Nephropathie – Wikipedia

Nephropathie (von altgriechisch νεφρός nephros „Niere“, und πάθος pathos „Leiden“, „chronische Krankheit“) oder Nierenerkrankung bzw. Nierenkrankheit sind Bezeichnungen für Erkrankungen der Niere (Nierenkrankheiten).

Der Begriff wird meist für Nierenerkrankungen degenerativer und toxischer Natur verwendet. Er wurde 1905/1917 von Friedrich von Müller als Kennzeichnung einer eigenen Gruppe von Nierenerkrankungen eingeführt (welche nach Hugo Ribbert auch mit dem Wort Nephrosen bezeichnet werden[1][2]). Gemeint sind nicht entzündliche, zum Beispiel auch toxische oder erbliche, Nierenschädigungen wie:

Im Jahr 1826 unterschied der deutsche Arzt Georg König bei seinem Versuch, die Nierenkrankheiten nach pathologisch-anatomischen Befunden zu ordnen, in seinen Praktischen Abhandlungen über die Krankheiten der Nieren 17 verschiedene Formen von organischen Nierenveränderungen. König stellte sich seinerzeit noch die Frage, ob es sich bei den Nieren um harnausscheidende oder um harnbildende Organe handelt.[6] Obwohl Friedrich von Müller bereits 1905 die nephrotischen von den nephritischen Krankheitsformen getrennt hatte,[7] werden entzündliche (immunologische bzw. autoimmunologische) Nierenerkrankungen oft mit Nephropathie bezeichnet, beispielsweise die zu den idiopathischen Glomerulonephritiden zählende IgA-Nephropathie oder die IgG4-assoziierte Nephropathie, eine Autoimmunerkrankung.

Allgemein wird unter einer Nephrose jede histologisch nachweisbare Nierenkrankheit (Nierenparenchymkrankheit mit Veränderung des Parenchyms, mit Entartung der Epithelien[8][9]) verstanden.[10] Klinisch werden dagegen die nephrotischen (Adjektiv von Nephrose) von den nephritischen (Adjektiv von Nephritis) Nierenerkrankungen abgegrenzt, insbesondere seit die Virchowsche Lehre von der parenchymatösen Entzündung durch einen konkreteren Entzündungsbegriff abgelöst[11] wurde; Unterscheidungsmerkmale sind die Entzündungszeichen. Analog wird zwischen einem nephritischen Syndrom und einem nephrotischen Syndrom unterschieden.[12]

Eine klassische Beschreibung doppelseitiger Nierenerkrankungen[13] mit den Symptomen Ödeme, Herzhypertrophie und Augenhintergrundveränderungen erfolgt 1827 durch Richard Bright.[14] Der Engländer Samuel Wilks (1824–1911) vom Guy’s Hospital beschrieb 1862 Formen von Nierenschrumpfung und sah einen Zusammenhang mit einer Erkrankung der Arterien.[15] Weitere Pioniere in der Erforschung der Nierenkrankheiten waren Franz Volhard und Theodor Fahr, Thomas Addis sowie Donald D. Van Slyke und Homer Smith.[16]

A. Ellis unterteilte die Nierenerkrankungen in einen Typ I (Nephritiden) und einen Typ II (Nephrosen).[17] Zu den Nephrosen zählen etwa die Minimal-Change-Glomerulonephritis (Lipoidnephrose), die Amyloidnephrose, die Plasmozytom-Niere (Cast-Nephropathie), die Glomerulosklerose und weitere Nierenerkrankungen mit tubulären Ablagerungen.[18]

Nach Wilhelm Nonnenbruch (1887–1955) werden die (seltenen) renalen von den (häufigen) extrarenalen Nierensyndromen unterschieden.[19] Unterscheidungskriterium ist hier die Nachweisbarkeit beziehungsweise das Nichtvorhandensein von histologischen, parenchymatösen oder epithelialen Veränderungen im Nierengewebe als hinreichende kausale Ursache einer Niereninsuffizienz. Man muss also an die Niereninsuffizienz ohne Nierenkrankheit denken. Carl-Erich Alken spricht diesbezüglich von einer Nierenbeteiligung bei nichtrenalen Nierenerkrankungen.[20] 70 bis 80 Prozent der Fälle von akutem Nierenversagen beruhen auf solchen Extrarenalsyndromen („zirkulatorisch-ischämisches Nierenversagen“).[21]

