Motorbootkompanie – Wikipedia

Patrouillenboot P-80, mit Bootsanhänger, auf Strassennetz rasch verschiebbar

Die Motorbootkompanie ist eine Einheit der Schweizer Armee, die den Genietruppen unterstellt ist. Die Kompanie betreibt Patrouillenboote auf den Schweizer Grenzseen.

Rückzug der Zürcher über den See im Alten Zürichkrieg nach dem Treffen bei Pfäffikon 1440 in der Eidgenössischen Chronik

Die Schweiz besitzt durch die Flüsse und Seen zu den angrenzenden Nachbarn eine für einen Binnenstaat relativ lange Uferlinie, auch weil Bodensee und Genfersee zu den grössten Binnengewässern Mitteleuropas zählen.

Die Wasserwege wurden vor allem für Truppentransporte, Belagerungen und Wasser-Land-Aktionen benutzt: Die Römer setzten ganze Schiffsflotten ein, um diese Grenzen wie bei der Seeschlacht auf dem Bodensee zu schützen. Im Alten Zürichkrieg lieferten sich Schwyzer und Zürcher mehrere Gefechte und die Seeschlacht bei Männedorf um die Herrschaft über den Zürichsee. Bern hatte 1536 bis 1793 auf dem Genfersee eine Flotte mit Kanonenbooten.

Nachbarstaaten setzten auf den Schweizer Seen mehrfach Kriegsschiffe ein: Der Kampf um die Hoheit des Luganer- und Comer Sees führte im 10. und 11. Jahrhundert zu Seekriegen, und in den Müsserkriegen (1525–1532) fanden auf dem Comersee Kämpfe statt. Während des Dreissigjährigen Krieges fanden beim Seekrieg auf dem Bodensee 1632–1648 verschiedene Einsätze auch schwedischer Einheiten auf dem Bodensee statt. Die Stadt Zürich liess 1690 Biber und Otter bauen, 1693 kam das Kriegsschiff Neptun hinzu. Man betrieb längere Zeit eine Flotte von Kriegsschiffen. Die Schiffe lagen in einem Arsenal am «Schiffschopf» wobei, selbst für die grossen Schiffe, Schutzgebäude vorhanden waren. 1793 lief das Kriegsschiff Stadt Zürich vom Stapel und diente in der Folgezeit, bis zur Selbstversenkung bei Rapperswil. Französische Pioniere konnten das Schiff heben und Zürich wurde gezwungen, die Reparaturarbeiten durchzuführen. Im Januar 1798 landete ein Teil der französischen Truppen per Schiff in Nyon und Lausanne. Im März 1804 fuhren während des Bockenkrieges («Willischer Aufstand») drei stadteigene Kriegsschiffe («Stadt Zürich» usw.) von Zürich her gegen die «Rebellen» bei Horgen. 1810 wurde eine letzte militärische Übung mit dem Schiff «Stadt Zürich» gemacht und kurz darauf wurde es abgebrochen.[1][2][3]

Zweiter Weltkrieg

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Zu Beginn des Zweiten Weltkrieges besass die Schweizer Armee keine Kriegsschiffe.[4] Erst nach dem Einsatz von Wasserflugzeugen (Heinkel He 59) durch die deutsche Wehrmacht bei den Invasionen Norwegens und der Niederlande 1940[5] begann die Schweizer Armeeführung, auf verschiedenen Seen requirierte Privatboote mit Maschinengewehren auszurüsten.

Ab 1941 wurden im Zentralraum (Reduit) die ersten ad hoc Kampfboot- sowie Seetransport- und Seeverbindungs-Detachemente aufgestellt. 1942/43 wurde eine Militärflotte geschaffen, die auf den Grenz- und Reduitseen zum Einsatz kam. Mit dem Rückzug ins Reduit wurden eine ganze Reihe von Binnenseen an den Reduitgrenzen strategisch zu eigentlichen «Grenzgewässern» (Reduitseen).

