Mittelhochdeutsches Wörterbuch – Wikipedia
Mittelhochdeutsches Wörterbuch | |
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Trägerschaft | Niedersächsische Akademie der Wissenschaften zu Göttingen und Akademie der Wissenschaften und der Literatur in Mainz |
Ort | Göttingen, Mainz, Trier |
Website | mhdwb-online.de/ |
Das Mittelhochdeutsche Wörterbuch (MWB) ist ein Forschungsprojekt, das an der Niedersächsischen Akademie der Wissenschaften zu Göttingen und der Akademie der Wissenschaften und der Literatur in Mainz angesiedelt ist und über das Akademienprogramm gefördert wird. In dem Projekt wird ein Wörterbuch der mittelhochdeutschen Sprache erarbeitet, das die Verwendungsweisen der Stichwörter durch Belege dokumentiert.
Vorarbeiten
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Weil die bisherigen großen Wörterbücher des Mittelhochdeutschen, der Benecke-Müller-Zarncke (BMZ)[1] und der Lexer[2] aus dem 19. Jahrhundert stammen, galt ein neues Mittelhochdeutsches Wörterbuch bereits längere Zeit als wünschenswert. Konzeptionelle Überlegungen dazu wurden auf germanistischen Tagungen in Tübingen 1985[3] und in Tokyo 1990 diskutiert.[4][5][6][7][8]
Als flankierende Maßnahmen, die die Ausarbeitung eines neuen mittelhochdeutschen Wörterbuchs unterstützen sollen, entstanden aus den Impulsen der genannten Tagungen das Findebuch zum mittelhochdeutschen Wortschatz[9] und ein Quellenverzeichnis zu den älteren Wörterbüchern von Benecke-Müller-Zarncke und Lexer.[10] Außerdem wurden zwischen 1997 und 2002 die Vorgängerwörterbücher (BMZ und Lexer) sowie das Findebuch retrodigitalisiert, in XML ausgezeichnet und als „Mittelhochdeutsche Wörterbücher im Verbund“ auf CD-ROM und im Internet veröffentlicht.[11]
Geschichte und Struktur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Das Projekt eines neuen mittelhochdeutschen Wörterbuchs begann 1994, zunächst durch eine sechsjährige Anschubfinanzierung durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft.[12] In dieser Phase wurden die digitalen Grundlagen des Projekts geschaffen, indem ein lemmatisiertes Textarchiv aufgebaut und eine internetbasierte Redaktionsumgebung ausgearbeitet wurden.
Im Jahr 2000 wurde das Vorhaben als Langzeitprojekt in das Akademienprogramm aufgenommen. Es wird interakademisch betreut durch die Göttinger und die Mainzer Akademie. Die Ausarbeitung der Wörterbuchartikel geschieht in Arbeitsstellen in Göttingen, Mainz und Trier.
Gegründet wurde das Projekt durch Kurt Gärtner, Klaus Grubmüller und Karl Stackmann, die auch als Herausgeber des Werks auftreten. Nach dem Tod von Karl Stackmann im Jahr 2013 trat Jens Haustein in das Herausgeberteam ein.
Konzeption
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Ziel des Projekts ist es, den mittelhochdeutschen Wortschatz des Zeitraums von 1050-1350 auf breiter Quellenbasis nach modernen lexikographischen Standards zu bearbeiten. Die zeitlichen Grenzen ergeben sich einerseits aus der Unterteilung der Geschichte der deutschen Sprache in Sprachstufen, die sich in der historischen Linguistik im 20. Jahrhundert geändert hat: Zwischen Mittelhochdeutsch und Neuhochdeutsch wurde das Frühneuhochdeutsche als eigene Sprachstufe etabliert. Pragmatisch passt diese zeitliche Eingrenzung zur Arbeitsteilung mit den „benachbarten“ Projekten: Das neue Mittelhochdeutsche Wörterbuch schließt die Lücke zwischen dem Althochdeutschen und dem Frühneuhochdeutschen Wörterbuch.
