Mandora – Wikipedia
Mandora, häufig mit französisch mandore und gelegentlich mit italienisch mandola gleichgesetzt, ist der Name einer Reihe unterschiedlicher historischer Lauteninstrumente von einer Tenor-Mandoline im 16. Jahrhundert bis zu einer Basslaute im 18. Jahrhundert.
Sopran-Instrument
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Mandora ist ein seit 1235 in der Provence nachgewiesenes, ursprünglich viersaitiges Instrument.[1] In der Renaissancezeit bezeichnet der Name eine kleine, vier- oder fünfchörige Laute (Diskantlaute). Michael Praetorius nannte sie in seinem Werk Syntagma musicum (1615–1619) Mandürchen (entspricht weitgehend der Quinterne), auch Mandörgen. Sie war möglicherweise die Vorläuferin der Mandoline. Namens- und formverwandt ist auch die seit dem 18. Jahrhundert gebaute Mandola.
Mersenne
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Im 17. Jahrhundert nennt Marin Mersenne eine vierchörige Mandore mit der Stimmung e - c - g' c' statt der Normalstimmung g - c - g' - c'.[2]
18. Jahrhundert
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Nach 1700, am Übergang zur Rokokozeit, bezeichnet Mandora bzw. Gallichon ein Lauteninstrument mit ca. 70 cm Mensur und sechs Chören. Auch Instrumente mit sieben, acht oder neun Chören sind erhalten. Die Mandora war meist ähnlich der Gitarrenstimmung in E gestimmt (e' - h - g - d - A - G) oder in D (d' - a - e - c - G - F). Die Bezeichnung des Instrumentes schwankt allerdings: Mandora, Mandore, Gallichone, Colascione u. ä.
Die Bass-Variante des Instruments wurde Gallichon oder Colachon oder auch Calichon genannt (wurde und wird oft mit einem anderen Lauteninstrument verwechselt, dem Colascione), war mit Mensuren zwischen 85 und 93 cm deutlich größer, mit Einzelsaiten bezogen und in A gestimmt (a - e - c - G - D - C, auch: a - e - c - G - D - A).
Verwendung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Während die Mandora ein beliebtes Solo-Instrument war, wurde der Calichon als Generalbassinstrument verwendet, so bei Georg Philipp Telemann (dort Colchedon oder auch Chalcedon genannt) oder Johann Sigismund Kusser[3] (in seiner Oper Erindo, Hamburg 1694[4]). Johann Mattheson erwähnt ihn als Begleitinstrument in der Kammermusik („Das neu-eröffneten Orchestre“, 1713, S. 277.279).
Adaption
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Kurz vor 1800 fand ein Ringtausch zwischen Mandora und Gitarre statt. Die Gitarre übernahm die sechste Saite und die Stimmung der Mandora (e' - h - g - d - A - G, später auch e' - h - g - d - A - E). Die Mandora übernahm von der Gitarre die inzwischen eingeführte Besaitung mit einzelnen Saiten statt Chören.[5]
Ein späteres Erbe dieser Entwicklung auf Seiten der Mandora war die Gitarrenlaute.
Musik für die Mandora, meist von anonymen Verfassern, wurde in Form der Tabulatur notiert.
Komponisten
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]16. und 17. Jahrhundert
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Für die Mandora des 16. und 17. Jahrhunderts schrieben: Martin Agricola, Pierre Brunet, Adrian Le Roy, Ottomar Luscinius, Sebastian Virdung, François de Chancy (um 1600–1656) u. a.
18. Jahrhundert
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Für die Mandora des 18. Jahrhunderts schrieben: Johann Georg Albrechtsberger (der die Mandora in Gründliche Anweisung zur Komposition 1790 als achtchöriges Instrument mit vier Greifsaiten und vier Basssaiten – d-g-h-e'–C-D-E-A – beschreibt[6]), Peter August (1726–1787)[7], Giuseppe Antonio Brescianello (18 Partiten für Gallichone solo,[8] 1730, Sächsische Landesbibliothek Dresden[9]), Johann Friedrich Daube,[10] Johann Paul Schiffelholz u. a., darunter auch anonyme Verfasser.[11]
Siehe auch
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Dieter Kirsch: Die Mandora in Österreich. Zur Bestimmung eines Lautentyps des 18. Jahrhunderts. Neues vom Pasqualatihaus 4 (1994), S. 63–81.