Patrouillenboot Typ 41 «Spiez»

Die Militärflotte bestand aus zwei Generationen von insgesamt zehn mit Panzerbüchsen (vorerst Solothurn S18/100, später 24 mm Tankbüchse 41) und Maschinengewehren bewaffneten Patrouillenbooten Typ 41 der Werner Risch Schiffbau aus Zürich[6] und aus 50 requirierten Privatschiffen:

«Küstenbatterie» der Seesperre Obere Nas mit Bootshaus

Die beiden Motorbootdetachemente auf dem Vierwaldstättersee waren ein wesentlicher Bestandteil des Verteidigungssystems der Seesperre Nas. Die Motorbootdetachemente arbeiteten eng mit den Seedetachementen der Pontoniertruppen zusammen, deren Hauptaufgaben die Uferverteidigung und die Seetransporte waren. Für die Seetransporte wurde die gesamte zivile Flottille mit Dampfschiffen, Fähren, Nauen und Motorbooten in das Transportdispositiv einbezogen.[7]

1947 wurden die dreizehn Motorbootdetachemente in der neu gegründeten Motorbootkompanie 1 (13 Züge auf neun Seen) zusammengezogen. Der Sollbestand der Kompanie betrug 13 Offiziere, 37 Unteroffiziere und 280 Soldaten. Es war eine Auszugseinheit mit Milizsoldaten aus Westschweizern, Tessinern und Deutschschweizern, die mit ihren Bootszügen auf elf verschiedenen Mobilmachungsplätzen mobilisiert wurden. Die Ausrüstung bestand aus 55 Motorbooten, wovon neun bis elf Patrouillenboote, und die Bewaffnung nebst den persönlichen Waffen aus 22 Maschinengewehren und 55 Leichten Maschinengewehren (wovon 22 lafettiert).

Während des Kalten Krieges blieben die Schweizer «Seestreitkräfte» bestehen, wurden ausgebaut, neu ausgerüstet und erreichten einen Höchststand.[7] Mit der Armee 61 wurden die Motorboottruppen in drei Kompanien (Bodensee: Mot Boot Kp III/47, Lago Maggiore und Luganersee: Cp motoscafi V/49, Genfersee: Mot Boot Kp V/50) gegliedert, welche den entsprechenden Grenzbrigaden (Genieabteilungen) unterstanden. Administrativ waren sie den Genie- und Festungstruppen unterstellt. 1980 wurden diese mit zehn neu entwickelten Patrouillenbooten P-80 ausgestattet (Länge: 10,94 m, Breite: 3,28 m). Das P-80 wurde mit Schaumstoff unsinkbar gemacht und ist bei Volllaufen gegen Totalverlust geschützt. Dazu kam der Einsatz einer Vielzahl von Requisitionsbooten.

1970 wurden von der Abteilung für Transporttruppen (ATT) fünf spezialisierte Motorlastschiffdetachemente (Mot Lasts Det) aufgestellt. Sie wurden den Territorialzonen zugewiesen und hatten auf fünf Seen (Genfer-, Neuenburger-/Bieler-, Thuner-/Brienzer-, Vierwaldstätter- und Zürichsee) die militärischen Nach- und Rückschubtransporte der Armee bei Störung des Strassennetzes sicherzustellen. Die privaten Motorlastschiffe (Nauen, Ledischiffe) wurden nach Bedarf als Requisitionsschiffe aufgeboten. Damit bestanden die «Seestreitkräfte» der Schweizer Armee aus drei sich ergänzenden Truppenkörpern: die Genietruppen mit den Pontonieren, die Motorbootkompanien und die Motorlastschiffdetachemente. 1994 wurden die Mot Lats Det mit den letzten Schiffen auf dem Vierwaldstättersee aufgelöst. Seit 1995 haben die Bootsschützen ihre eigene Rekrutenausbildung in den Landessprachen.

