Matthäus Merian – Wikipedia

Matthäus Merian, Stich von Sebastian Furck

Matthäus Merian der Ältere (* 22. September 1593 in Basel; † 19. Juni 1650 in Langenschwalbach) war ein Schweizer Kupferstecher und Verleger aus der vornehmen Basler Familie Merian. Er gab zahlreiche Landkarten, Städteansichten und Chroniken heraus. Sein Hauptwerk ist die Topographia Germaniae.

Matthäus Merian

Matthäus Merian wurde als Sohn des Sägmüllers und Ratsherrn Walther Merian geboren. Nach dem Besuch des Gymnasiums erlernte er beim Zürcher Kupferstecher Friedrich Meyer das Zeichnen, Kupferstechen und Radieren. Von 1610 bis 1615 studierte und arbeitete er in Straßburg (bei Friedrich Brentel), Nancy und Paris (bei Jacques Callot). 1615 entstand in Basel sein großer Basler Stadtplan. Nach seinen Reisen über Augsburg, Stuttgart (siehe Merians Stuttgart-Ansichten) und die Niederlande kam Merian 1616 nach Frankfurt am Main und Oppenheim, wo er für den Verleger und Kupferstecher Johann Theodor de Bry arbeitete; de Bry besaß in Oppenheim eine Kupferstecherei und in Frankfurt ein Verlagshaus, in dem damals große Reisebücher zu den fernöstlichen Ländern vorbereitet wurden. 1617 heiratete Merian Maria Magdalena de Bry, die Tochter seines Arbeitgebers. Er arbeitete in dieser Zeit auch für den Kupferstecher und Verleger Eberhard Kieser.

Große Stadtansicht Heidelbergs (Radierung, 1620)

In den folgenden Jahren lebte Merian abwechselnd in Oppenheim und in der kurpfälzischen Hauptstadt Heidelberg, wo er sich eine eigene berufliche Existenz aufbauen wollte. Um potenzielle Geldgeber aus Bürgertum, Universität und Kurfürstenhof für sich zu gewinnen, fertigte er sein großes Heidelberg-Panorama an (siehe dazu auch Meriankanzel). Durch den Ausbruch des Dreißigjährigen Krieges 1618 und das politische Scheitern des pfälzischen Kurfürsten Friedrich V. zerschlugen sich seine Pläne jedoch.[1] Daraufhin zog Merian 1620 in seine Geburtsstadt Basel zurück, wo er das Zunftrecht erwarb und sich selbständig machte. Nach dem Tod seines Schwiegervaters 1623 führte er dessen Verlagshaus in Frankfurt fort und erwarb 1626 das Frankfurter Bürgerrecht. 1627 nahm er Wenzel Hollar als Schüler in seine Werkstatt auf. Während Merians Zeit in Frankfurt entstanden seine bekanntesten Werke. So verlegte Merian von 1629 bis 1634 die Historische Chronik über die Welt von Johann Ludwig Gottfried und ab 1633 das Theatrum Europaeum, welches die Ereignisse des Dreißigjähriges Kriegs darstellt. Ab 1642 erschienen die Bände der Buchreihe Topographia Germaniae, deren Fertigstellung Merian selbst nicht mehr erlebte.[2]

Auch heute noch besonders bekannt sind Matthäus Merians Stadtansichten aus dem Theatrum Europaeum und der Topographia Germaniae. Oft handelt es sich bei ihnen um die ältesten Darstellungen bestimmter Orte überhaupt. Zudem zeigen diese das Stadtbild vor der Zerstörung durch die vielen europäischen Kriege der letzten vier Jahrhunderte.[3]

Matthäus Merian befasste sich intensiv mit religiösen Fragen. Ihm kam es vor allem auf die Ergriffenheit des Einzelnen durch den Geist Gottes an, weniger auf Kirche, Bibel und Sakramente. Im Jahr 1637 schrieb er im Anklang an einen Bibelvers (1 Kor 2,14 LUT):

„Der natürliche Mensch versteht nicht den Geist Gottes, es ist ihm eine Thorheit und große Kezerey, unnd obschon er der grösste Doctor were, unnd auf allen Schulen der Welt gelehret hette unnd alle Bücher sambt der Bibel ausswendig könnte, so hielffe und diene es doch alles zur Seligkeit nichts, wo nicht der Heilige Geist selbsten inwendigk in der Seelen lehret.“

In diesem Sinn gestaltete Merian auch sein Wappen und Verlagssignet, in das er den Leitsatz Pietas contenta lucratur (etwa: „Frömmigkeit zahlt sich aus“) mit einem Storch als Wappentier aufnahm.

