriegsgerichtlich verurteilte Militärpersonen am Galgen getötet.[9]

Rechtlich schaffte das Supreme Headquarters Allied Expeditionary Force mit Gesetz Nr. 153 vom 4. Mai 1945 alle deutschen Kriegsgerichte mit Ausnahme der Feldkriegsgerichte ab. Zugleich mit der Abschaffung des Reichskriegsgerichts wurden alle gerichtsverfassungsrechtlichen und prozessualen Normen aufgehoben.[10]

  • Günter Gribbohm: Das Reichskriegsgericht – Die Institution und ihre rechtliche Bewertung. Berliner Wiss.-Verlag, Berlin 2004, ISBN 3-8305-0585-X, S. 22 f.

Kriegsstrafverfahrensordnung auf Wikisource

Einzelnachweise

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  1. Bekanntmachung der Neufassung der Militärstrafgerichtsordnung und des Einführungsgesetzes zu ihr (MStGO) vom 29. September 1936 (RGBl. I, S. 751)
  2. § 1 der Kriegsstrafverfahrensordnung (KStVO) (RGBl. I 1939, S. 1457)
  3. Ulrich Baumann, Magnus Koch: „Was damals Recht war…“ – Soldaten und Zivilisten vor Gerichten der Wehrmacht. Be.bra-Verlag, 2008, ISBN 978-3-89809-079-7, S. 145.
  4. Zeitgenössischer Fachaufsatz zitiert nach Günter Gribbohm: Das Reichskriegsgericht – Die Institution und ihre rechtliche Bewertung. Berliner Wiss.-Verlag, Berlin 2004, S. 8 mit Anm. 18.
  5. Günter Gribbohm: Das Reichskriegsgericht…, Berlin 2004, S. 8.
  6. a b Hans-Peter Klausch: Orte des Schreckens: Die Feldstraflager der Wehrmacht. Via Regia – Blätter für internationale kulturelle Kommunikation Heft 24 1995, abgerufen am 23. Oktober 2023.
  7. Fritz Hodes: Die Strafvollstreckung im Kriege. Zeitschrift für Wehrrecht (ZWR), 1939/40, S. 407.
  8. Aufgelistet bei Günter Gribbohm: Das Reichskriegsgericht…, Berlin 2004, S. 12.
  9. Hans Peter Kiausch: Erschießen – Enthaupten – Erhängen. In: Ulrich Baumann, Magnus Koch: „Was damals Recht war…“, Be.bra-Verlag, 2008, S. 81. Der Verfasser schätzt ihre Anzahl auf insgesamt 300.
  10. Günter Gribbohm: Das Reichskriegsgericht…, Berlin 2004, S. 7.