Landesgewerbemuseum Stuttgart – Wikipedia

Hauptbau des Landesgewerbemuseums, 1896
Landesgewerbemuseum inmitten des zerstörten Stuttgarts

Das Landesgewerbemuseum Stuttgart wurde 1890 bis 1896 nach den Plänen von Skjøld Neckelmann erbaut und diente der Wirtschaftsförderung in Württemberg. Nach den Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs wurde das Gebäude notdürftig wiederhergestellt, verlor aber 1968 seine Funktion als Museum. 1985 bis 1990 wurde das Gebäude zu einem Zentrum für überregionale Wirtschaftsförderung umgewidmet und 1988 in Haus der Wirtschaft umbenannt.

  
Gebäude-
teil
Bezeichnung Straße
1 linker Kuppelbau Willi-Bleicher-Straße
2 Hauptbau mit den Seitenfassaden 2a und 2b Willi-Bleicher-Straße
3 rechter Kuppelbau Willi-Bleicher-Straße
4 rechter Flügel mit den Risaliten 4a und 4b Schloßstraße
5 hinterer Kuppelbau Schloßstraße
6 hinterer Flügel mit den Risaliten 6a und 6b Kienestraße
7 linker Flügel mit den Risaliten 7a und 7b Hospitalstraße

Landesgewerbemuseum, Grundriss des Erdgeschosses.
Rote Zahlen: Nummern der Gebäudeteile. Norden liegt rechts.

Im Jahr 1850 wurde in der alten Legionskaserne[1] am Ende der Oberen Königstraße ein Musterlager für in- und ausländische Waren begründet. 1886 wurde das Musterlager in Landesgewerbemuseum umbenannt. Im Lauf der Jahrzehnte wuchs das Lager immer mehr an, es enthielt bald eine riesige Zahl von Ausstellungsstücken, darunter auch viele Maschinen, so dass das Bedürfnis entstand, einen Neubau für das Museum zu errichten.[2]

Als Grundstück für den Neubau wurde ein Gelände im Hospitalviertel ausgewählt. Auf dem Gelände befanden sich die ehemalige Leibgardekaserne und die Alte Garnisonkirche. Sie wurden 1889 abgebrochen, um Platz für das Landesgewerbemuseum zu schaffen.

Das Grundstück hat die Form eines Drachens, der mit seiner langen Spitze nach Westen zeigt, und wird begrenzt von der Willi-Bleicher-Straße, der Schloßstraße, der Kienestraße und der nordöstlichen Verlängerung der Hospitalstraße.[3] Zur optimalen Geländeausnutzung wurden die vier Flügel des Gebäudes parallel zu den angrenzenden Straßen errichtet. Bei der Planung galt es zwei besondere Schwierigkeiten zu überwinden:[4]

  • Die an drei Gebäudeecken entstehenden schiefen Winkel sollten dem Betrachter verborgen bleiben, besonders in der Innenraumgestaltung. Dazu wurden an den schiefen Ecken runde Kuppelbauten eingefügt.
  • Die Höhenunterschiede der umgebenden Straßen mussten überwunden werden. Dazu wurde der Erdgeschossboden um 5 Meter höher gelegt als der tiefste Punkt des Grundstücks an der Ecke der Willi-Bleicher-Straße und Schloßstraße. Daher liegt der Erdgeschossboden an der Kienestraße nur geringfügig über der Straßenhöhe.

Das Gebäude wurde im Stil der Neorenaissance und des Neobarock von 1893 bis 1896 nach den Plänen von Skjøld Neckelmann erbaut. Es besteht aus dem Hauptbau (Willi-Bleicher-Straße) mit zwei flankierenden Kuppelbauten und dem anschließenden linken Flügel (Hospitalstraße) und dem rechten Flügel (Schloßstraße). Diese sind an ihren Enden durch den hinteren Flügel (Kienestraße) verbunden. Der spitze Winkel zwischen dem hinteren und rechten Flügel wird ebenfalls durch einen Kuppelbau kaschiert.

Fassadenskulpturen

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Die zusammen 275 Meter langen vier Fassaden des Gebäudes (ohne Kuppelbauten) sind mit reichem bildhauerischen Schmuck versehen. Das bildnerische Programm der Sandsteinfassaden umfasst unter anderem 20 Porträtmedaillons und 41 Schlusssteine.

