Otto Hoevermann – Wikipedia
Otto Hoevermann (* 11. November 1888 in Bonn; † 13. Dezember 1953 in Rengsdorf, Westerwald) war ein deutscher Verwaltungsjurist und in der Nachkriegszeit der vorletzte Oberpräsident in der Provinz Schleswig-Holstein. Zwar war bekannt, dass er – wie andere hohe Beamte – Mitglied der NSDAP war; dass er aber im August 1945 von der britischen Militärregierung in seinem Amt bestätigt wurde, galt als einmaliger Vorgang in der Britischen Besatzungszone.[1]
Leben
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Als Rheinländer und promovierter Verwaltungsjurist war Hoevermann in der Weimarer Republik ab 1920 Landrat des preußischen Restkreises St. Wendel-Baumholder. Als DVP-Mitglied wurde er 1933 von den Nationalsozialisten seines Amtes enthoben und für sechs Monate in den Wartestand versetzt. Am 21. Juli 1937 beantragte er die Aufnahme in die NSDAP und wurde rückwirkend zum 1. Mai desselben Jahres aufgenommen (Mitgliedsnummer 5.945.510).[2] Als Kommunaldezernent der Regierung in Koblenz Oberregierungsrat geworden, wurde er im September 1939 zum Oberpräsidium der preußischen Provinz Schleswig-Holstein in Kiel berufen. Als Regierungsdirektor leitete er die Allgemeine Abteilung.[3]
Oberpräsident
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Am 6. Mai 1945, zwei Tage vor der bedingungslosen Kapitulation der Wehrmacht, entließ der in Flensburg-Mürwik amtierende Reichskanzler Karl Dönitz den Oberpräsidenten Hinrich Lohse aus dem Amt. Die Geschäfte von Schleswig-Holsteins höchstem Verwaltungsbeamten übernahm vorübergehend Waldemar Vöge, der von 1935 bis 1939 Landrat im Kreis Zauch-Belzig gewesen war. Am 14. Mai 1945 ernannte der britische Militärgouverneur Gail Patrick Henderson Hoevermann zum kommissarischen Oberpräsidenten.[3] Wie er in einem Interview mit dem Kieler Kurier am 22. August 1945 erklärte, wollte er die Verwaltung wieder aufbauen, die Wirtschaft wiederbeleben, das Flüchtlingsproblem lösen, die drohende Arbeitslosigkeit bekämpfen und die Christian-Albrechts-Universität zu Kiel so bald wie möglich wiedereröffnen.[4] Zunächst vergeblich warnte er vor den Folgen der feindseligen Ablehnung der Heimatvertriebenen aus Ostpreußen und Pommern durch die Schleswig-Holsteiner.[5] Die dänische Seite protestierte dagegen, dass er im Kreis Flensburg-Land, im Kreis Südtondern und in Kappeln ostpreußische Verwaltungsbeamte eingesetzt hatte.[4] Auch in Kiel, Lübeck, Flensburg und Schleswig wurde Kritik an der Besetzung des Oberpräsidentenamtes mit Hoevermann laut. Bürgerliche Kreise um Ernst Kintzinger und Willi Koch drängten im Juli 1945 auf Hoevermanns Ablösung vor der anstehenden Bestätigung; sie schlugen den Kieler Oberbürgermeister Max Emcke vor. Der von Kommunisten und Sozialdemokraten gebildete Kieler Gewerkschaftsausschuß plädierte zunächst für Albert Billian. „Nachdem Verabredungen über die Besetzung weiterer leitender Verwaltungsfunktionen durch Antifaschisten als Gegenleistung vereinbart worden waren“, sprach er sich ebenfalls für Emcke aus.[3]
Affäre
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Als die dänische und südschleswigsche Presse einen Proteststurm gegen Hoevermanns Ernennung entfachte, wurde die Political Intelligence Division des British Foreign Office aufmerksam. Trotz seiner „sehr guten Zusammenarbeit“ mit der Militärregierung schätzte sie ihn als „alles andere als politisch zuverlässig“ ein.[4] Oberstleutnant M. G. Rees meinte, dass „nicht jeder eine verantwortungsvolle Position übernehmen könne, nur weil er Nicht-Nazi und kompetenter Verwaltungsfachmann sei. Es sei vielmehr notwendig, Personen zu ernennen, die eine positive Einstellung zu den Absichten und den Zielen der britischen Militärregierung haben, so wie es in den Potsdamer Beschlüssen niedergelegt worden sei“; aber bei der Political Intelligence Division wollte weder der Leiter C. E. Steel noch sein Stellvertreter I. T. M. Pink sich solcher „ideologischen“ Diskreditierung anschließen.[3] Unter Berufung auf Anordnungen der Alliierten Kontrollkommission und ohne Angabe von Gründen entließ der Militärgouverneur Henderson (inzwischen Brigadegeneral) Hoevermann zum 15. November 1945.[3]
Nachdem er im September noch Kurator der Kieler Universität geworden war, wurde er am 16. November 1945 abgesetzt. Weil die Sozialdemokraten keinen eigenen Kandidaten benennen konnten, wurde schließlich der Christdemokrat Theodor Steltzer Hoevermanns Nachfolger als letzter Oberpräsident der Provinz Schleswig-Holstein und der erste Ministerpräsident des Landes Schleswig-Holstein.