Beim BMZ lag der Schwerpunkt auf der höfischen Literatur um 1200. Lexers Handwörterbuch ergänzt viele Quellen, besonders Urkunden und Rechtstexte, und bezieht auch Texte aus dem 15. und sogar aus dem frühen 16. Jahrhundert ein. Dennoch werden beispielsweise die frühmittelhochdeutsche Literatur oder höfische und geistliche Werke der nachklassischen Zeit im Lexer nicht in dem Maße ausgewertet, dass es einen ausgewogenen Überblick über den Wortschatz ermöglicht. Das neue MWB achtet auf eine gleichmäßige Berücksichtigung aller Textsorten.[13]
Von Beginn an wurde auf eine computergestützte Arbeitsumgebung gesetzt. Das für das Projekt entwickelte Redaktionsprogramm integriert ein Volltextarchiv, eine Stichwortliste (über 80.000 Lemmata = Stichwörter), ein Quellenverzeichnis und einen Artikeleditor. Die Komponenten sind miteinander verzahnt: Beispielsweise sind Wortformen der Volltexte durch Lemmatisierung mit den zugehörigen Einträgen in der Stichwortliste verknüpft, und die zu einem Stichwort lemmatisierten Textstellen lassen sich automatisch aus dem Volltext in den Editor einfügen und dort weiter bearbeiten.[14]
MWB Online
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Neben den bisher publizierten Wörterbuchartikeln und dem Quellenverzeichnis bietet die Online-Präsenz des MWB mehrere Zusatzfunktionen. Hierzu gehören die Gesamtlemmaliste mit Verlinkungen in den mittelhochdeutschen Wörterbuchverbund (BMZ, Lexer, Findebuch), über 200 Volltexte mittelhochdeutscher Quellentexte, sowie das Belegarchiv.
MWB Online ist in das Wörterbuchnetz eingebunden.
Publikationen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Mittelhochdeutsches Wörterbuch. Im Auftrag der Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz und der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen hrsg. von Kurt Gärtner, Klaus Grubmüller, Jens Haustein, Karl Stackmann (†), Stuttgart 2006-ff.
Siehe auch
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Kurt Gärtner, Klaus Grubmüller: Mittelhochdeutsches Wörterbuch in: Deutschsprachige Wörterbücher. Projekte an Akademien, Universitäten, Instituten. Zusammengestellt in der Arbeitsstelle Göttingen des Deutschen Wörterbuchs von Jacob und Wilhelm Grimm, Göttingen 1996, S. 56f.
- Kurt Gärtner, Klaus Grubmüller (Hrsg.): Ein neues Mittelhochdeutsches Wörterbuch: Prinzipien, Probeartikel, Diskussion, Göttingen 2000 (Nachrichten der Akademie der Wissenschaften in Göttingen, Phil.-hist. Klasse, Jg. 2000, Nr. 8).
- Klaus Grubmüller: Lexikologie und Lexikographie des Mittelhochdeutschen, in: Sprachgeschichte. Ein Handbuch zur Geschichte der deutschen Sprache und ihrer Erforschung, hrsg. von Werner Besch u. a. Zweite, vollständig neu bearbeitete und erweiterte Auflage, Berlin 2000 (HSK 2.2), S. 1340–1351.
- Gerhard Diehl, Holger Runow: Das mittelhochdeutsche Wörterbuch in: Historische Lexikographie des Deutschen, hrsg. von Holger Runow (Mitteilungen des Deutschen Germanistenverbandes 57,4), 2010, S. 378–388.
- Ralf Plate: Zur philologischen Theorie und Praxis der digitalen historischen Lexikographie. Am Beispiel des Mittelhochdeutschen Wörterbuchs in: Gerhard Diehl, Volker Harm (Hrsg.): Historische Lexikographie des Deutschen. Perspektiven eines Forschungsfeldes im digitalen Zeitalter (Lexicographica. Series Maior Bd. 161). Berlin/Boston 2022. https://doi.org/10.1515/9783110758948-008
- Ralf Plate, Ute Recker: Elektronische Materialgrundlage und computergestützte Ausarbeitung eines historischen Belegwörterbuchs. Erfahrungen und Perspektiven am Beispiel des neuen Mittelhochdeutschen Wörterbuchs. In: Chancen und Perspektiven computergestützter Lexikographie. Hrsg. von Ingrid Lemberg, Bernhard Schröder und Angelika Storrer. Tübingen 2001 (Lexicographica; Series Maior). S. 155–177. PDF
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- MWB Online
- Projektbeschreibung im AGATE (Portal der Wissenschaftsakademien)
- Homepage des Göttinger Projektteils
- Homepage des Mainz-Trierer Projektteils
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Mittelhochdeutsches Wörterbuch. Mit Benutzung d. Nachl. von Georg Friedrich Benecke ausgearb. von Wilhelm Müller und Friedrich Zarncke. Hirzel, Leipzig 1854–1863
- ↑ Matthias Lexer: Mittelhochdeutsches Handwörterbuch. Zugleich als Supplement und alphabetischer Index zum Mittelhochdeutschen Wörterbuche von Benecke-Müller-Zarncke. Hirzel, 1872–1878
- ↑ Wolfgang Bachofer (Hg.): Mittelhochdeutsches Wörterbuch in der Diskussion. Symposion zur mittelhochdeutschen Lexikographie, Hamburg, Oktober 1985. Tübingen: Niemeyer 1988, ISBN 3-484-31084-7, darin "Möglichkeiten für ein neues großes mittelhochdeutsches Wörterbuch", S. 69–220 mit elf Beiträgen.
