Niederweiler (Müllheim) – Wikipedia
Niederweiler Stadt Müllheim | |
---|---|
Koordinaten: | 47° 48′ N, 7° 39′ O |
Einwohner: | 1424 (Dez. 2016)[1] |
Eingemeindung: | 1. Mai 1972 |
Postleitzahl: | 79379 |
Vorwahl: | 07631 |
Klemmbach, Ortslage Niederweiler, bachaufwärts nach Osten von der Straßenbrücke zwischen Rathaus und ehemaligem Christophorus-Haus (August 2010) |
Als Ortschaft im Sinne der baden-württembergischen Gemeindeordnung mit einem eigenen Ortschaftsrat sowie einem Ortsvorstand gehört Niederweiler als Teilort zur Stadt Müllheim im Markgräflerland.
Schwerpunkte sind neben der Funktion als Wohnort die Bereiche Weinbau und Tourismus. Der deutsch-französische Dichter René Schickele aus dem Elsass, teilweise als der „erste europäische Dichter“ bezeichnet, nannte die Gegend um das ehemalige Dorf auch „Pforte zur himmlischen Landschaft“.
Seit 1979 trägt der Ort das Prädikat „staatlich anerkannter Erholungsort“.
Geographie
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Niederweiler liegt am Westausgang des Klemmbachtals aus dem Schwarzwald in die Vorbergzone des Markgräflerlandes zwischen dem nördlich gelegenen, weinbaulich genutzten Innerberg sowie dem südlich gelegenen, waldbedeckten Ölberg; etwa zwischen dem Zufluss des Seltenbaches (am Ostende, von Badenweiler her) und dem des Rammisbaches (am Westende, von Lipburg-Sehringen [zu Badenweiler] kommend) in den Klemmbach, knapp einen Kilometer oberhalb des durch eine Grünzäsur getrennten Stadtrandes von Müllheim.
Das im Klemmbachtal oberhalb Niederweiler gelegene Dorf Oberweiler wurde im Zuge der Gemeindereform der Gemeinde Badenweiler zugeschlagen.[2]
Geschichte
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Als früheste Siedlungsspuren wurden 1952 im Rahmen einer Rebumlegung im Gewann Rust zwei alemannische Grablegungen zu Tage gefördert.[3]
Schriftlich zum ersten Mal erwähnt wird der Begriff Niederweiler im Jahr 774 im Rahmen einer Stiftungsurkunde eines Reginberts zugunsten des heiligen Märtyrers N(azarius) im Lorscher Güterverzeichnis des Klosters Lorsch, und zwar als Teil einer villaner marka (lat., dt. etwa Gemarkung Weiler) mit den Bereichen Nieder-, und Ober-, östlich von Müllheim.[4]
Eigenständig als Ortsname taucht Niederweiler als Niderwilare erstmals in der Mitte des 12. Jahrhunderts auf: als Teil einer Schenkung in einem Zinsrodel des Klosters St. Peter im Schwarzwald.[5]
Die Lage am Klemmbach machte im Laufe der Zeit neben der üblichen handwerklichen, land- und weinwirtschaftlichen Tätigkeiten den Betrieb mehrerer wassergetriebener Mühlen und Sägewerke möglich, darunter auch eine Gipsmühle; davon zeugen heute verschiedene Flurnamen.[6]
Im November 1942 wurde der polnische Zwangsarbeiter Julian Garlewicz nach einer so genannten „Sonderbehandlung“ durch die Gestapo im Rahmen der Polenerlasse bzw. der Polenstrafrechtsverordnung ohne Gerichtsverhandlung zum Tode durch den Strang „verurteilt“- wie Hunderte Andere in seiner Lage unter der „Anklage“, einen intimen Kontakt zu einer deutschen Frau eingegangen zu haben. Er wurde im Alter von 27 Jahren in einem Steinbruch im Gewann Stellerain im Tal Richtung Lipburg südlich von Niederweiler erhängt. Laut Angabe des Niederweiler Bürgermeisters Bertold Meyer vom 8. Januar 1946 wurde der Leichnam des Gehenkten von der damaligen Geheimen Staatspolizei („Gestapo“) in die Anatomie der Universität in Freiburg verbracht.[7] 1990 wurde auf dem heutigen Zentralfriedhof der Stadt im Teilort Niederweiler an der Nordostmauer des alten Dorffriedhofes oberhalb einiger Kindergräber eine entsprechende Gedenktafel angebracht.[8][9]
Am 1. Mai 1972 wurde Niederweiler im Zuge der Gemeindereform Baden-Württemberg vom selbstständigen Dorf mit einem Bürgermeister zu einem Teilort mit einer Ortsverwaltung, einem Ortsvorstand und einem Ortschaftsrat.[10]