Ruhiges Ende
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Einvernehmlich bewilligten das Kabinett Steltzer I und die Militärregierung 1946 Hoevermanns Pension. 1951 kehrte er noch einmal in den Landesdienst zurück und leitete über zwei Jahre das Landesversorgungsamt in Neumünster.[4] Er starb mit 65 Jahren im Amt.
Familie
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Otto Hoevermann war das zweite von zwei Kindern des Quästors der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, Otto Friedrich Hoevermann (1852–1925), und dessen Ehefrau Ferdinande, geborene Menzen (1860–1939). Eine eigene Familie gründete Otto Hoevermann im Jahre 1922. Aus seiner Ehe mit Elisabeth Zix (1896–1939) erwuchsen drei Kinder.[6]
Mitgliedschaften
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Deutsche Volkspartei (vor 1933)
- Nationalsozialistische Volkswohlfahrt (1935–1938)
- Reichsbund der Deutschen Beamten (1935–1938)
- Nationalsozialistischer Rechtswahrerbund (seit 1934)
- Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei
- Korps der Politischen Leiter (1938–1944)
- Reichskolonialbund
- NS-Reichskriegerbund
Werke
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- 10 Jahre Grenz- und Restkreis St. Wendel-Baumholder, Manuskript. Baumholder [Kreisausschuß], 1930
- Die Altvorderen, aus Familienpapieren, Selbstverlag, Kiel 1943
- Ostasienfahrt (Reisebericht 1911/12). Husum 1990
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Kurt Jürgensen: Hoevermann, Otto. In: Schleswig-Holsteinisches Biographisches Lexikon. Band 2. Karl Wachholtz Verlag, Neumünster 1971, ISBN 3-529-02642-5, S. 176–180.
- Holger Martens: Hoevermanns Berufung war ein Fehler. Die britische Militärregierung korrigiert die Besetzung des Oberpräsidentenamtes, in: Demokratische Geschichte – Jahrbuch des Beirats für Geschichte in der Gesellschaft für Politik und Bildung Schleswig-Holstein e. V., Bd. 12 (1999), S. 191–206, Online-Version (2008) (PDF; 1,8 MB)
- Jessica von Seggern: Alte und neue Demokraten in Schleswig-Holstein. Demokratisierung und Neubildung einer politischen Elite auf Kreis- und Landesebene 1945 bis 1950. HMRG Beihefte 61, Franz Steiner Verlag, Stuttgart 2005, ISBN 3-515-08801-6, Online-Version
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Literatur von und über Otto Hoevermann im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Hoevermann Otto in der Datenbank Saarland Biografien
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Kieler Kurier, 17. November 1945.
- ↑ Bundesarchiv R 9361-IX KARTEI/16201151
- ↑ a b c d e Holger Martens: Hoevermanns Berufung war ein Fehler. Die britische Militärregierung korrigiert die Besetzung des Oberpräsidentenamtes, in: Demokratische Geschichte – Jahrbuch des Beirats für Geschichte in der Gesellschaft für Politik und Bildung Schleswig-Holstein e. V., Bd. 12 (1999), S. 191–206, Online-Version (2008) (PDF; 1,8 MB)
- ↑ a b c d Mitglieder der Schleswig-Holsteinischen Landesregierungen (GoogleBooks)
- ↑ Flüchtlinge in Schleswig-Holstein ( vom 10. Februar 2009 im Internet Archive)
- ↑ Otto Hoevermann: Die Altvorderen. Selbstverlag, Kiel 1943.
Personendaten | |
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NAME | Hoevermann, Otto |
KURZBESCHREIBUNG | deutscher Verwaltungsjurist, Landrat und Oberpräsident |
GEBURTSDATUM | 11. November 1888 |
GEBURTSORT | Bonn |
STERBEDATUM | 13. Dezember 1953 |
STERBEORT | Rengsdorf, Westerwald |