Mit der Armeereform 95 erhielten die drei Motorbootkompanien (Mot Boot Kp 15 Genfersee, Mot Boot Kp 43 Bodensee, Mot Boot Kp 96 Lago Maggiore und Luganersee) den Auftrag, die Territorialdivisionen und das Grenzwachtkorps zu unterstützen, die Seeüberwachung und Schiffskontrollen durchzuführen sowie Aufklärung (Radarüberwachung und Nachrichtenbeschaffung) zu betreiben.[7]

Aktuelle Organisation

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Schweizerflagge zur See
Patrouillenboot 16

Die Armeereform XXI führte zu einer Reduktion des Bestandes der Motorbootkompanien ab 2004 auf eine einzige (Mot Bootkp 10). Die Motorbootkompanie 10 kam mehrfach im Assistenzdienst subsidiär für die Polizei zum Einsatz, wie 2002 auf den Juraseen für die Expo.02, für den G8-Gipfel in Évian-les-Bains 2003 auf dem Genfersee und 2010 für den Frankophoniegipfel in Montreux.[8]

Die Motorbootkompanie 10 ist zusammen mit dem Pontonierbataillon 26 dem Lehrverband Genie/Rettung unterstellt. Sie erfüllt auch Aufgaben zugunsten des Grenzwachtkorps, der Polizei sowie der militärischen Sicherheit. Das Patrouillenboot P-80 ist im militärischen Einsatz mit einer Defensivbewaffnung ausgerüstet: ein 12,7 mm Maschinengewehr 64 dient als Bugwaffe (Waffensupport auf Drehkranz), ein zweites als Heckwaffe (auf Drehsäule) sowie sieben Sturmgewehre als persönliche Waffen.

Die Patrouillenboote der Motorbootkompanie, die auf Binnengewässern patrouillieren, führen statt der quadratischen Schweizerfahne die Schweizerflagge zur See, wie sie auch die Schweizer Hochseeschifffahrt verwendet und die ein Seitenverhältnis von 2:3 hat.[9]

Im Rüstungsprogramm 2016 waren vierzehn neue Patrouillenboote für 49 Millionen Franken enthalten.[10] Die neuen Boote der finnischen Firma Marine Alutech Oy Ab nennen sich folglich Patrouillenboot 16 und wurden nach dem Endausbau bei der Firma shiptec in Luzern ab 2019 übergeben. Der erste Ausbildungsgang wurde Ende Oktober 2019 abgeschlossen. Laut ursprünglicher Planung sollten so alle P-80 im Zeitraum bis 2021 durch die ebenfalls strassentransportierbaren P-16 abgelöst werden. Das Patrouillenboot 16 kann 15 Personen transportieren, erreicht dank zweier Dieselmotoren eine Spitzengeschwindigkeit von 65 km/h und ist mit Radar, Infrarot- und Wärmebildgeräten ausgestattet. Boot und Mannschaft sind bewaffnet.[11][12] Patrouillentätigkeit und Personenrettung und Sachbergung können weiterhin erbracht werden. Eine spezielle Hubbühne am Heck erleichtert Bergungsarbeiten.[13]

  • Hansjakob Burkhardt: Befestigung «Seesperre Nas», Infanterie-, Artilleriewerke Ober- und Unter-Nas mit Seehindernis an der Vierwaldstättersee-Eingangspforte zum Reduit und Schweizer Marine auf dem Vierwaldstättersee, Einsatz der Motorboottruppen und der Lastschiffdetachemente – Entwicklung und Beschaffung der Patrouillenboote P-41 und P-80. Fischerdörfli-Verlag, Meggen 2005, ISBN 3-907164-14-8, Neuauflage: Nidwaldner Museum, Stans 2009.
  • David Bürkli's Züricher Kalender: Der Schiffschopf beim Spitz (Züricher Marinearsenal).
  • A. Heer: Die Kriegsflotte auf dem Zürichsee, Zollikon, 1914 (Volltext online)
  • Thomas Hulliger, Patrouillenboot P-16 (Geschichte und technische Daten der Patrouillenboote). In: Wave-Magazin, Ausgabe 22, 2017, ISSN 2296-3464 (PDF).
  • B. Knell: Kriegsflotten auf dem Zürichsee, in Oldtimer Times, Ausgabe 32, Februar 1996, Herausgeber: Oldtimer Boot Club Zürich, S. 2–5. (online-PDF 1,1 MB) (Memento vom 30. August 2019 im Internet Archive)
Commons: Motorbootkompanie – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