Porträtmedaillons

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Porträtmedaillon 8
Jörg Syrlin.
Porträtmedaillon 15
Eberhard Walcker.
Porträtmedaillon 18
Gustav Walz.

Die Fassaden des Gebäudes tragen 20 runde Reliefmedaillons mit Porträtköpfen von prominenten Württembergern. Die Porträtköpfe wurden 1895 „von Bildhauer Gäckle unter Mitwirkung von Professor Neckelmann aufs sorgältigste modelliert und ausgeführt“.[5]

Die Liste der Porträtmedaillons ist gegen den Uhrzeigersinn angeordnet. Sie beginnt bei Gebäudeteil 2a, der linken Seitenfassade des Hauptbaus an der Willi-Bleicher-Straße.

Nr. Name Beruf Straße Gebäude-
teil
1 Matthäus Böblinger Architekt Willi-Bleicher-Straße 2a
2 Christian Friedrich von Leins Architekt Willi-Bleicher-Straße 2
3 Karl von Varnbüler Politiker Willi-Bleicher-Straße 2
4 Friedrich List Ökonom Willi-Bleicher-Straße 2
5 Johann Friedrich Cotta Verleger Willi-Bleicher-Straße 2
6 Adolf von Goppelt Politiker Willi-Bleicher-Straße 2
7 Karl Etzel Architekt Willi-Bleicher-Straße 2
8 Jörg Syrlin der Ältere Bildhauer Willi-Bleicher-Straße 2b
9 Karl Deffner Unternehmer Schloßstraße 4a
10 Emil Kessler Unternehmer Schloßstraße 4a
11 Georg Peter Bruckmann Unternehmer Schloßstraße 4b
12 Konrad Weitbrecht Bildhauer Schloßstraße 4b
13 Gottlieb Meebold Unternehmer Kienestraße 6
14 Christian Jakob Zahn Unternehmer Kienestraße 6
15 Eberhard Walcker Instrumentenbauer Kienestraße 6
16 Lorenz Schiedmayer Instrumentenbauer Kienestraße 6
17 August von Weckherlin Agrarwissenschaftler Kienestraße 6
18 Gustav Walz Agrarwissenschaftler Kienestraße 6
19 Philipp Matthäus Hahn Pfarrer und Ingenieur Hospitalstraße 7a
20 Christian Gottlob Gmelin Chemiker Hospitalstraße 7b

Die Fassaden des Gebäudes tragen über 40 Fenstern und über einem Portal Schlusssteine mit Maskenköpfen oder Kartuschen mit Wappenschilden. Die Maskenköpfe symbolisieren einzelne Gewerbe und die vier Elemente. Die Wappenschilde symbolisieren einzelne Gewerbe aus Landwirtschaft, Handwerk und Industrie durch typische Attribute. Die Maskenköpfe wurden 1895 „von Bildhauer Gäckle unter Mitwirkung von Professor Neckelmann aufs sorgältigste modelliert und ausgeführt“, die Wappenschilde wurden von den Stuckateuren Rothe & Hilliger modelliert und ausgeführt.[6]

Die Liste der Schlusssteine ist gegen den Uhrzeigersinn angeordnet. Sie beginnt bei Gebäudeteil 1, dem linken Kuppelbau an der Willi-Bleicher-Straße.

