Landwirtschaftsgericht – Wikipedia

Das Landwirtschaftsgericht ist seit 1953 in Deutschland bundesweit eine Abteilung des Amtsgerichts mit ausschließlicher Zuständigkeit zur Entscheidung über Landwirtschaftssachen. Übergeordnet sind die Senate für Landwirtschaftssachen beim Oberlandesgericht und beim Bundesgerichtshof.[1] In allen diesen besonderen Spruchkörpern sind ehrenamtliche Richter beteiligt (zum Ganzen § 2 LwVfG).[2]

Vorläufer waren ab 1933 die Anerbengerichte nach dem Reichserbhofgesetz, ab 1947 die Bauerngerichte in der amerikanischen, die Landwirtschaftsgerichte in der französischen und die Gerichte für Landwirtschaftssachen in der britischen Zone.[3]

Zu den Landwirtschaftssachen gehören unter anderem Verfahren über

  • Landpachtverträge nach den §§ 585 ff. des BGB (§ 1 Nr. 1 und 1a LwVfG)
  • Anzeige und Beanstandung von Landpachtverträgen nach § 1 Nr. 1 des Landpachtverkehrsgesetzes
  • die Genehmigung der rechtsgeschäftlichen Veräußerung eines landwirtschaftlichen Grundstücks nach den §§ 1 ff., 18 ff. des Grundstückverkehrsgesetzes (§ 1 Nr. 2 LwVfG)
  • Einwendungen gegen das siedlungsrechtliche Vorkaufsrecht nach § 10 des Reichssiedlungsgesetzes (§ 1 Nr. 3 LwVfG)
  • die Zuweisung eines landwirtschaftlichen Betriebes nach den §§ 13 ff. des Grundstückverkehrsgesetzes (§ 1 Nr. 2 LwVfG), einschließlich Abfindung der Miterben
  • das Anerbenrecht in Gebieten, wo ein solches besteht (§ 1 Nr. 5 LwVfG); hierzu gehören etwa
    • die Erteilung von Hoffolgezeugnissen oder Erbscheinen (§ 18 Abs. 2 HöfeO)[4]
    • die Zustimmung zu einer Verfügung von Todes wegen bzw. die Genehmigung eines Übergabevertrages (§§ 16, 17 HöfeO)
    • die Abfindung der Miterben (§§ 12, 13 HöfeO)
    • Fragen des Altenteils des überlebenden Ehegatten (§ 14 Abs. 2 HöfeO).

Baden-Württemberg hat 2009 im Agrarstrukturverbesserungsgesetz (ASVG) aufgrund von Art. 125a GG eigene Vorschriften über Grundstücksverkehr, Landpachtverkehr und ländliches Siedlungsrecht erlassen; auch hierbei handelt es sich um Landwirtschaftssachen der Landwirtschaftsgerichte (§ 32 Abs. 3 ASVG).

Ohne Zuziehung ehrenamtlicher Richter entscheiden Landwirtschaftsgerichte über die Beanstandung von Jagdpachtverträgen (§ 12 Abs. 3 Satz 3 BJagdG) und von Fischereipachtverträgen (§ 51 Abs. 2 LwVfG i. V. m. Landesrecht).

Landwirtschaftsgerichte entschieden auch in Verfahren zur Wiederherstellung des landwirtschaftlichen Privateigentums in Ostdeutschland nach dem Landwirtschaftsanpassungsgesetz (§ 65 LwAnpG).

Abgesehen von Niedersachsen und Hessen besteht eine Zuständigkeitskonzentration auf bestimmte Amtsgerichte nach § 8 LwVfG. Oftmals werden die Amtsgerichte am Sitz der Landgerichte berufen; in Sachsen und Bayern ist die Zahl der Landwirtschaftsgerichte sogar geringer als die der Landgerichte.

Land Zahl
der LwG
Zahl
der AG
BW BW 19[5] 108
BY BY 21[6] 73
BE BE 1[7] 11
BB BB 4[8] 24
HB HB 2[9] 3
HH HH 2[10] 8
HE HE 41 41
MV MV 4[11] 10
NI NI[12] 80 80
NW NW 59[13] 129
RP RP 17[14] 46
SL SL 1[15] 10
SN SN 3[16] 25
ST ST 6[17] 25
SH SH 19[18] 22
TH TH 4[19] 23
Summe 283 638

(Länder mit Anerbenrecht im Fettdruck.)