Bevölkerung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Laut der Chronik Niederweiler – Pforte zur himmlischen Landschaft[11] von Walter Küchlin aus dem Jahr 2000[12] hatte der Ort im Jahr 1754 385, zum Zeitpunkt der Verselbstständigung 1809 (davor war es ein Teil der „Landvogtei Badenweiler“) dann über 450 Einwohner. Zum Zeitpunkt der Eingemeindung nach Müllheim 1972 waren es ca. 850.[13]
Ende 2010 hatte die Gemeinde lt. Homepage Müllheim 1.331 Einwohner,[1] Ende 2015 1.391,[14] Ende 2016 1.424; [15] Ende September 2020 1.397.[16]
Wappen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Das Wappen Niederweilers zeigt stilisiert zwei Traubenrispen sowie ein Getreidebündel. Die Blasonierung lautet: „In Gold ein erniedrigter schwarzer Sparren, begleitet oben von zwei blauen Trauben an grünen Stielen, unten von einer grünen Garbe.“[17]
Infrastruktur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Niederweiler ist Sitz eines Rathauses mit einer eigenen Ortsverwaltung; direkt benachbart liegt der Gemeindesaal Römerberghalle, welcher 2010 im Rahmen des Konjunkturpakets II einer grundlegenden Sanierung unterzogen wurde. Das örtliche Kirchlein konnte 2011 eine grundlegende Renovierung unter großem ehrenamtlichen Engagement erfahren.
Der Zentralfriedhof der Kernstadt befindet sich um den alten Dorffriedhof herum am westlichen Ortsrand; das ehemalige Alte Schulhaus wird als Veranstaltungs- und Kursraum sowie als Proberaum des örtlichen Gesangsvereins benutzt.
(Politische) Vereinigungen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Vereine
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Christophorus-Gemeinschaft Niederweiler e. V.[20]
- Frauenverein Niederweiler e. V.;[21] betreibt den örtlichen Kindergarten Regenbogen, eine Bücherstube im Obergeschoss sowie einen ständigen Flohmarkt im Keller des „alten Schulhauses“
- Freiwillige Feuerwehr Müllheim, Abteilung Niederweiler e. V.[22]
- Gesangverein Niederweiler 1862 e. V.[23]
- Narrenzunft der »Niederwilermer Chümmispalter und Schiibeklopfer« e. V.[24]
- Sportschützenverein Weilertal 1924 e. V., vereinseigene Schießanlage (Kleinkaliber) am südöstlichen Ortsrand
- Sportverein Weitertal 1926 e. V.: Eigener Sportplatz (Fußball) mit vereinseigener Gaststätte[25]
Wirtschaft
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Ortsansässig sind mehrere Handwerksbetriebe verschiedener Gewerke sowie ein selbständiges Weingut,[26] darüber hinaus ein Café sowie ein Hotel/Gasthof.[27]
Persönlichkeiten
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Julius Kaltenbach (1858–1931), Maschinenbauer und Unternehmensgründer
- Wilhelm Pferdekamp (1901–1966), Schriftsteller und Übersetzer, verbrachte seine letzten Jahre in Niederweiler[28]
- Philipp Rauenbusch (* 1973), Bassist und Mitglied der Band Reamonn
- Karl Ruser (1889–1970), Gärtnermeister, international bekannt für die europäische Einführung und Zucht von Bougainvilleen (Staatspreis Deutsche Gartenschau 1950, Stuttgart); 1951 als dritter Deutscher und erster Gärtner Bundesverdienstkreuz[29]
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Badische-zeitung.de 9. März 2023, Volker Münch: Carsharing im Dorf: Stadtmobil kommt nach Niederweiler
- Deutsche Fotothek, deutschefotothek.de: Niederweiler
- landesarchiv-bw.de: Plan von dem Vogtey-Bann Badenweyler, Ober und Nieder Weyler, Zunzingen, Lippurg, Sehringen, Schweighof und Zirnitz
- muellheim.de: Ortsverwaltungen
- muellheim-touristik.de: Ortsteil Niederweiler
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ a b muellheim.de: Stadtinfos – Zahlen & Fakten ( des vom 8. Februar 2013 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. m abgerufen am 21. November 2012
- ↑ Hauptsatzung der Stadt Müllheim vom 15. November 2006 ( des vom 4. März 2016 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. (PDF; 30 kB)