- Dieter Kirsch: Musik für Mandora in der Universitätsbibliothek Eichstätt; Sammelblatt Historischer Verein Eichstätt 86 (1993), S. 14–19.
- Dieter Kirsch, Lenz Meierott (Hgg.): Berliner Lautentabulaturen in Krakau. Mainz, 1992.
- Josef Klima: Gitarre und Mandora, die Lauteninstrumente der Volksmusik. In: Österreichische Musikzeitschrift, Band 18, Heft 2, 1963, S. 72–78.
- Leipzig Mandora Book. (Manuskript um 1730) Tree Edition, Lübeck 2007.
- Rudolf Lück: Zur Geschichte der Basslauten-Instrumente Colascione und Calichon. DJbM 5 (1960), S. 67–75.
- Ernst Pohlmann: Laute, Theorbe, Chitarrone. Bremen, 1968 (1982).
- Pietro Prosser: Calichon e mandora nel Settecento: Con un catalogo tematico del repertorio solistico. Diss. Universität Pavia, 1996.
- Pietro Prosser: Uno sconosciuto metodo manoscritto (1756) Considerazioni sull’identificazione della mandora nell XVIII secolo; in: M. Tiella, R. Romano (Hgg.): Strumenti per Mozart; Rovereto, 1991; S. 293–335.
- Davide Rebuffa: Calichon e mandora. In: Il Liuto. L’Epos, Palermo 2012, S. 397–423.
- James Tyler: The mandore in the 16th and 17th centuries. In: Early Music. Band 9, Nr. 1, (Oxford University Press) 1981, S. 22–31 und 416.
- James Tyler: Mandora. In: Grove Music Online, 2001
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Andreas Schlegel: La Mandore – oder: Die Mandore um 1600. Accords nouveaux
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Adalbert Quadt: Gitarrenmusik des 16.–18. Jahrhunderts. Leipzig 1971.
- ↑ Josef Zuth: Handbuch der Laute und Gitarre. Verlag der Zeitschrift für die Gitarre (Anton Goll), Wien 1926 (1928), S. 90 (en tierce).
- ↑ Dirk Möller: Zupfinstrumente in G. F. Händels dramatischen Werken. In: Gitarre & Laute Band 7, 1985, Heft 6, S. 24–27, hier: S. 25.
- ↑ Helmuth Christian Wolff: Die Barockoper in Hamburg (1678–1738). Habilitationsschrift, Wolfenbüttel 1957, Band 1, S. 237.
- ↑ Vgl. auch Simon Molitor zur Mandora: „ein im Bau und Ton der Laute, in der Stimmung aber mehr unserer heutigen Guitarre ähnliches Instrument im Gebrauche“ in seiner Vorrede zur Großen Sonate, op. 7 (Wien 1806). Zitiert aus Josef Zuth: Handbuch der Laute und Gitarre. Verlag der Zeitschrift für die Gitarre (Anton Goll), Wien 1926 (1928), S. 146.
- ↑ Josef Zuth: Handbuch der Laute und Gitarre. Verlag der Zeitschrift für die Gitarre (Anton Goll), Wien 1926 (1928), S. 146.
- ↑ Sonatina per il Gallichone, in: Adalbert Quadt: Gitarrenmusik des 16.–18. Jahrhunderts. Nach Tabulaturen hrsg. von Adalbert Quadt. Band 1–4. Deutscher Verlag für Musik, Leipzig 1970 ff., Band 2: nach Tabulaturen für Colascione, Mandora und Angelica, 3. Auflage ebenda 1972, S. 65–66 (Menuett von Prinz Anton von Sachsen oder dessen musikalischem Lehrer Peter August aus Sonatina per il Gallichone). Außerdem in: https://imslp.org/wiki/Colascione_Sonatina_(August%2C_Peter)
- ↑ Vgl. etwa Ruggero Chiesa (Hrsg.): Diciotto partite per chitarra dagli originali per colascione. Edizioni Suvini Zerboni, Mailand.
- ↑ Brescianello, 18 Partiten
- ↑ Adalbert Quadt (Hrsg.): Gitarrenmusik des 16.–18. Jahrhunderts. Band 2. 1971.
- ↑ Adalbert Quadt (Hrsg.): Gitarrenmusik des 16–18. Jahrhunderts. Band 2. 1971, S. 40–42 (Stücke aus einer Tabulatur für Mandora um 1700).