Rechter Risalit des hinteren Flügels mit den Schlusssteinen 39–41 (Wappenschilde mit Symbolen des Gartenbaus, Feldbaus und Landbaus), 1898.
Nr. Maske / Wappenschild Straße Gebäude-
teil
1 Feuer Willi-Bleicher-Straße 1
2 Erde Willi-Bleicher-Straße 1
3 Wasser Willi-Bleicher-Straße 1
4 Luft Willi-Bleicher-Straße 1
5 Merkur (Handel) Willi-Bleicher-Straße 2
6 Ceres (Landwirtschaft) Willi-Bleicher-Straße 2
7 Wappen Württembergs Willi-Bleicher-Straße 2
8 Minerva (Wissenschaft und Kunst) Willi-Bleicher-Straße 2
9 Vulkan (Gewerbe) Willi-Bleicher-Straße 2
10 Waldbau Willi-Bleicher-Straße 3
11 Weinbau Willi-Bleicher-Straße 3
12 Fischerei Willi-Bleicher-Straße 3
13 Jagd Willi-Bleicher-Straße 3
14 Hüttenwesen Schloßstraße 4a
15 Maschinenbau Schloßstraße 4a
16 Wegbau Schloßstraße 4a
17 Zinngießer Schloßstraße 4
18 Weber Schloßstraße 4
19 Färber Schloßstraße 4
20 Schneider Schloßstraße 4
21 Schuhmacher Schloßstraße 4
22 Sattler Schloßstraße 4
23 Instrumentenmacher Schloßstraße 4
24 Wagenbauer Schloßstraße 4
25 Bildhauer Schloßstraße 4b
26 Goldschmiede Schloßstraße 4b
27 Glockengießer Schloßstraße 4b
28 Pomona (Garten- und Obstbau) Schloßstraße 5
29 Gerber Kienestraße 6a
30 Buchdrucker Kienestraße 6a
31 Buchbinder Kienestraße 6a
32 Gipser und Stuckatoren Kienestraße 6
33 Maurer Kienestraße 6
34 Steinhauer Kienestraße 6
35 Zimmerleute Kienestraße 6
36 Schreiner Kienestraße 6
37 Schlosser Kienestraße 6
38 Schmiede Kienestraße 6
39 Gartenbau Kienestraße 6b
40 Feldbau Kienestraße 6b
41 Waldbau Kienestraße 6b

Sonstige Fassadenplastik

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  1. Hauptbau mit Attikastandbildern, Amphorennischen, Porträtmedaillons und Schlusssteinen.
    Rechter Kuppelbau mit Attikakandelabern, Deckelschalen und Schlusssteinen.
  2. Eckrisalit des linken Flügels mit Prachtkandelaber.
  3. Hinterer Kuppelbau mit Prunkamphoren, Schlussstein (Pomona) und Girlandenfries.

Attikastandbilder

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Der Hauptbau wurde zwischen Hauptgesims und Attika von 12 allegorischen, 2,76 Meter hohen Standbildern auf würfelförmigen Sockeln bekrönt. Die Attikakrone zierten muschelförmige Stirnziegel, die hinter den Köpfen der Standbilder wie ein Nimbus wirkten. Die Standbilder waren paarweise über den gekuppelten Säulen des zweiten Obergeschosses angeordnet.

Sechs Stuttgarter Bildhauer schufen jeweils zwei der Standbilder: Ernst Curfeß (Baukunst und Ingenieurkunst), Hermann Bach (Handel und Schifffahrt), Georg Rheineck (Maschinenbau und Elektrotechnik), Adolf Fremd (Physik und Chemie), Albert Gäckle (Kunstgewerbe und Gewerbe) und Theodor Bausch (Landwirtschaft und Bergbau).

Die Standbilder wurden um 1965 abgenommen und an wechselnden Orten gelagert, zurzeit in einem Natursteinwerk in Eppingen. Die Sockel vor der Attika und die Dekorelemente in Kopfhöhe der Statuen erinnern bis heute an die ausstehende Rückkehr der Statuen.[7]

  • Die beiden vorderen Kuppelbauten wurden zwischen Hauptgesims und Attika von je 4 Kandelabern auf würfelförmigen Sockeln bekrönt. Die Kandelaber waren über den 4 Säulen des zweiten Obergeschosses angeordnet. Nach den Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs blieben nur die Sockel der Kandelaber zurück.
  • Die beiden einachsigen Eckrisalite des linken Flügels tragen in einer Halbrundnische einen Prachtkandelaber. Er wird von einem gebrochenen Dreiecksgiebel überkrönt, in dessen Lücke ein Adler mit ausgebreiteten Flügeln in einem Lorbeerkranz thront.

