PCSK9-Hemmer – Wikipedia
PCSK9-Hemmer sind Arzneistoffe, die in der Therapie erhöhter Cholesterinwerte Anwendung finden, wenn andere lipidsenkende Therapien nicht ausreichend wirksam oder nicht möglich sind. Bei den für die Therapie verfügbaren PCSK9-Hemmern handelt es sich überwiegend um monoklonale Antikörper, die subkutan injiziert werden.
Wirkungsweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]PCSK9-Hemmer sind Hemmstoffe (Inhibitoren) der Proproteinkonvertase PCSK9. Die PCSK9 bewirkt eine Verminderung der Anzahl von LDL-Rezeptoren an der Zellmembran der Leberzellen: sie bindet an die LDL-Rezeptoren, der Komplex wird von den Leberzellen internalisiert und im Zellinnern proteolysiert.[1] PCSK9-Hemmer binden an die zirkulierenden PCSK9 und verhindern deren Bindung an die LDL-Rezeptoren; die Zahl der LDL-Rezeptoren an der Zellmembran wird dadurch erhöht. Entsprechend wird der Abbau von LDL-Cholesterin über diese Rezeptoren gesteigert. Als resultierende Arzneimittelwirkung wird damit durch PCSK9-Hemmer eine erhebliche Senkung des LDL-Cholesterinspiegels im Blut erreicht.
Arzneistoffe
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]2015 wurden in der Europäischen Union die folgenden PCSK9-Hemmer als Arzneistoffe zugelassen:[2][3]
- Der monoklonale Antikörper Alirocumab als Praluent der Firma Sanofi, Zulassung September 2015.
- Der monoklonale Antikörper Evolocumab als Repatha der Firma Amgen, Zulassung Juli 2015.
- Die small interfering RNA (siRNA) Inclisiran als Leqvio der Firma The Medicines Company, Zul. Dez. 2020.
Im Zuge eines Patentstreits zwischen Sanofi und Amgen untersagte das Landgericht Düsseldorf Sanofi im Juli 2019 vorläufig, Praluent in Deutschland zu fertigen, zu verkaufen und zu vermarkten.[4]
- Bei Bococizumab handelte es sich um einen weiteren PCSK9-Hemmer, den das Unternehmen Pfizer untersuchte. Im November 2016 teilte Pfizer mit, dass die weitere Entwicklung eingestellt wurde.[5][6]
Weitere Substanzen, die PCSK9 zum Ziel haben, befinden sich in der klinischen Entwicklung, so z. B.:
Indikation
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]PCSK9-Hemmer können angezeigt sein als Therapieoption bei familiärer Hypercholesterinämie[9] oder bei gemischter Dyslipidämie im Falle einer nicht ausreichenden Wirksamkeit einer Statintherapie.[10]
Entsprechend der Zulassung können PCSK9-Hemmer begleitend zu einer Diät eingesetzt werden „bei Erwachsenen mit primärer Hypercholesterinämie […] oder gemischter Dyslipidämie […] in Kombination mit Statin […] oder einem Statin zusammen mit anderen blutfettsenkenden Arzneimitteln bei Patienten, die unzureichend auf die Höchstdosis des Statins ansprechen […].“[11][12][3][13][14] Auch im Falle einer Statinunverträglichkeit kann eine Therapie mit PCSK9-Hemmern angezeigt sein.
Die Jahrestherapiekosten sind mit ca. 9.500 bis 13.000 € extrem hoch (Stand 2016).[15][16] Die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie nennt in ihren Leitlinien von 2016 PCSK9-Hemmer nur als Reserveoption für Patienten mit sehr hohem kardiovaskulären Risiko, die auf die Standardmedikamente auch in Kombination und in der höchsten vertragenen Dosis nicht ansprechen (Empfehlungsgrad IIb, Evidenzgrad C).[17]
Nebenwirkungen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Nebenwirkungen der Therapie mit PCSK9-Hemmern sind bei bis zu 10 % der behandelten Patienten zu erwarten.[18][19] Die Nebenwirkungsprofile für Alirocumab und Evolocumab scheinen sich stark zu ähneln. Es handelt sich überwiegend um allergische Reaktionen und Reizungen im Bereich der Injektionsstelle. Auch Gedächtnisstörungen und Muskelschädigungen (Rhabdomyolysen) wurden beschrieben[20][21][22][23]; eine Diabetes-fördernde Wirkung und Begünstigung einer Pankreatitis wird diskutiert. Schwerwiegende unerwünschte Wirkungen wurden bisher nicht beschrieben. Die Zahl der bislang behandelten Patienten und die Dauer der Behandlungen sind jedoch noch nicht ausreichend, um mögliche seltene schwere Nebenwirkungen zu erkennen (Stand Juni 2016).[16]
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Gerd Geisslinger, Sabine Menzel, Thomas Gudermann, Burkhard Hinz, Peter Ruth: Mutschler Arzneimittelwirkungen. Pharmakologie – Klinische Pharmakologie – Toxikologie. Begründet von Ernst Mutschler, 11. Auflage. Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, Stuttgart 2020, ISBN 978-3-8047-3663-4. S. 403.
