Masochismus – Wikipedia

Als Masochismus wird eine Persönlichkeitseigenschaft bezeichnet, bei der ein Mensch positive Emotionen daraus zieht, dass man ihm Schmerzen zufügt und/oder ihn demütigt.

Masochismus als sexuelle Spielart im BDSM galt früher häufig als Störung der Sexualpräferenz, wird aber heute als ungewöhnliche aber normale Ausprägung der persönlichen Sexualität angesehen.

Das Gegenstück zum Masochismus ist der Sadismus.

Herkunft des Begriffs

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Der Begriff Masochismus wurde im Jahr 1886 erstmals von dem deutsch-österreichischen Psychiater und Rechtsmediziner Richard von Krafft-Ebing wissenschaftlich verwendet. Er bezieht sich auf den Schriftsteller Leopold von Sacher-Masoch (1836–1895), der in mehreren Werken vertraglich geregeltes und theatralisch inszeniertes Schmerz- und Unterwerfungsverhalten in Beziehungen zu Frauen schildert, so z. B. in Venus im Pelz aus dem Jahr 1870.

Sacher-Masoch und seine Anhänger wehrten sich gegen diesen Begriff vergebens; die Bezeichnung setzte sich durch und blieb lange dominierend. Der Mann, der dem Masochismus den Namen gegeben hatte, und seine Literatur gerieten in Verruf und schließlich in Vergessenheit. In jüngerer Zeit ersetzte das komplexere Modell des BDSM diesen Begriff in vielen Bereichen, dies auch aufgrund der Arbeiten von Gilles Deleuze.

Medizinische Einordnung

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Historisch wurde insbesondere sexueller Masochismus als behandlungsbedürftige Störung der Sexualpräferenz (Paraphilie) eingestuft.

Nach heutigen medizinischen Diagnosekriterien haben einvernehmliche masochistische Praktiken keinerlei Krankheitswert und werden als eine soziologisch andersartige, aber nicht seltene Ausprägung der individuellen Sexualität betrachtet.

Ein Behandlungsbedarf besteht lediglich, wenn die Betroffenen unter ihrer Orientierung leiden oder ein hohes Risiko für körperliche Schäden oder Tod besteht.

Der seit 2022 gültige ICD-11 kennt keine spezifische Diagnose für Masochismus mehr, da durch diese ein sexuelles Verhalten ohne Krankheitswert stigmatisiert wurde.[1]

Der bis 2022 gültige ICD-10 kannte dagegen die Diagnose Sadomasochismus als „Störung der Sexualpräferenz“ (Schlüssel F65.5), die dort wie folgt beschrieben wird: „Es werden sexuelle Aktivitäten mit Zufügung von Schmerzen, Erniedrigung oder Fesseln bevorzugt. Wenn die betroffene Person diese Art der Stimulation erleidet, handelt es sich um Masochismus; wenn sie sie jemand anderem zufügt, um Sadismus. Oft empfindet die betroffene Person sowohl bei masochistischen als auch sadistischen Aktivitäten sexuelle Erregung.“[2]

Im aktuellen DSM-5 (2013) wird abweichendem sexuellen Verhalten wie sadomasochistischen Präferenzen nicht mehr grundsätzlich Krankheitswert zugeschrieben, sondern nur noch dann, wenn sie bei der betroffenen Person mit Leidensdruck einhergehen oder nicht sozialverträglich sind, also die Gesellschaft schädigen.[3] Eine Überlagerung von sexuellen Präferenzstörungen und der Ausübung von BDSM-Praktiken kann jedoch vorkommen.

Für die Ursachen des Masochismus gibt es psychodynamische und lerntheoretische Konzepte. Psychodynamische Ansätze (z. B. Tiefenpsychologie) sehen im Masochismus ein Abwehrverhalten, um Ängste und Gewissenskonflikte, die im Zusammenhang mit dem Loslösen von der Mutter stehen, zu unterdrücken. Psychologen erklären Masochismus dagegen mittels der Lerntheorie: Masochismus entwickelt sich demnach u. a. über klassische und operante Konditionierung, z. B. bei Masturbationsphantasien.[4]

Masochismus in der psychoanalytischen Theorie

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In der psychoanalytischen Theoriebildung spielt – ausgehend von der Beobachtung selbstdestruktiven Verhaltens von depressiven Menschen – der Masochismus eine wichtige Rolle. Sigmund Freud unterscheidet in seiner Schrift Das ökonomische Problem des Masochismus (1924) zwischen primärem Masochismus, femininem Masochismus und moralischem Masochismus.[5] Im Falle des moralischen Masochismus richtet sich der Destruktionstrieb bzw. die Aggression gegen das eigene Selbst. Der Mensch ist somit nach der Auffassung von Freud ein moralischer Masochist, wenn sein Ich das Bedürfnis hat, von seinem sadistischen Über-Ich, d. h. den introjizierten Eltern, bestraft zu werden.