Matthäus Merian starb nach langer Krankheit am 19. Juni 1650 in Langenschwalbach bei Wiesbaden. Er wurde auf dem Peterskirchhof in Frankfurt bestattet.[4] Nach seinem Tod übernahmen seine Söhne Matthäus und Caspar den Verlag und gaben unter dem Namen Merian Erben seine Werke weiter heraus.[5]

In erster Ehe war Merian seit 1617 mit Magdalena de Bry († 1645) verheiratet. Aus dieser Ehe stammten vier Töchter, darunter Susanna Barbara Margaretha und Maria Magdalena, und vier Söhne, die beiden auch in seiner Werkstatt tätigen Matthäus Merian der Jüngere und Caspar Merian sowie Joachim und der 1639 als Kind verstorbene Jacob.[6] Nach dem Tode seiner ersten Frau 1645 heiratete Merian 1646 Johanna Sibylla Heim. Aus der zweiten Ehe ging neben einem frühverstorbenen Sohn die als Naturforscherin und Künstlerin berühmt gewordene Tochter Maria Sibylla Merian hervor.[7]

Frankfurt von Südwesten
Titelblatt des Theatrum Europaeum
Sitzung des Reichstags zu Regensburg im Jahr 1640

Von seinen künstlerischen Werken sind vor allem zu nennen:

  • 50 Kupferstiche in Michael Maiers Werk Die Atalanta fugiens, 1618 im Verlag von Merians Schwiegervater de Bry erschienen
  • die mehr als 250 kleinformatigen Landschaftsblätter der Basler Region (1620–1625)
  • die Ansicht des Schlosses von der gegenüberliegenden Seite des Neckartals aus – gemeint ist das Heidelberger Schloss (1620)
  • eine 159-seitige Bilderbibel, Icones biblicae. Biblische Abbildungen zur Darstellung der wichtigsten Geschichten der Heiligen Schrift., Altes und Neues Testament, mit 78 Kupferstichen und Kurztexten (Versen) in Latein, Deutsch und teilweise Französisch (Frankfurt 1627)
  • der große Vogelschauplan von Frankfurt am Main auf vier Platten (1628, mehrere überarbeitete Auflagen bis 1770)
  • die 234 Illustrationen zur deutschen Bibel in der Übersetzung von Martin Luther (von 1545), gedruckt bei Lazarus Zetzner in Straßburg; die von Merian persönlich gefertigten Kupferstiche wurden in den biblischen Text fortlaufend eingefügt, deshalb wird diese Bibel auch Merian-Bibel genannt (1625–1630)
  • die Historische Chronik mit den Texten von Johann Ludwig Gottfried (1629–1632)
  • das mehrbändige Werk Theatrum Europaeum[8] (1629–1650, von seinen Erben fortgesetzt) zur europäischen Topographie sowie zum politischen und militärischen Geschehen während des Dreißigjährigen Krieges
  • die Beschreibung aller Reiche der Erde unter dem Titel Archontologica cosmica mit Texten von J. L. Gottfried (1638)
  • der Totentanz von Basel (Todten-Tanz […]. De Bry, Frankfurt am Main 1644)
  • Gallia, Le Royaume de France. Franckreych (Frankfurt, ca. 1649)[9]
  • Warburg (Warburgum). Kupferstich aus der Topographia Westphaliae von 1647
    die Topographia Germaniae, sein Hauptwerk (ab 1642), zu dem Martin Zeiler (1589–1661) die Texte schrieb. Die Topographia Germaniae erschien von 1642 bis 1654 zunächst in 16 Bänden, denen (nach seinem Tod fortgesetzt) bis 1688 noch weitere folgten mit Beschreibungen anderer europäischer Gebiete, insbesondere Frankreich, Italien und Kreta. Das Gesamtwerk enthielt schließlich in 30 Bänden insgesamt 92 Karten und 1486 Kupferstiche mit 2142 Einzelansichten von Städten, Ortschaften, Schlössern, Burgen und Klöstern. Darin enthalten sind auch zahlreiche Stadtpläne und Landkarten sowie eine Weltkarte. Die Topographia war damit eines der größten Verlagswerke der Zeit. Die von Merian nach der Natur aufgenommenen Ansichten sind in der Perspektive meisterhaft und stellen oftmals die ältesten zuverlässig dokumentierten Ansichten der jeweiligen Orte als Kupferstich oder Radierung dar.
  • Merian übernahm ebenfalls die Ausgaben der Großen und Kleinen Reisen, die Theodor de Bry 1590 begonnen und dessen Sohn Johann Theodor de Bry, der Schwiegervater Merians, fortgesetzt hatte. Die Werke Merians dienten Erik Dahlberg als direkte Inspiration für die Suecia antiqua et hodierna.
  • Nach den kolorierten Federzeichnungen von C. Riecke und C. Steger 401 Impresen in Kupfer für die Fruchtbringende Gesellschaft.
  • Musaeum Hermeticum, Ausgabe 1678[10]
Schloss und Markt Wörth an der Donau, kolorierter Kupferstich
  • Catalog zu Ausstellungen im Museum für Kunsthandwerk Franckfurt am Mayn (15. September – 7. November 1993) und im Kunstmuseum Basel (27. November 1993 – 13. Februar 1994) als unsterblich Ehren-Gedächtnis zum 400. Geburtstag des hochberühmten Delineatoris (Zeichners), Incisoris (Stechers) et Editoris (Verlegers) Matthaeus Merian des Aelteren. Museum für Kunsthandwerk, Frankfurt am Main 1993, ISBN 3-88270-065-3.
  • Jörg Diefenbacher: Die Schwalbacher Reise. Mannheim 2002, ISBN 3-00-008209-3.
  • Johann Heinrich Eckardt: Matthaeus Merian – Eine kulturhistorische Studie. Reprint der 2. Auflage Kiel 1892 mit einem Vorwort von Carsten Berndt, Rockstuhl, Bad Langensalza 2015, ISBN 978-3-86777-960-9.
  • Ulrike Valeria Fuss: Matthaeus Merian der Ältere. Von der lieblichen Landschaft zum Kriegsschauplatz – Landschaft als Kulisse des 30jährigen Krieges. Frankfurt am Main, 2000, ISBN 3-631-35558-0; dieselbe: Momentaufnahme und Monumentalansicht. Ein Vergleich zwischen Valentin Wagner und Matthäus Merian d. Ä. In: Valentin Wagner (um 1610–1655): Ein Zeichner im Dreißigjährigen Krieg. Aufsätze und Werkkatalog. Darmstadt 2003, ISBN 3-921254-92-2.
  • Frieder Hepp: Matthaeus Merian in Heidelberg. Ansichten einer Stadt. Heidelberger Verlagsanstalt, Heidelberg 1993, ISBN 3-89426-064-5.
  • Karl Jost (Hrsg.): Matthaeus Merian. In: Bibliographisches Lexikon der Schweizer Kunst. Neue Zürcher Zeitung, Zürich 1998, S. 708 f.
  • Martin Knauer: Die Kupferbibel mit den Radierungen Matthäus Merian d. Ä. (Straßburg 1630). Faksimile-Edition des Neuen Testaments nach dem handkolorierten Exemplar der Universitätsbibliothek Johann Christian Senckenberg, Frankfurt am Main (Ausst. 303). Kommentar. Belser, Stuttgart 2017.
  • Peter Meinhold (Hrsg.): Matthaeus Merian: Die Bilder zur Bibel – Mit Texten aus dem Alten und Neuen Testament. Hoffmann und Campe, Hamburg 1965.
  • Abraham Melzer: Die Bibel. Die farbigen Merian Bilder zur Bibel. Weiss, Dreieich 1988; Bechtermünz, Eltville am Rhein 1988, ISBN 3-927117-09-9.
  • Götz J. Pfeiffer: Bild-Zeitung und Moral-Büchlein – der Dreissigjährige Krieg in Druckgraphiken von Matthäus Merian und Abraham Hogenberg, Jacques Callot und Hans Ulrich Franck. In: Der Dreissigjährige Krieg in Hanau und Umgebung. Hrsg. vom Hanauer Geschichtsverein, Hanau 2011, S. 255–275.
  • Erwin Poeschel: Die Originalplatte zu der Ansicht von Chur in Merians „Topographia Helvetiae“. In: Zeitschrift für schweizerische Archäologie und Kunstgeschichte, Band 7, 1945, Heft 2, S. 43–49 (Digitalisat in E-Periodica).
  • Jakob Probst: Matthäus Merian, der Ältere 1593–1650. In: Basler Jahrbuch 1887, S. 145–184. (Digitalisat).
  • Hans Georg Wehrens: Freiburg in der Topographia Germaniae von Matthäus Merian. In: Freiburg im Breisgau 1504–1803, Holzschnitte und Kupferstiche. Herder, Freiburg 2004, ISBN 3-451-20633-1, S. 111 ff.
  • Joseph Eduard WesselyMerian. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 21, Duncker & Humblot, Leipzig 1885, S. 422–427.
  • Lucas Heinrich Wüthrich: Matthaeus Merian d. Ä. Eine Biographie. Hoffmann und Campe, Hamburg 2007. (Lizenzausgabe: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2007).
  • Lucas Wüthrich: Matthaeus Merian. In: Historisches Lexikon der Schweiz. 30. Oktober 2008.
  • Lucas Heinrich Wüthrich: Merian, Matthaeus der Ältere. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 17, Duncker & Humblot, Berlin 1994, ISBN 3-428-00198-2, S. 135–138 (Digitalisat).
  • Lucas Heinrich Wüthrich: Das druckgraphische Werk von Matthäus Merian d.Ä. Band 1 und 2: Basel 1966, Band 4: Hamburg 1996.
  • Lucas Heinrich Wüthrich: Merian, Matthaeus, d.Ä.. In: Allgemeines Künstlerlexikon. Die Bildenden Künstler aller Zeiten und Völker (AKL). Band 89, De Gruyter, Berlin 2016, ISBN 978-3-11-023255-4, S. 146–148.
Commons: Matthäus Merian – Album mit Bildern
Wikisource: Matthäus Merian – Quellen und Volltexte