- ↑ Europäische Arzneimittel-Agentur EMA ( vom 26. Mai 2012 im Internet Archive).
- ↑ a b Rote Liste 2016, Arzneimittelverzeichnis für Deutschland (einschließlich EU-Zulassungen und bestimmter Medizinprodukte), ISBN 978-3-946057-00-0.
- ↑ Nun doch: Praluent nicht mehr verfügbar, DAZ.online, 7. August 2019, abgerufen am 15. Januar 2021
- ↑ Bococizumab wird von der Firma Pfizer in Phase-II-Studien untersucht: Bococizumab (RN316) significantly reduced LDL cholesterol in statin-treated adults with high cholesterol in a phase 2b study1 ( vom 20. August 2019 im Internet Archive), Pressemitteilung der Firma Pfizer vom 27. März 2014, abgerufen am 22. Mai 2016.
- ↑ Pfizer Discontinues Global Development of Bococizumab, Its Investigational PCSK9 Inhibitor, PM Pfizer vom 1. November 2016, abgerufen am 2. November 2016
- ↑ Vaccine that lowers cholesterol in mice offers hope of immunising against cardiovascular disease ( vom 9. September 2017 im Internet Archive), PM Affiris vom 20. Juni 2017, abgerufen am 22. Juni 2017
- ↑ The AT04A vaccine against proprotein convertase subtilisin/kexin type 9 reduces total cholesterol, vascular inflammation, and atherosclerosis in APOE*3Leiden.CETP mice, European Heart Journal vom 19. Juni 2017, doi:10.1093/eurheartj/ehx260
- ↑ Die Zulassung von Alirocumab bezieht sich auf heterozygote Formen der Hypercholesterinämie, die Zulassung von Evolocumab sowohl auf heterozygote, als auch auf homozygote Formen der Hypercholesterinämie.
- ↑ Landmesser U et al.: “2017 Update of ESC/EAS Task Force on practical clinical guidance for proprotein convertase subtilisin/kexin type 9 inhibition in patients with atherosclerotic cardiovascular disease or in familial hypercholesterolaemia.” In: “Eur Heart J.” 2017: Oct 18 Epub ahead of print. doi: 10.1093/eurheartj/ehx549
- ↑ Europäische Arzneimittel-AgenturZusammenfassung des EPAR für die Öffentlichkeit - Repatha - Evolocumab EPAR.
- ↑ Eine sinngleiche Formulierung findet sich in der entsprechenden Bewertung der Europäischen Arzneimittel-Agentur in der Bewertung zu Praluent - Alirocumab: Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) Assessment report Praluent (Alirocumab), Stand Juli 2015, EPAR, abgerufen am 10. Juni 2016.
- ↑ Fachinformation der Firma Amgen zu Repatha.
- ↑ Fachinformation der Firma Sanofi zu Praluent.
- ↑ Nach: Neu auf dem Markt — PCSK9-Hemmer Evolocumab (Repatha), arznei-Telegramm 2015, 46, 109–110.
- ↑ a b PCSK9-Hemmer Alirocumab (Praluent), arznei-Telegramm 2016, 47, ea-t im Internet.
- ↑ Deutsche Gesellschaft für Kardiologie – Herz- und Kreislaufforschung e.V.(2017): ESC Pocket Guidelines. Diagnostik und Therapie der Dyslipidämien, Version 2016. Börm Bruckmeier Verlag GmbH, Grünwald. Kurzfassung der "ESC/EAS Guidelines for the Management of Dyslipidaemias", European Heart Journal 2016; doi:10.1093/eurheartj/ehw272
- ↑ Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) Assessment report Praluent (Alirocumab), Stand Juli 2015, EPAR, abgerufen am 10. Juni 2016.
- ↑ Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) Europäischer Beurteilungsbericht (EPAR) Repatha (Evolocumab), Stand Mai 2015, EPAR, abgerufen am 10. Juni 2016.
- ↑ 4,3 % lokale allergische Reaktionen bei Evolocumab: Marc S. Sabatine et al. Efficacy and safety of evolocumab in reducing Lipids and cardiovascular effects. New England Journal of Medicine 2015, 372, 1500–1509.
- ↑ 5,9 % lokale allergische Reaktionen bei Alirocumab: Jennifer G. Robinson et al. Efficacy and safety of alirocumab in reducing lipids and cardiovascular events New England Journal of Medicine 2015, 372, 1489–1499.
- ↑ Fachinformation der Firma Sanofi zu Praluent: allgemeine allergische Reaktionen 8,1 %, Reizungen im Bereich der Injektionsstelle 6,1 %.
- ↑ Fachinformation der Firma Amgen zu Repatha: allgemeine allergische Reaktionen unter 10 %, Reizungen im Bereich der Injektionsstelle unter 10 % (keine detaillierteren Angaben).