Das Landwirtschaftsgericht wird in der Regel mit einem Richter am Amtsgericht als Vorsitzendem und zwei ehrenamtlichen Richtern tätig. Die ehrenamtlichen Richter, auch Landwirtschaftsrichter genannt, werden auf Grund einer Vorschlagsliste vom Präsidenten des Oberlandesgerichts auf die Dauer von fünf Jahren berufen (§ 3 LwVfG). In die Vorschlagsliste werden nur Deutsche aufgenommen, die die Landwirtschaft im Gerichtsbezirk selbständig im Haupt- oder Nebenberuf ausüben oder ausgeübt haben (§ 4 LwVfG).

Das Verfahren vor den Landwirtschaftsgerichten richtet sich nach dem Gesetz über das gerichtliche Verfahren in Landwirtschaftssachen (LwVfG), das für Landwirtschaftssachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit auf das FamFG (bis 2009 FGG) verweist, für streitige Landwirtschaftssachen (insbesondere bei Landpachtverträgen) auf die ZPO. In Hamburg, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein gilt in Anerbensachen zudem die Verfahrensordnung für Höfesachen[20] als partielles Bundesrecht (Art. 125 Nr. 1 GG).

Im zweiten Rechtszug entscheidet das Oberlandesgericht, im dritten der Bundesgerichtshof,[1] jeweils in der Besetzung mit drei Berufs- und zwei ehrenamtlichen Richtern (Senate für Landwirtschaftssachen). Das Oberlandesgericht Köln ist auch für den Bezirk des Oberlandesgerichts Düsseldorf zuständig,[13] das Oberlandesgericht Zweibrücken auch für den Bezirk des Oberlandesgerichts Koblenz.[21]

Einzelnachweise

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  1. a b BGH-Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit: BLw; streitige Landwirtschaftssachen: LwZR
  2. Gesetz über das gerichtliche Verfahren in Landwirtschaftssachen (abgekürzt nach Kirchner LwVfG, aber auch LwVG) vom 21. Juli 1953 (BGBl. I S. 667); Begründung: BT-Drs. 01/3819
  3. siehe die durch § 60 Abs. 2 LwVfG aufgehobenen Vorschriften, etwa § 17 der bayerischen Verordnung Nr. 127 vom 22. Mai 1947 (GVBl. S. 180), § 31 der badischen Durchführungsverordnung zum Kontrollratsgesetz Nr. 45 vom 11. Dezember 1948 (GVBl. S. 217) oder die Verfahrensordnung für Landwirtschaftssachen (LVO) vom 2. Dezember 1947 (VOBl. BrZ S. 157)
  4. siehe auch BGH, Urteil vom 27. September 1994 (X ARZ 731/94) zur Höfeordnung Rheinland-Pfalz
  5. § 4 ZuVOJu vom 20. November 1998
  6. § 46 GZVJu vom 11. Juni 2012
  7. § 12 ZuwV vom 8. Mai 2008
  8. § 8 GerZV vom 2. September 2014
  9. § 6 Verordnung über Zuständigkeiten von Amtsgerichten vom 18. Dezember 2018
  10. Verordnung über die Neuregelung der Zuständigkeit der Amtsgerichte in Landwirtschaftssachen vom 22. März 2004
  11. § 2 KonzVO M-V vom 28. März 1994
  12. Kreiszeitung: Ministerium entscheidet: Landwirtschaftsgericht bleibt in Syke (13. August 2018)
  13. a b Verordnung zur Übertragung von Landwirtschaftssachen vom 25. August 1977; als Landwirtschaftsgerichte nur für den eigenen Bezirk zuständig sind 24 Amtsgerichte
  14. § 5 Landesverordnung über die gerichtliche Zuständigkeit in Zivilsachen und Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit vom 22. November 1985; als Landwirtschaftsgerichte nur für den eigenen Bezirk zuständig sind 3 Amtsgerichte (Cochem, Idar-Oberstein, Rockenhausen); siehe auch Liste der zuständigen Landwirtschaftsgerichte (Mai 2012)
  15. § 6 Verordnung über die gerichtliche Zuständigkeit in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, Familiensachen und Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit vom 15. Juli 1994
  16. § 19 SächsJOrgVO vom 7. März 2016
  17. Verordnung über die Übertragung der Geschäfte in Landwirtschaftssachen aus den Bezirken mehrerer Amtsgerichte auf einzelne Amtsgerichte vom 12. Juli 1994
  18. §5 JZVO vom 15. November 2019
  19. § 4 ThürGerZustVO vom 17. November 2011
  20. Text der Verfahrensordnung für Höfesachen
  21. § 4 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. a GerOrgG (freiwillige Gerichtsbarkeit), § 5 Abs. 2 Landesverordnung über die gerichtliche Zuständigkeit in Zivilsachen und Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (streitige Landwirtschaftssachen)