Aus Sicht der Psychoanalyse sind Sadismus und Masochismus eng miteinander verknüpft, da es sich beim Masochismus um die Wendung des angeborenen Aggressionstriebes bzw. Sadismus gegen die eigene Person handelt. Der Masochist ist in diesem Sinn „ein gegen das eigene Ich gerichteter Sadist.“ So schreibt Theodor Reik 1923, dass die Umwandlung des infantilen Sadismus in Masochismus sich hauptsächlich auf die Einwirkungen des infantilen Schuldgefühls zurückführen lässt:

„Die analytisch nachweisbare Tatsache, dass der Quälende masochistisch die Qual seines Opfers mitgenießt, als wäre er der leidende Teil, das Opfer aber unbewußt an der Wut seines Peinigers sadistisch teilnimmt und dass diese unbewußte Befriedigung umso stärker ist, je größer der Anteil der manifesten Triebregung erscheinen lässt, läßt es gerechtfertigt erscheinen, von der Äquivalenz der Triebsgegensatzpaare zu sprechen.“[6]

In diesem Sinne könne, so Reik, der Sadist masochistische und der Masochist sadistische Lust neben der Befriedigung der jeweils herrschenden Komponente mitempfinden.

  • Leopold von Sacher-Masoch: Venus im Pelz. Insel Verlag, Frankfurt am Main 1968.
  • Martin A. Hainz: Cave Carnem. Eros, Macht und Inszenierung in Sacher-Masochs Venus im Pelz. In: arcadia, Bd. 39, 2004•1, S. 2–26.
  • Martin A. Hainz: Mehr als ein Syndrom – zu Leopold von Sacher-Masoch (1836–1895). In: Jattie Enklaar, Hans Ester, Evelyne Tax (Hrsg.): Im Schatten der Literaturgeschichte (= Duitse Kroniek, Bd. 54). Rodopi, Amsterdam / New York 2005, S. 41–54.
  • Arthur Adamov: Fin Août. In: Je... Ils. Gallimard, Paris 1969 (dt.: Ende August. In: Bernd Mattheus, Axel Matthes (Hrsg.): Ich gestatte mir die Revolte. Matthes & Seitz, München 1985, ISBN 3-88221-361-2).
  • Bettina Wuttig: Weibliches Begehren und Macht. Eine psychoanalytische Betrachtung im Licht der poststrukturalistischen Wende. Ibidem, 1999, ISBN 3-932602-85-4.
  • Regina Ammicht Quinn: Körper, Religion, Sexualität, Theologische Reflexionen zur Ethik der Geschlechter. Matthias Grünewald Verlag, Mainz 1999, ISBN 3-7867-2206-4, S. 207–228.
  • Michael Farin (Hrsg.): Phantom Schmerz. Quellentexte zur Begriffsgeschichte des Masochismus. Belleville, München 2003.
  • Theodor Reik: Aus Leiden Freuden, deutsche Originalausgabe 1940 bei Imago (London). Die Neuausgabe Aus Leiden Freuden. Masochismus und Gesellschaft. Hoffmann und Campe Verlag, Hamburg 1976 enthält auch die Ergänzungen der amerikanischen Ausgabe Masochism in Modern Man. New York 1941.
  • Léon Wurmser: Das Rätsel des Masochismus. Psychoanalytische Untersuchungen von Über-Ich-Konflikten und Masochismus. Springer, Berlin u. a. 1993. (2., korr. Auflage. 1998; Nachdruck der 2., korr. Auflage. unter dem Titel: Das Rätsel des Masochismus. Psychoanalytische Untersuchungen von Gewissenszwang und Leidenssucht. Psychosozial, Gießen 2008).
  • Sheldon Bach: The Language of Perversion and the Language of Love (Library of Clinical Psychoanalysis) (englisch), Jason Aronson 1999, ISBN 978-0-7657-0230-2
Wiktionary: Masochismus – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

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  1. Richard B. Krueger, Geoffrey M. Reed, Michael B. First, Adele Marais, Eszter Kismodi, Peer Briken: Proposals for Paraphilic Disorders in the International Classification of Diseases and Related Health Problems, Eleventh Revision (ICD-11). In: Archives of Sexual Behavior. Band 46, Nr. 5, 2017, S. 1529–1545. PMC 5487931 (freier Volltext)
  2. ICD-10-GM Version 2005.
  3. Justin Lehmiller: What The DSM-5 Means For The Diagnosis And Treatment Of Sexual Issues. Sex & Psychology, 10. Juni 2013, abgerufen am 27. Mai 2020.
  4. B. Vetter: Pervers, oder? Sexualpräferenzstörungen; 100 Fragen, 100 Antworten; Ursachen, Symptomatik, Behandlung. Huber, Bern 2008, ISBN 978-3-456-84672-9.
  5. Sigmund Freud: Das ökonomische Problem des Masochismus. In: Sigmund Freud (Hrsg.): Gesammelte Werke. Band 13. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 1924.
  6. Theodor Reik: Der eigene und der fremde Gott. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 1975, S. 222.