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  1. Gerold Ludwig Meyer Von Knonau: Der Kanton Zürich historisch, geographisch, statistisch geschildert, Band 2, Huber, St. Gallen & Bern, 1846, Seiten 301, 304–305 (Volltext online)
  2. Anthonius Werdmüller: Memorabilia Tigurina, oder Merkwürdigkeiten der Stadt und Landschaft Zürich, Band 2, Orell, Geßner, Füßli, Erni & Co., Zürich, 1820, 1846, Seite 289. (Volltext online)
  3. Verein Regionales Historisch-Waffentechnisches Armeemuseum: „Geschichte der Schweizer Marine“ (Memento vom 14. Juli 2014 im Internet Archive)
  4. Auf der deutschen Seite des Bodensees wurde erst wenige Tage vor Kriegsbeginn die Schussen von der deutschen Wehrmacht beschlagnahmt und, wie später fünf weitere zivile Bodenseeschiffe, mit Flugabwehrkanonen ausgerüstet. Die anderen requirierten Passagierschiffe blieben unbewaffnet mit ziviler Besatzung. Die Boote des Zollgrenzschutzes waren nur leicht bewaffnet. Siehe Bodenseeschifffahrt im Zweiten Weltkrieg.
  5. Historisches Marinearchiv: 1940 dienten 84 einsatzklare He 59 als Transporter für Angriffstruppen und Ausrüstung bei der Kampfgruppe z.b.V. 108 zur Invasion in Norwegen. Am 10. Mai 1940 flogen 12 He 59 der 3. Kampfgruppe z.b.V 108 zur Invasion der Niederlande Angriffstruppen in den Rotterdamer Hafen und besetzten diesen. (Memento vom 8. März 2016 im Internet Archive)
  6. Geschichte des Patrouillenboot URI (Memento vom 11. Juni 2016 im Internet Archive) Verein IG URI, 1995
  7. a b c Hansjakob Burkhardt: Befestigung „Seesperre Nas“, Infanterie-, Artilleriewerke Ober- und Unter-Nas mit Seehindernis an der Vierwaldstättersee-Eingangspforte zum Reduit und Schweizer Marine auf dem Vierwaldstättersee, Einsatz der Motorboottruppen und der Lastschiffdetachemente – Entwicklung und Beschaffung der Patrouillenboote P-41 und P-80. Meggen 2005, 2. Auflage: Nidwaldner Museum, Stans 2009.
  8. Die heutige „Binnenmarine“. LVB Genie & Rettung. In: Explorer. Truppenzeitung Aufkl Bat 4. Nr. 3, 2012, S. 3, Digitalisat (PDF; 1,6 MB) (Memento vom 24. September 2015 im Internet Archive).
  9. Der Umgang mit Fahnen, Standarten und Fanions. (Fahnenreglement). Reglement 51.340 d. 2008, Digitalisat (PDF; 11,4 MB) (Memento vom 6. November 2011 im Internet Archive).
  10. Armeebotschaft 2016 (Zahlungsrahmen der Armee 2017-2020, Rüstungsprogramm 2016, Immobilienprogramm VBS 2016). In: parlament.ch. 24. Februar 2016, abgerufen am 11. November 2023.
  11. VBS: Rüstungsprogramm 2016 (Memento vom 1. Juli 2016 im Internet Archive), abgerufen am 6. Mai 2016
  12. Patrouillenboot P16 mit Prototyp P41 "Uri" mit Holzdeck, Serienboot P41 und aktuellem Boot P80
  13. Thomas Hulliger, Patrouillenboot P-16, S. 50–54.