Einzelnachweise

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  1. Frieder Hepp: Matthaeus Merian in Heidelberg. Ansichten einer Stadt. Heidelberger Verlagsanstalt, Heidelberg 1993, ISBN 3-89426-064-5, S. 10–16 und 66–70.
  2. Matthaeus Merian. In: Die „Topographia Germaniae“ von Matthaeus Merian – Die Erzbistümer Mainz, Trier und Köln. Universität Trier, Universitätsbibliothek Trier, 2021, abgerufen am 20. Juli 2021.
  3. Merian d.J., Porträt Merian d.Ä. – Bebilderung der Alchemie. Abgerufen am 30. März 2023.
  4. Grabstätte Matthäus Merians mit Kurzvita in Kunst im öffentlichen Raum Frankfurt
  5. Fußnote im Artikel Where Pierre Abelard taught: Sainte Geneviève and Saint Etienne, Paris (englisch)
  6. Margarete Pfister-Burkhalter: Ikonographischer Überblick über die Bildnisse der Maria Sybilla Merian (1647–1717). In: Mitteilungsblatt der Schweizerischen Bibliophilen-Gesellschaft. Band 6, 1949, S. 31–42; S. 32 (e-periodica.ch [abgerufen am 18. Mai 2022]).
  7. Lucas Heinrich Wüthrich: Merian, Matthaeus der Ältere. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 17, Duncker & Humblot, Berlin 1994, ISBN 3-428-00198-2, S. 135–138 (Digitalisat).
  8. Theatrum Europaeum, oder aussführliche und warhafftige Beschreibung aller und jeder denkwürdiger Geschichten, so sich hin und wider in der Welt fürnämlich aber in Europa und Teutschen Landen so wol im Religion als Prophan-Wesen vom Jahr Christi 1617 biss auf das Jahr 1629... beschrieben durch M. Joannem Philippum Abelinum,... ; fortgesetzt von H. Oraeus, Jo. Pet. Lotichius … ; mit schönen in Kupffer gebrachten Lund-Tafeln... gezieret und verlegt durch Mathaeum Merian …, Franckfurt am Mayn: bey W. Hoffmann, 1635–1652
  9. Gallia, Le Royaume de France. Franckreych. M. Merian, Frankfurt am Main, ca. 1649. Digitalisierte Ausgabe der Universitäts- und Landesbibliothek Düsseldorf
  10. Matthaeus Merian: Musaeum hermeticum, reformatum et amplificatum. Francofurti : Apud Hermannum à Sande, 1678 (archive.org [abgerufen am 16. November 2023]).