Die Kandelaber wurden von den Stuckateuren Rothe & Hilliger modelliert und ausgeführt.[8]

  • Zwischen je zwei gekuppelten Säulen des ersten Obergeschosses des Hauptbaus ist über einem schmalen Fenster und einer Nische mit einem Porträtmedaillon eine Halbrundnische mit einer Deckelamphore angeordnet.
  • Die Rundbogenfenster des ersten Obergeschosses der vorderen Kuppelbauten trugen bis zum Zweiten Weltkrieg auf der Fensterbank je eine kleine, zweihenkelige Deckelschale (Lekanis).
  • Drei Halbrundnischen im ersten Obergeschoss des hinteren Kuppelbaus tragen gedeckelte Prunkamphoren mit einem Greifenpaarsockel.

Die Vasen wurden von den Stuckateuren Rothe & Hilliger modelliert und ausgeführt.[9]

Das Portal des hinteren Kuppelbaus trägt als Schlussstein den Kopf der Pomona (römische Göttin des Garten- und Obstbaus). Zu beiden Seiten erstreckt sich ein Bukranienfries, der aus je vier Girlanden besteht, die abwechselnd an Kandelabern und gehörnten Ochsenschädeln aufgehängt sind.

  • Judith Breuer: Vom Landesgewerbemuseum zum Haus der Wirtschaft. Der Prachtbau in Stuttgart wird 125 Jahre alt. In: Denkmalpflege in Baden-Württemberg. Nachrichtenblatt der Landesdenkmalpflege. 50. Jahrgang, 2021, S. 160–165.
  • Judith Breuer: Die Attikafiguren des ehemaligen Landesgewerbemuseums in Stuttgart. Bedeutung und Schicksal der Skulpturen. In: Denkmalpflege in Baden-Württemberg. Nachrichtenblatt der Landesdenkmalpflege. 50. Jahrgang, 2021, S. 166–170.
  • Der Bilderschmuck des Königlichen Landes-Gewerbe-Museums in Stuttgart. Stuttgarter Vereins-Buchdruckei, Stuttgart 1897.
  • Robert Gaupp, Oskar von Gärttner, Heinrich Dolmetsch, August Knoblauch, Ludwig Petzendorfer: Das K. Württembergische Landes-Gewerbemuseum in Stuttgart: Festschrift zur Einweihung des neuen Museumsgebäudes. Kgl. Zentralstelle für Gewerbe und Handel, Stuttgart 1896, pdf.
  • Julius Hartmann: Die Meisterbildnisse an dem neuen Landes-Gewerbemuseum. In: Gewerbeblatt aus Württemberg, 1895, S. 401–404, 410–414; 1896, S. 162–163.
  • August Hartel, Skjøld Neckelmann: Aus unserer Mappe. Auswahl hervorragender Entwürfe. Von Hartel & Neckelmann, Architekten zu Leipzig. Band 2, 1888. Hiersemann, Leipzig 1889. 40 Tafeln im Format 30 × 45 cm, Tafel 31–36.
  • Skjøld Neckelmann: Das Königlich Württembergische Landes-Gewerbemuseum in Stuttgart. Wasmuth, Berlin 1898.
  • Martin Wörner, Gilbert Lupfer, Ute Schulz: Architekturführer Stuttgart. Berlin 2006, S. 18, Nr. 23.
Commons: Landesgewerbemuseum Stuttgart – Sammlung von Bildern
Commons: Haus der Wirtschaft – Sammlung von Bildern
  1. Die Legionskaserne (→ Abbildung) wurde 1905 abgebrochen und durch den Wilhelmsbau in der Eberhardstraße 78 ersetzt.
  2. #Gaupp 1896, Seite 1–79.
  3. Die Willi-Bleicher-Straße hieß bis 1982 Kanzleistraße, die Kienestraße bis 1946 Lindenstraße, die namenlose Straße zwischen dem Haus der Wirtschaft und dem anliegenden Parkplatz bildet die nordöstliche Verlängerung der Hospitalstraße und hieß früher Hospitalstraße.
  4. #Gaupp 1896, Seite 80.
  5. #Neckelmann 1898.
  6. #Neckelmann 1898.
  7. Breuer: Vom Landesgewerbemuseum...2021, S. 162, 163; Breuer: Die Attikafiguren... 2021, S. 166–170
  8. #Neckelmann 1898.
  9. #Neckelmann 1898.

Koordinaten: 48° 46′ 44,6″ N, 9° 10′ 27,1″ O