- ↑ Walter Küchlin: Niederweiler - Pforte zur himmlischen Landschaft, S. 31. Hrsg.: Stadt Müllheim, Verlag Uehlin Druck und Papierhaus GmbH, Schopfheim, 2000. ISBN 3-932738-16-0
- ↑ Lorscher Codex Nr. 2707, deutsch von Karl Josef Minst, Urkundenband der ehemaligen Fürstabtei Lorsch, Band IV, 1970. In: Walter Küchlin: Niederweiler - Pforte zur himmlischen Landschaft, S. 33. Hrsg.: Stadt Müllheim, Verlag Uehlin Druck und Papierhaus GmbH, Schopfheim, 2000. ISBN 3-932738-16-0
- ↑ Atlas der Gemeinde Niederweiler, 1875/77. In: Walter Küchlin: Niederweiler - Pforte zur himmlischen Landschaft, S. 43, Abb. 17. Hrsg.: Stadt Müllheim, Verlag Uehlin Druck und Papierhaus GmbH, Schopfheim, 2000. ISBN 3-932738-16-0
- ↑ Walter Küchlin: Niederweiler - Pforte zur himmlischen Landschaft, S. 53. Hrsg.: Stadt Müllheim, Verlag Uehlin Druck und Papierhaus GmbH, Schopfheim, 2000. ISBN 3-932738-16-0
- ↑ Walter Küchlin: Niederweiler - Pforte zur himmlischen Landschaft, S. 157; Hrsg.: Stadt Müllheim/Baden, Uehlin Druck- und Papierhaus GmbH Schopfheim, 2000; im Anhang Flurnamensammlung, Quellen- und Literaturverzeichnis sowie Bildnachweis
- ↑ badische-zeitung.de, 13. November 2012, Gabriele Babeck-Reinsch: Gerichtet – ohne Gerichtsurteil (24. November 2012)
- ↑ Siehe auch (viele Parallelen, ein Jahr zuvor im Nachbarort Kandern), badische-zeitung.de, 29. Oktober 2016: Vor 75 Jahren wurde Waclaw Zenszykiewiez im Steinbruch erhängt (30. Oktober 2016)
- ↑ Statistisches Bundesamt (Hrsg.): Historisches Gemeindeverzeichnis für die Bundesrepublik Deutschland. Namens-, Grenz- und Schlüsselnummernänderungen bei Gemeinden, Kreisen und Regierungsbezirken vom 27.5.1970 bis 31.12.1982. W. Kohlhammer, Stuttgart/Mainz 1983, ISBN 3-17-003263-1, S. 499 (Digitalisat in: Statistische Bibliothek des Bundes und der Länder [PDF]).
- ↑ nach einem gleichnamigen Buch von René Schickele
- ↑ Hrsg. Stadt Müllheim/Baden; Uehlin Druck- und Papierhaus GmbH, Schopfheim
- ↑ Chronik, S. 195 ff.
- ↑ muellheim.de: Stadtinfos – Zahlen & Fakten ( des vom 8. Februar 2013 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. (2. Juli 2016)
- ↑ Müllheim im Markgräflerland - Stadtinfos. Archiviert vom (nicht mehr online verfügbar) am 8. Februar 2013; abgerufen am 31. Oktober 2018. Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
- ↑ Stadtinfos / Stadt Müllheim. Abgerufen am 10. März 2023.
- ↑ Herwig John: Wappenbuch des Landkreises Breisgau-Hochschwarzwald: Wappen - Siegel - Dorfzeichen. In: Veröffentlichungen der Staatlichen Archivverwaltung Baden-Württemberg, Heft 49. Kohlhammer, Stuttgart 1994.
- ↑ almnw.org
- ↑ friedensrat.org
- ↑ christophorus-gemeinschaft.de (27. Juni 2012)
- ↑ Verkehrsverein Niederweiler e.V. In: vereine-in-muellheim.de ( des vom 31. Dezember 2015 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. (23. Dezember 2011)
- ↑ Herzlich Willkommen bei der Freiwilligen Feuerwehr Müllheim. In: feuerwehr-muellheim.de (23. Dezember 2011)
- ↑ Herzlich Willkommen beim Gesangverein Niederweiler 1862 e.V. In: gesangverein-niederweiler.de (23. Dezember 2011)
- ↑ Narrenzunft der «Niederwilermer Chümmispalter und Schiibeklopfer» e.V. In: vereine-in-muellheim.de ( des vom 31. Dezember 2015 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. (23. Dezember 2011)
- ↑ SV Weilertal 1926 e.V. - die Macht vom Römerberg. In: sv-weilertal.de (23. Dezember 2011)
- ↑ Weingut Schneider-Krafft – Das Weingut am Römerberg. Abgerufen am 29. September 2018 (deutsch).
- ↑ Warteck - Gasthaus und Hotel. Abgerufen am 29. September 2018.
- ↑ Baden-Württemberg, Baden-Württembergische Verlagsanstalt, 1976, S. 21, Vorschau in der Google-Buchsuche
- ↑ Sigrid Umiger: badische-zeitung.de: "Mein Großvater hat nur für seine Blumen gelebt". Badische Zeitung, 21. November 2014