Ältere Literatur

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  • Richard Bright: Cases and observations, illustrative of renal disease accompanied with the secretion of albuminous urine. In: Guy's Hospital Reports. 1836, S. 338–379.
  • Franz Volhard, Theodor Fahr: Die Brightsche Nierenkrankheit. Springer-Verlag, Berlin 1914.
  • Franz Volhard: Die doppelseitigen hämatogenen Nierenerkrankungen (Bright’sche Krankheit). In: L. Mohr, Rudolf Staehelin (Hrsg.): Handbuch der inneren Medizin. Band 3. Springer-Verlag, Berlin/Heidelberg 1918; Abdruck ebenda, ISBN 978-3-662-42272-4.
  • Franz Volhard: Die doppelseitigen hämatogenen Nierenerkrankungen. In: Gustav von Bergmann, Rudolf Staehelin (Hrsg.): Handbuch der inneren Medizin. 2. Auflage. Band 6 in 2 Teilen. Verlag von Julius Springer, Berlin/Heidelberg 1931; Abdruck von Teil 2 (S. 1025–2140) ebenda, ISBN 978-3-662-42701-9.
  • Fritz Munk: Klinische Diagnostik der degenerativen Nierenerkrankungen. In: Zeitschrift für Klinische Medizin. Band 78, 1913, S. 1–52.
  • Fritz Munk: Pathologie und Klinik der Nephrosen, Nephritiden und Schrumpfnieren. Einführung in die moderne klinische Nierenpathologie. Berlin/Wien 1918.
  • Wilhelm Haberling: Geschichtliches über Erkrankungen und Verletzungen der Nieren. In: Medizinische Welt. Band 9, (Berlin) 1935, S. 1449–1451.
  • Wilhelm Nonnenbruch: Die doppelseitigen Nierenkrankheiten – Morbus Brightii. Ferdinand Enke Verlag, Stuttgart 1949.
  • Gustav von Bergmann, Walter Frey (Hrsg.): Nieren und ableitende Harnwege. In: Handbuch der inneren Medizin. 4. Auflage. 8. Band, Springer-Verlag, Berlin/Göttingen/Heidelberg 1951.
  • Joachim Frey: Krankheiten der Niere, des Wasser- und Salzhaushaltes, der Harnwege und der männlichen Geschlechtsorgane. In: Ludwig Heilmeyer (Hrsg.): Lehrbuch der Inneren Medizin. Springer-Verlag, Berlin/Göttingen/Heidelberg 1955; 2. Auflage ebenda 1961, S. 893–996, insbesondere S. 905–990.
  • Karl Eduard Rothschuh: Zur Geschichte der Nierenpathologie. In: Verhandlungen der deutschen Gesellschaft für Pathologie. 49. Tagung, 1965, S. 11–14.
  • Herbert Schwiegk (Hrsg.): Nierenkrankheiten. In: Handbuch der inneren Medizin., 5. Auflage. 8. Band, 3 Teile, Springer-Verlag, Berlin/Heidelberg/ New York 1968, ISBN 3-540-04152-4.