- ↑ Klaus Grubmüller: Elf Sätze zur Konzeption eines mittelhochdeutschen Wörterbuchs. In: Begegnung mit dem "Fremden": Grenzen - Traditionen - Vergleiche. Akten des VIII. Internationalen Germanisten-Kongresses, Tokyo 1990, hrsg. von Eijiro Iwasaki. Bd. 4. Sektion 4, Kontrastive Syntax; Sektion 5, Kontrastive Semantik, Lexikologie, Lexikographie; Sektion 6, Kontrastive Pragmatik, hrsg. von Yoshinori Shichiji. München: iudicium Verlag 1991, ISBN 3-89129-904-4, S. 247–253.
- ↑ Eberhard Nellmann: Die mittelhochdeutschen Wörterbücher. Ihre Qualitäten, ihre Grenzen, ihre mögliche Erneuerung. In: ebd. S. 254–263.
- ↑ Oskar Reichmann: Sollte ein neues mittelhochdeutsches Wörterbuch ein Werk der Sprachlexikographie oder ein Werk der Textlexikographie sein? In: ebd. S. 264–271.
- ↑ Kurt Gärtner: Ausgabeglossare und Wortverzeichnisse als Quellen eines neuen Mittelhochdeutschen Wörterbuchs. In: ebd. S. 272–276.
- ↑ Paul Sappler: Strukturierungs- und Auswahlhilfen bei Autorwörterbuch und Sprachwörterbuch. In: ebd. S. 277–281.
- ↑ Kurt Gärtner, Christoph Gerhardt u. a.: Findebuch zum mittelhochdeutschen Wortschatz. Mit einem rückläufigen Index. Stuttgart: Hirzel 1992. ISBN 3-7776-0490-9 kart., ISBN 3-7776-0489-5 Gb.
- ↑ Eberhard Nellmann: Quellenverzeichnis zu den mhd. Wörterbüchern. Ein kommentiertes Register zum 'Benecke-Müller-Zarncke' und zum 'Lexer'. Stuttgart/Leipzig: Hirzel 1997. ISBN 3-7776-0791-6
- ↑ Trier Center for Digital Humanities (TCDH): Mittelhochdeutsche Wörterbücher im Verbund
- ↑ Gerhard Diehl/ Holger Runow: Das mittelhochdeutsche Wörterbuch, in: Historische Lexikographie des Deutschen, hg. von Holger Runow (Mitteilungen des Deutschen Germanistenverbandes 57,4), 2010, S. 378–388, hier S. 379
- ↑ Gerhard Diehl/ Holger Runow: Das mittelhochdeutsche Wörterbuch, in: Historische Lexikographie des Deutschen, hg. von Holger Runow (Mitteilungen des Deutschen Germanistenverbandes 57,4), 2010, S. 378–388, hier S. 380
- ↑ Ralf Plate/ Ute Recker: Elektronische Materialgrundlage und computergestützte Ausarbeitung eines historischen Belegwörterbuchs. Erfahrungen und Perspektiven am Beispiel des neuen Mittelhochdeutschen Wörterbuchs. In: Chancen und Perspektiven computergestützter Lexikographie. Hrsg. von Ingrid Lemberg, Bernhard Schröder und Angelika Storrer. Tübingen 2001 (Lexicographica; Series Maior). S. 155–177. PDF