Einzelnachweise

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  1. Markwart Michler, Jost Benedum: Einführung in die Medizinische Terminologie. 2. Auflage. Springer-Verlag, Berlin/Heidelberg/New York 1981, ISBN 3-540-10667-7, S. 324.
  2. Joachim Frey: Parenchymatöse Nierenveränderungen. In: Ludwig Heilmeyer (Hrsg.): Lehrbuch der Inneren Medizin. Springer-Verlag, Berlin/Göttingen/Heidelberg 1955; 2. Auflage ebenda 1961, S. 951–963, hier: S. 951–959 (Nephrosen).
  3. Vgl. auch W. M. Bennet, G. A. Porter, S. P. Bagby, W. J. McDonald: Medikamentöse Therapie bei Nierenkrankheiten. Enke, Stuttgart 1981, ISBN 3-432-92101-2. Deutsche Übersetzung von Drugs and Renal Disease, erschienen bei Longman Inc.
  4. Ulrich Lammers (Nierenzentrum Oldenburg): KMnephropathie. (PDF) In: KMNephropathie.pdf. Dr. med. Ulrich Lammers, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 3. September 2013; abgerufen am 3. Mai 2016.  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.dialyse-oldenburg.de
  5. Peter Lawin, R. Wisdorf (Hrsg.): Nierenfunktion während Anästhesie und Intensivbehandlung (= INA-Schriftenreihe: Intensivmedizin – Notfallmedizin – Anästhesiologie. Band 29). Thieme, Stuttgart / New York 1981, ISBN 3-13-6015-01-0.
  6. Johanna Bleker: Die Geschichte der Nierenkrankheiten. Boehringer Mannheim, Mannheim 1972, S. 91 und 93–94.
  7. Paul Diepgen, Heinz Goerke: Aschoff/Diepgen/Goerke: Kurze Übersichtstabelle zur Geschichte der Medizin. 7., neubearbeitete Auflage. Springer, Berlin/Göttingen/Heidelberg 1960, S. 58.
  8. Otto Dornblüth: Klinisches Wörterbuch, 9. Auflage, Walter de Gruyter, Berlin/Leipzig 1919, S. 238 f.
  9. Vgl. auch Joachim Frey: Parenchymatöse Nierenveränderungen. In: Ludwig Heilmeyer (Hrsg.): Lehrbuch der Inneren Medizin. Springer-Verlag, Berlin/Göttingen/Heidelberg 1955; 2. Auflage ebenda 1961, S. 951–963.
  10. Günter Thiele (Hrsg.): Handlexikon der Medizin. Urban & Schwarzenberg, München/Wien/Baltimore ohne Jahr [1980], Band 3 (L−R), S. 1703 f.
  11. Johanna Bleker: Die Geschichte der Nierenkrankheiten. Boehringer Mannheim, Mannheim 1972, S. 120 (Friedrich von Müllers Kritik an der Lehre von den Nierenkrankheiten).
  12. Roche Lexikon Medizin, 5. Auflage, Urban & Fischer, München, Jena 2003, ISBN 978-3-437-15156-9, S. 1303–1305.
  13. Vgl. etwa Joachim Frey: Krankheiten der Niere, des Wasser- und Salzhaushaltes, der Harnwege und der männlichen Geschlechtsorgane. 1961, S. 926–971 (Klinik der doppelseitigen Nierenerkrankungen).
  14. Vgl. Henry Christison: Kidney Disease as described by Richard Bright in the Light of the Knowledge of a Century later. In: Ann. med. Hist. Band 9, 1927, S. 337–346.
  15. Johanna Bleker: Die Geschichte der Nierenkrankheiten. 1972, S. 116.
  16. Joachim Frey: Krankheiten der Niere, des Wasser- und Salzhaushaltes, der Harnwege und der männlichen Geschlechtsorgane. In: Ludwig Heilmeyer (Hrsg.): Lehrbuch der Inneren Medizin. Springer-Verlag, Berlin/Göttingen/Heidelberg 1955; 2. Auflage ebenda 1961, S. 893–996, hier: S. 893.
  17. Joachim Frey: Parenchymatöse Nierenveränderungen. 1961, S. 951.
  18. Joachim Frey: Nephrosen. 1961, S. 951–959.
  19. Wilhelm Nonnenbruch: Die doppelseitigen Nierenkrankheiten. Ferdinand Enke Verlag, Stuttgart 1949, S. 173–192.
  20. Jürgen Sökeland: Urologie. 10. Auflage. Thieme-Verlag, Stuttgart/ New York 1987, ISBN 3-13-300610-X, S. 52 f.
  21. Gerhard Rodeck, Dieter Klaus: Initialsymptome und Erstmaßnahmen. In: Gerhard Rodeck (Hrsg.): Urologische Erkrankungen (= Praxis der Allgemeinmedizin. Band 18). Urban & Schwarzenberg, München/Wien/Baltimore 1987, ISBN 3-541-13121-7, S. 18.